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IACM-Informationen vom 15. Oktober 2005

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Wissenschaft — Cannabinoide können die Entwicklung neuer Gehirnzellen anregen

Ergebnisse tierexperimenteller Forschung der Universität von Saskatchewan (Kanada) zeigen, dass Cannabinoide, die an Cannabinoid-1-Rezeptoren binden, die Entwicklung neuer Nervenzellen im Hippocampus, einer Gehirnregion, die sehr wichtig für das Gedächtnis und das Verhalten ist, anregen. Diese Cannabinoidwirkungen können Angst und Depressionen vermindern.

Die Wissenschaftler verwendeten das synthetische Cannabinoid HU210, das wie THC an CB1-Rezeptoren im Gehirn bindet. Chronische, jedoch nicht eine akute Behandlung mit diesem Cannabinoid förderte die Nervenzellbildung im Hippocampus erwachsener Ratten und hatte angstlösende und antidepressive Wirkungen.

Bei anderen legalen und illegalen Drogen, inklusive Opiate, Alkohol, Nikotin und Kokain, wurde nachgewiesen, dass sie bei chronischer Verwendung die Bildung neuer Gehirnzellen hemmen. Über die Wirkung von Cannabis auf diesen Vorgang herrschte bislang Unklarheit. Cannabis scheint "die einzige illegale Droge zu sein, deren Fähigkeit, vermehrt Nervenzellen zu produzieren, positiv mit ihren (angstlösenden) und antidepressiven Wirkungen korreliert ist", schrieben Dr. Xia Zhang und seine Kollegen in einem Beitrag für die Novemberausgabe des Journal of Clinical Investigation, der bereits am 13. Oktober ins Internet gestellt wurde.

(Quellen: Jiang W, Zhang Y, Xiao L, Van Cleemput J, Ji SP, Bai G, Zhang X. Cannabinoids promote embryonic and adult hippocampus neurogenesis and produce anxiolytic- and antidepressant-like effects. J Clin Invest. 2005 Oct 13 [Elektronische Veröffentlichung vor dem Druck]; United Press International vom 13. Oktober 2005)

Wissenschaft — Mäuse ohne CB1-Rezeptoren zeigen eine beschleunigte kognitive Beeinträchtigung

Forscher der Universität Bonn zeigten, dass junge Mäuse (6 - 7 Wochen) mit einem genetischen Verlust des Cannabinoid-1-Rezeptors in einer Reihe von Lern- und Gedächtnisübungen genauso gut oder oft besser abschnitten als normale Mäuse. Das Abschneiden älterer Mäuse (3 - 5 Monate), denen der CB1-Rezeptor fehlte, war hingegen viel schlechter als das der normalen Mäuse gleichen Alters. In den meisten Tests schnitten diese Mäuse so gut ab wie alte Tiere (14 - 17 Monate), was darauf hindeutet, dass die altersbedingte Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit beim Fehlen von CB1-Rezeptoren beschleunigt ist. Diese schnelle Abnahme bei Tieren ohne CB1-Rezeptoren war von einem Verlust an Nervenzellen im Hippocampus begleitet.

"Unsere Versuche lassen darauf schließen, dass das Fehlen von CB1-Rezeptoren zu einer beschleunigten Abnahme der kognitiven Fähigkeiten führt", erklärte der Forschungsleiter Dr. Andreas Zimmer. Er stellte fest, dass diese Ergebnisse Auswirkungen auf die medizinische Nutzung der CB1-Rezeptorantagonisten haben könnten, wenn diese langzeitig angewendet werden.

(Quellen: Bilkei-Gorzo A, Racz I, Valverde O, Otto M, Michel K, Sarstre M, Zimmer A. Early age-related cognitive impairment in mice lacking cannabinoid CB1 receptors. Proc Natl Acad Sci U S A 2005 Oct 12; [Elektronische Veröffentlichung vor dem Druck]; www.innovations-report.de vom 12. Oktober 2005; www.heise.de vom 15. OKtober 2005)

Australien — Umfrage zu Cannabis für medizinische Zwecke

Forscher der Universität von New South Wales führten eine fragebogengestützte Umfrage zur medizinischen Nutzung von Cannabis durch. Die Daten von 128 Patienten waren auswertbar. Langzeitiger und regelmäßiger Konsum medizinischen Cannabis wurde oft für viele medizinische Anwendungsgebiete angegeben, darunter chronische Schmerzen (57 Prozent), Depressionen (56 Prozent), Arthritis (35 Prozent), anhaltende Übelkeit (27 Prozent) und Gewichtsverlust (26 Prozent).

Cannabis führte der nach insgesamt zu einer "deutlichen Linderung" (86 Prozent) und zu einer erheblichen Linderung spezifischer Symptome wie Schmerz, Übelkeit und Schlaflosigkeit. Typischerweise wurde er außerdem anderen Medikamenten hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen und der Linderung der Beschwerden als überlegen angesehen. Jedoch nahm fast die Hälfte (41 Prozent) der Teilnehmer Erkrankungen oder Symptome wahr, die durch die Verwendung von Cannabis nicht gebessert wurden. Die meisten Sorgen bereiteten Themen, die mit der Illegalität der Droge zusammenhingen. Die Teilnehmer berichteten von starker Unterstützung durch ihre Ärzte und ihre Familie.

(Quelle: Swift W, Gates P, Dillon P. Survey of Australians using cannabis for medical purposes. Harm Reduct J 2005;2(1):18.)

Wissenschaft Frankreich — Größte jemals zu Cannabis im Straßenverkehr durchgeführte Studie fand nur gering erhöhtes Unfallrisiko für Cannabis

Fahrer, die sich unter dem Einfluss von Cannabis befinden, sind wesentlich seltener Schuld an einem Unfall als betrunkene Fahrer. Nach Angaben der Zeitung Liberation werden die Ergebnisse einer epidemiologischen Studie mit etwa 8000 Unfällen in einigen Wochen im British Medical Journal veröffentlicht.

Forscher des französischen Nationalen Instituts für Fahrsicherheitsforschung fanden, dass die Berauschung mit Alkohol und zu schnelles Fahren nahezu zehnmal so wahrscheinlich ein beitragender Faktor bei Todesfällen im Straßenverkehr als der Cannabiskonsum war. Insgesamt schätzten die Forscher, dass die psychomotorische Beeinträchtigung durch Cannabis etwa so groß war wie die von Fahrern mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) zwischen 0,2 und 0,5 Promille. Das relative Risiko für die Verursachung eines tödlichen Unfalls betrug für Cannabis 1,8 bis 2,2. Es betrug für Alkohol über einer BAK von 0,5 Promille und für schnelles Fahren etwa 20.

Die Studienergebnisse haben zu einer großen Verlegenheit unter Vertretern der Regierung geführt, da sie immer behauptet hatten, dass "Drogen hinter dem Steuer für mehr Todesfälle verantwortlich sind als schnelles Fahren." Nach dem französischen Gesetz droht Fahrern, bei denen nur Spuren von THC im Blut nachgewiesen wird, eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren.

(Quelle: Libération vom 3. Oktober 2005)

Kurzmeldungen

Kanada — Übelkeit während der Schwangerschaft

In einer Umfrage durch mehrere kanadische Institutionen, darunter die Vancouver Island Compassion Society und die Universität von Vancouver, gaben 92 Prozent der Schwangeren, die an Übelkeit und Erbrechen litten, an, von Cannabis medizinisch zu profitieren. Die Umfrage soll im Journal of Complementary Therapies in Clinical Practice, wahrscheinlich im Jahre 2006, veröffentlicht werden. (Quelle: The Province vom 6. Oktober 2005)

Wissenschaft — Osteoporose

Forscher der Universität Bonn zeigten, dass das Gen, das den CB 2-Rezeptor kodiert, mit der Osteoporose assoziiert ist. Sie analysierten die Gene für den CB 1- und den CB 2-Rezeptor bei Frauen nach der Menopause mit Osteoporose. Verglichen mit einer Kontrollgruppe fanden die Wissenschaftler häufiger eine bestimmte Variante des CB 2-Rezeptorgens bei Frauen mit Osteoporose. Sie schlossen daraus, dass diese Ergebnisse "einer Rolle für den peripher exprimierten CB 2-Rezeptor bei der Entstehung der Osteoporose zeigen." (Quelle: Karsak M, et al. Hum Mol Genet, 4. Oktober 2005; [Elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])

Wissenschaft — Amyotrophe Lateralsklerose

In einem Maus-Modell für die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) führte die Gabe von Cannabinol (CBN) zu einer signifikanten Verzögerung des Krankheitsbeginns, während das Überleben nicht beeinflusst wurde. Genetisch veränderte Mäuse, die eine Krankheit entwickeln, die der ALS ähnelt, erhielten CBN über einen Zeitraum von bis zu 12 Wochen, was den Krankheitsbeginn um mehr als zwei Wochen verzögerte. (Quelle: Weydt P, et al. Amyotroph Lateral Scler Other Motor Neuron Disord 2005;6(3):182-4)

Wissenschaft — Haloperidol und CB 1-Rezeptoren

In tierexperimentellen Studien führte die Behandlung mit Haloperidol in bestimmten Regionen des Gehirns (Striatum und Substantia nigra) zu einer verstärkten Bindung eines synthetischen Cannabinoids. Diese verstärkte Bindung normalisierte sich nach 1 bis 4 Wochen nach Beendigung der Haloperidol-Behandlung. Die Autoren merkten an, dass diese "Ergebnisse dabei helfen, den zu Grunde liegenden biochemischen Mechanismus der CB 1-Rezeptor-Überempfindlichkeit nach einer Behandlung mit Haloperidol zu erhellen." (Quelle: Andersson M, et al. J Neurosci Res 2005;82(2):264-72)