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IACM-Informationen vom 29. April 2000

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Deutschland — Aussetzung eines Gerichtsverfahrens für Patienten bis zur Entscheidung beim BfArM

Ein Patient, der sich an der Verfassungsbeschwerde beteiligt hatte, stand am 26. April wegen Marihuanabesitzes vor Gericht. Der Richter setzte das Verfahren bis zur Entscheidung über einen Antrag, den der Beschuldigte an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt hat, aus.

Bei dem Angeklagten, der an Multipler Sklerose leidet, waren durch die Staatsanwaltschaft 200 Gramm Marihuana beschlagnahmt worden. Er hatte daher einen Strafbefehl über 600 DM erhalten, gegen den er Widerspruch einlegte. In der Gerichtsverhandlung wurde bald klar, dass der Richter einen Weg suchte, das Verfahren zu beenden, ohne ihn zu verurteilen.

Der Richter hätte das Verfahren gern eingestellt, sah aber ein, dass dem Beschuldigten damit nicht geholfen ist. Zusammen mit den anderen am Verfahren Beteiligten ist man zu der Lösung gelangt, das Verfahren (nach § 228 Abs. 1 Strafprozessordnung) bis zu einer Entscheidung beim BfArM auszusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Beschwerde des Angeklagten und die Beschwerden sieben weiterer Patienten nicht zur Entscheidung angenommen, da er zunächst einen Antrag beim BfArM auf Verwendung von Cannabis hätte versuchen müssen.

Anfang April stand ein weiterer Patient wegen des Besitzes von 50 Gramm Marihuana in Bayern vor Gericht. Er wurde zu 2 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Leider hatte er vor der Verhandlung keinen Kontakt mit der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin aufgenommen.

Dr. Franjo Grotenhermen: "Die Aussetzung des Verfahrens ist eine elegante Lösung, die den politischen und juristischen Druck aufrecht erhält. Der Richter wollte den Angeklagten nicht verurteilen, hatte aber auch keine Möglichkeit, ihn freizusprechen. Das Gesetz ist heute so gefasst, dass Richter zunehmend die ihm innewohnende Ungerechtigkeit erkennen, aber nicht gemäß ihres Rechtsempfindens urteilen können. Hier ist die Politik gefragt."

(Quelle: persönliche Mitteilungen)

USA — Hawaii erlaubt medizinische Verwendung durch Gesetzgebungsverfahren

Der hawaiianische Senat hat am 24. April ein Gesetz verabschiedet, dass Patienten mit schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubt. Das Abgeordnetenhaus hatte dem Gesetz bereits zugestimmt, und Gouverneur Ben Cayetano hat erklärt, dass er das Gesetz unterzeichnen wird.

Hawaii ist der erste US-Staat, der die medizinische Verwendung von Marihuana durch ein Gesetzgebungsverfahren anstatt durch ein Wählerreferendum erlaubt, wie Alaska, Washington, Kalifornien, Arizona, Nevada, Oregon, Maine und Washington D.C. Das Bundesjustizministerium bekämpft diese Gesetze.

Patienten, die Marihuana rauchen wollen, um Schmerzen zu lindern, Nebenwirkungen der Chemotherapie zu bekämpfen oder den Appetit anregen wollen, benötigen ein schriftliches Attest eines Arztes und müssen sich jährlich bei der Abteilung für öffentliche Sicherheit registrieren lassen.

"Dieses Gesetz wird sowohl den Patienten, der eine Verwendung von Marihuana als nützlich erlebt, schützen als auch den Arzt, der die Verwendung empfiehlt," erklärte Senatorin Suzanne Chun Oakland, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses.

(Quellen: AP vom 25. April 2000, The Daily Free Press vom 28. April 2000)

Holland — Aufbau einer Agentur für medizinisches Cannabis beim Gesundheitsministerium

Das Gesundheitsministerium ist dabei, ein Büro für medizinisches Cannabis (BMC, Bureau voor medicinale cannabis) aufzubauen. Dieses soll den Anbau und den Umgang mit Cannabis zu Forschungszwecken regulieren. Es soll zudem sicher stellen, dass die Verwendung von Cannabis in Übereinstimmung mit den internationalen Drogenabkommen geschieht.

Gesundheitsministerin Dr. Els Borst hat in einem Schreiben vom 4. April 2000 an den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses (vaste commissie voor Volksgezondheid, Welzijn en Sport) den Stand der Dinge erläutert. Danach werden zur Zeit Mitarbeiter geworben, und es wird eine begleitende Kommission eingerichtet. Dann sollen die Schritte beginnen, die nötig sind, um in Übereinstimmung mit den internationalen Drogenabkommen arbeiten zu können. Erst dann sollen konkrete Absprachen über klinische Untersuchungen und Produktentwicklungen getroffen werden.

Die bereits in diesem Bereich arbeitenden Institutionen, wie Weleda Nederland NV in Zoetermeer, die Stiftung Patientenbelangen Medicinale Marihuana und die Stiftung Maripharm in Rotterdam sollen möglicherweise in die Arbeit einbezogen werden.

Dr. Henk van Wilgenburg, Dr. Adele van der Plas, Nevil Schoenmaker und Mario Lap haben eine Stiftung für Cannabis-Genetik gegründet, mit dem Ziel, das Büro mit geeignetem Cannabis zu beliefern.

(Quellen: Brief von Dr. Els Borst vom 4. April 2000: http://www.parlement.nl/doc/rec/hfdframe/rec001.htm, E-Mail von Mario Lap vom 22. April 2000)

Kurzmeldungen

Deutschland

21.000 Unterschriften für die Legalisierung von Cannabis wurden am 27. April der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Christa Nickels (Grüne), übergeben. Die Unterschriften waren in den vergangenen zwölf Monaten vor allem von der Grünen Hilfe und von HANF e.V. bundesweit gesammelt worden. Die Initiatoren fordern die Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz und die Entwicklung von Abgabemodellen nach dem niederländischen Coffeeshop-Modell. (Quelle: Taz vom 28. April 2000)