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IACM-Informationen vom 11. Oktober 2008

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Deutschland — ErklĂ€rung zur UnterstĂŒtzung der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten durch medizinische Organisationen

Im Vorfeld einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags am 15. Oktober fordern fĂŒhrende medizinische Gesellschaften und Patientenorganisationen eine Erleichterung der Verwendung von Cannabisprodukten fĂŒr medizinische Zwecke. Dazu verfassten die Organisationen eine gemeinsame Stellungnahme. Die "Berliner ErklĂ€rung zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten" lautet:

"Im Jahr 1998 haben medizinische Gesellschaften, Selbsthilfegruppen und Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur in der 'Frankfurter Resolution' die Forderung erhoben, die medizinische Nutzung von Cannabis zu erlauben. Heute - zehn Jahre spĂ€ter - ist die Erforschung des medizinischen Potenzials von Cannabis und einzelner Cannabinoide erheblich fortgeschritten und der medizinische Nutzen von Cannabinoiden bei einer Anzahl von Erkrankungen unbestritten. Es besteht die Möglichkeit, den Cannabiswirkstoff Dronabinol Ă€rztlicherseits auf einem BetĂ€ubungsmittelrezept zu verordnen, die Behandlungskosten werden von den Krankenkassen jedoch meistens nicht erstattet. Viele Patienten, die sich das Medikament nicht leisten können und demzufolge auf die Selbstmedikation mit Cannabis ausweichen, sind weiterhin von Strafverfolgung bedroht. Einige wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, wenige von den Strafgerichten frei gesprochen. Die Möglichkeit, vom Bundesinstitut fĂŒr Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis erhalten zu können, hat an dieser unhaltbaren Situation leider nicht viel verĂ€ndert.

In der Erkenntnis, dass fĂŒr viele schwer kranke Menschen Cannabisprodukte als Medizin hilfreich sind, sie jedoch aus sozialen GrĂŒnden (Kosten von Dronabinol) oder aufgrund bĂŒrokratischer HĂŒrden (Ausnahmegenehmigung durch das BfArM) von ihnen nicht profitieren können, fordern die Unterzeichner die Bundesregierung bzw. den Bundestag auf:

1. dafĂŒr Sorge zu tragen, dass Dronabinol von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird, wenn es in einer Indikation verschrieben wird, fĂŒr die ein Nutzen von Dronabinol wissenschaftlich zu begrĂŒnden ist,

2. Patienten, die Cannabis aufgrund einer Ă€rztlichen Empfehlung zu therapeutischen Zwecken verwenden, vor Strafverfolgung zu schĂŒtzen,

3. die Erforschung des therapeutischen Potenzials von Cannabisprodukten zu fördern."

Unterzeichner:

ADHS Deutschland e.V.

akzept e.V.

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V.

Deutsche AIDS-Hilfe e.V.

Deutsche Epilepsievereinigung e.V.

Deutsche Gesellschaft fĂŒr Suchtmedizin e.V.

Deutsche Gesellschaft fĂŒr Schmerztherapie e.V.

Deutsche Schmerzliga e.V.

Deutscher Patienten Schutzbund e.V.

Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e.V.

Interessenverband Tic & Tourette Syndrom e.V.

Polio Allianz e.V.

Republikanischer AnwÀltinnen- und AnwÀlteverein e.V.

Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin

Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V.

Die Berliner ErklĂ€rung ist online verfĂŒgbar unter:

http://www.cannabis-med.org/german/berliner_erklaerung.pdf

Schriftliche Stellungnahmen zur Anhörung am 15. Oktober, inklusive der Stellungnahme der deutschen Sektion der IACM, sind verfĂŒgbar unter:

http://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/anhoerungen/097/stllg/index.html

(Quelle: ACM)

Wissenschaft Großbritannien — In einem Bericht fĂŒhrender Experten heißt es, dass Cannabis weniger schĂ€dlich als Tabak und Alkohol ist

Nach einem Bericht der Globalen Cannabiskommission, eine Gruppe von herausragenden Wissenschaftlern, der von der britischen Beckley-Stiftung in Auftrag gegeben wurde, ist das Rauchen von Cannabis weniger schĂ€dlich als das Rauchen von Zigaretten oder das Trinken von Alkohol. Der Bericht wurde von fĂŒnf fĂŒhrenden Cannabis- und Drogenpolitikforschern abgefasst: Benedikt Fischer von der Simon-Fraser-UniversitĂ€t in Vancouver (Kanada), Peter Reuter von der UniversitĂ€t von Maryland (USA), Wayne Hall von der UniversitĂ€t von Queensland (Australien), Simon Leñon vom nationalen Drogenforschungsinstitut der Curtin-UniversitĂ€t fĂŒr Technologie (Australien) sowie Robin Room von der UniversitĂ€t von Melbourne (Australien).

"Auch wenn Cannabis einen negativen Einfluss auf die Gesundheit haben kann, inklusive der seelischen Gesundheit, ist er bezogen auf den relativen Schaden deutlich weniger schĂ€dlich als Alkohol oder Tabak", heißt es in dem Bericht. "Viele der SchĂ€den, die mit dem Cannabiskonsum verbunden sind, sind das Ergebnis des Verbots selbst, besonders die sozialen SchĂ€den, die durch Verhaftung und GefĂ€ngnis entstehen." Der Bericht fĂ€hrt fort, dass "es nur ein regulierter Markt ist, durch den wir junge Menschen vor den immer stĂ€rker gewordenen Formen von Cannabis schĂŒtzen können. "

Der Bericht ist verfĂŒgbar unter:

http://www.beckleyfoundation.org/pdf/BF_Cannabis_Commission_Report.pdf

(Quelle: Beckley-Stiftung vom 2. Oktober 2008)

Deutschland — Fehlende Kostenzusage fĂŒr Dronabinol ist weiterhin akzeptierte Voraussetzung fĂŒr eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis

Das Bundesinstitut fĂŒr Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ein Institut des Bundesgesundheitsministeriums, Ă€nderte im Juli 2008 ihre Hinweise fĂŒr Patienten, die einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis stellen wollen. Die Anforderungen wurden darin verschĂ€rft. Das Gesundheitsministerium stellte nun klar, dass die ursprĂŒnglichen Regelungen gĂŒltig bleiben. WĂ€hrend in den neuen Hinweisen eine Weigerung der Krankenkasse, die Kosten fĂŒr eine Behandlung mit Dronabinol zu ĂŒbernehmen, nicht lĂ€nger erwĂ€hnt wird, stellte das Ministerium klar, dass eine solche Weigerung weiterhin als Grund fĂŒr einen Antrag akzeptiert wird.

In einem Brief an den drogenpolitischen Sprecher der GrĂŒnen, Dr. Harald Terpe, schrieb die StaatssekretĂ€rin im Bundesgesundheitsministerium, Marion Caspers-Merck, dass die "Hinweise zur Beantragung einer Ausnahmegenehmigung" im Juli 2008 neu formuliert worden seien. "Diese Neufassung erfolgte mit der Absicht, die VerstĂ€ndlichkeit fĂŒr die Patientinnen und Patienten zu erhöhen", heißt es in dem Schreiben. "Da die Frage der KostenĂŒbernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen von grundsĂ€tzlicher Bedeutung ist, wird dieser Aspekt im Rahmen der PrĂŒfung der AntrĂ€ge durch die Bundesopiumstelle gesondert berĂŒcksichtigt", fĂ€hrt der Brief fort. Es sei eine weitere Überarbeitung der Hinweise geplant. In einem Schreiben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine BĂ€tzing, an den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), Dr. Franjo Grotenhermen, wird diese Absicht bekrĂ€ftigt. Aufgrund der Reaktionen vermutet die ACM, dass die Änderungen der Hinweise durch das BfArM im Juli 2008 ohne Absprache mit dem Bundesgesundheitsministerium erfolgten.

(Quellen: Schreiben von Marion Caspers-Merck an Dr. Harald Terpe, Schreiben von Sabine BĂ€tzing an Dr. Franjo Grotenhermen)

Kurzmeldungen

USA — Michigan

Nach einer Umfrage unterstĂŒtzen 66 Prozent der WĂ€hler in Michigan einen Vorschlag, der es Patienten mit schweren Erkrankungen erlauben wĂŒrde, Cannabis anzubauen und zu verwenden. Die WĂ€hler werden am 4. November ĂŒber diesen Vorschlag abstimmen. (Quelle: UPI vom 30. September 2008)

Der mexikanische PrĂ€sident Felipe Calderon will den Besitz kleiner Mengen Cannabis, Kokain und anderer Drogen legalisieren. Die Gesetzesvorlage von Calderon zielt darauf ab, die Polizei zu entlasten, damit sie Dealer und Drogenschmuggler jagen kann, sie könnte jedoch auf Opposition im ĂŒberwiegend konservativen Mexiko als auch in den benachbarten Vereinigten Staaten stoßen. (Quelle: Reuters vom 2. Oktober 2008)

USA — Kalifornien

Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat sein Veto gegen eine Gesetzesvorlage eingelegt, die die meisten BeschĂ€ftigten davor geschĂŒtzt hĂ€tte, entlassen zu werden, wenn sie positiv auf Cannabis getestet wurden, den sie außerhalb der Arbeitszeit mit einer Ă€rztlichen Erlaubnis verwendet haben. (Quelle: San Francisco Chronicle vom 1. Oktober 2008)

USA — Staat Washington

Das staatliche Gesundheitsministerium hat am 2. Oktober einen zweimonatigen Vorrat an medizinischem Cannabis als 24 Unzen (etwa 680 Gramm) an verwendbarem Cannabis und bis zu 15 Pflanzen definiert, eine Grenze, die zehn Jahre an Unklarheit hinsichtlich der Frage beenden soll, wie viel Patienten nach dem medizinischen Cannabisgesetz besitzen dĂŒrfen. (Quelle: Associated Press vom 3. Oktober 2008)

Wissenschaft — Übelkeit

In einem Tiermodell fĂŒr bewegungsinduzierte Übelkeit (z. B. Seekrankheit) war THC, nicht jedoch CBD, wirksam bei der Reduzierung des Erbrechens bei den getesteten SpitzmĂ€usen. (Quelle: Cluny NL, et al. Basic Clin Pharmacol Toxicol 2008;103(2):150-6.)