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IACM-Informationen vom 27. September 2003

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IACM — Neues bei der 2. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin (II)

Hier sind einige weitere Forschungsergebnisse, die beim IACM-Kongress am 12. – 13. September an den Kölner UniversitĂ€tskliniken prĂ€sentiert wurden. IrrtĂŒmlicherweise waren die Poster-Abstracts von Dr. Rudolf Brenneisen et al., Dr. Zlatko Mehmedic et al., und Dr. Miriam Schneider und Dr. Michael Koch nicht im Tagungsband abgedruckt worden. Sie finden den nun vollstĂ€ndigen Tagungsband mit den Vortrags- und Poster-Abstracts auf der IACM-Webseite (www.cannabis-med.org).

* Cannabis reduziert Schmerzen nach Operationen

Dr. Anita Holdcroft vom Imperial College in London untersuchte die Wirkungen eines kapsulierten Cannabisextraktes bei post-operativen Schmerzen von 57 Patienten mit Dosen von 5, 10 und 15 mg THC. Die StĂ€rke der Schmerzlinderung und die Nebenwirkungen waren dosisabhĂ€ngig. Dr. Holdcroft begann jĂŒngst mit einer Multicenter-Studie mit 400 Patienten, um einen Cannabisextrakt mit 10 mg THC zu testen. (Vortrag von Anita Holdcroft)

* Cannabis lindert Beschwerden von Krebspatienten

In einer offenen Studie an der Lukas-Klinik in Arlesheim, Schweiz, wurden die Wirkungen eines kapsulierten Cannabisextraktes bei 40 palliativen Krebspatienten untersucht. Unter der Leitung von Dr. Silke Helwig sollte die Studie die maximal tolerierte Dosis (MTD) herausfinden, die in einer zukĂŒnftigen kontrollierten Studie verwendet werden sollte. Auf der Grundlage der Nebenwirkungen wurde die MTD mit 0,15 mg THC pro kg Körpergewicht bestimmt. 24 Patienten registrierten eine Appetitzunahme, 20 eine Schmerzlinderung und 9 eine Abnahme der Übelkeit. (Vortrag von Martin Schnelle)

* Endocannabinoide reduzieren die Herzinfarkt-Ausdehnung

In einer tierexperimentellen Studie fanden Forscher der UniversitĂ€ten von Cardiff und Cambridge, Großbritannien, heraus, dass das Endocannabinoid Anandamid die GrĂ¶ĂŸe eines Herzinfarktes reduziert. Ein möglicher Mechanismus wird ĂŒber Cannabinoid-1- oder Cannabinoid-2-Rezeptoren vermittelt, jedoch könnten auch andere Mechanismen beteiligt sein. (Vortrag von Willam Ford)

* Cannabis verbessert die Nachtsicht

Angeregt durch Berichte von jamaikanischen und marokkanischen Fischer untersuchten Dr. Ethan Russo aus Missoula, USA, und seine Kollegen aus Spanien und Marokko die Wirkungen von THC (Dronabinol) und Cannabis auf die Nachtsicht. Die Studie untersuchte die Ergebnisse einer doppel-blinden Placebo kontrollierten Gabe von 2,5 bis 20 mg THC an einen Teilnehmer und bei drei Teilnehmern vor und nach dem Rauchen von Cannabis. In beiden Testsituationen wurden nach THC und Cannabis Verbesserungen der Nachtsicht gemessen. Es wird angenommen, dass diese Wirkung dosisabhÀngig ist und von Cannabinoidrezeptoren in der Retina vermittelt wird. (Vortrag von Ethan Russo)

* Linderung neuropathischer Schmerzen durch CT-3

Dr. Udo Schneider und Kollegen von der Medizinischen Hochschule Hannover untersuchten die Wirksamkeit von CT-3, ein synthetisches Cannabinoid, bei 21 Patienten mit neuropathischen Schmerzen. Die Schmerzen wurden ohne relevante Nebenwirkungen signifikant reduziert. (Vortrag von Udo Schneider)

(Quelle: Reader der 2. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin,

www.cannabis-med.org)

Wissenschaft — THC und Cannabis lindern Schmerzen bei multipler Sklerose

Beim vierten Kongress der EuropĂ€ischen Föderation der IASP vom 2. – 6. September 2003 in Prag wurden zwei neue klinische Studien mit Cannabisprodukten bei multipler Sklerose prĂ€sentiert, eine von dĂ€nischen Forschern, die die Wirkungen von THC (Dronabinol) bei 24 MS-Patienten und eine von britischen Forschern, die die Wirksamkeit eines sublingualen Cannabissprays bei 66 MS-Patienten untersuchten.

Unter der Leitung von Dr. K.B. Svendsen vom DĂ€nischen Schmerzforschungszentrum der UniversitĂ€t von Aarhus nahmen 24 MS-Patienten mit neuropathischen Schmerzen an einer doppelblinden Placebo- und kreuzkontrollierten Studie mit Dronabinol teil. Das THC wurde bis zu einer Dosis von 10 mg tĂ€glich titriert. Die zwei dreiwöchigen Behandlungsphasen waren durch eine dreiwöchige Washout-Phase getrennt. Die spontane SchmerzintensitĂ€t war im Vergleich zu Placebo unter der Dronabinol-Behandlung signifikant verringert. Die Schmerzlinderung war unter Dronabinol wesentlich grĂ¶ĂŸer.

Drs. C.A. Young und D.J. Rog vom Walton-Zentrum fĂŒr Neurologie und Neurochirurgie in Liverpool prĂ€sentierten Ergebnisse ihre Placebo kontrollierten Parallel-Studie mit sublingualem Cannabisspray, der 2,7 mg THC und 2,5 mg CBD pro Hub enthĂ€lt, bei 66 MS-Patienten. Sie konnten tĂ€glich bis zu 48 Hub davon nehmen. Nach vier Wochen gab es eine signifikante mittlere Reduzierung der Schmerzen durch Cannabis und eine signifikante Reduzierung von Schlafstörungen.

Mehr: http://www.cannabis-med.org/studies/study.php

(Quelle: Poster-Abstracts vom Kongress in Prag)

Wissenschaft — THC und Cannabis reduzieren neuropathische Schmerzen bei SchĂ€digung des Armplexus

THC und ein Cannabisextrakt mit einer Mischen aus THC und CBD reduzierten die Schmerzen von 48 Patienten mit Schmerzen aufgrund einer SchÀdigung des Armplexus und verbesserten die SchlafqualitÀt. Die Studie war eine randomisierte doppelblinde kreuzkontrollierte Studie, die aus drei zweiwöchigen Phasen bestand.

Die Patienten nahmen weiterhin ihre bisherige Medikation inklusive der Schmerzmittel. WÀhrend jeder zweiwöchigen Periode erhielten die Teilnehmer in einer zufÀlligen Reihenfolge entweder Placebo, THC (durchschnittlich 18,25 mg) oder einen Extrakt mit THC und CBD im VerhÀltnis 1 zu 1. THC und Cannabis wurden als Sublingualspray gegeben.

Sowohl das THC als auch der THC/CBD-Extrakt reduzierten die Schmerzen und verbesserten den Schlaf. Die Wirkungen waren mĂ€ĂŸig stark, wenn auch statistisch signifikant. Die Forscher schlossen, dass "diese Studie angesichts der hartnĂ€ckigen Natur der Schmerzen dieser Patientengruppe zeigt, dass medizinische Extrakte auf Cannabisbasis einen signifikanten Fortschritt in der Behandlung darstellen."

Mehr: http://www.cannabis-med.org/studies/study.php

(Quelle: Berman J, et al. Efficacy of two cannabis-based medicinal extracts for relief of central neuropathic pain from brachial plexus avulsion: results of a randomised controlled trial. Anaesthesia, 2003;58:938)

Schweiz — Parlament blockiert die Entkriminalisierung von Cannabis

Der Nationalrat ignorierte den Appell des Gesundheitsministers und blockierte am 25. September die Absicht der Regierung, Cannabis zu entkriminalisieren. Nach einer emotionalen Debatte stimmte der Nationalrat mit 96 zu 89 Stimmen dafĂŒr, sich nicht mit dem Vorschlag der Regierung zu befassen, das BetĂ€ubungsmittelgesetz zu novellieren. Das bedeutet, dass das Verfahren zurĂŒck an den StĂ€nderat geht, der den Vorschlag im Dezember 2001 mit ĂŒberwĂ€ltigender Mehrheit angenommen hatte.

Die Regierung argumentierte, dass die Polizeimittel bei 500.000 gelegentlichen oder regelmĂ€ĂŸigen Konsumenten von insgesamt 7 Millionen Einwohnern zu stark gebunden wĂŒrden, um restriktive und ĂŒberholte Gesetze durchzusetzen. "Verbote von Cannabis und Alkohol haben sich immer als FehlschlĂ€ge erwiesen," sagte Gesundheitsminister Pascal Couchepin in einer leidenschaftlichen Rede vor dem Parlament. Er erklĂ€rte, die vorgeschlagenen GesetzesĂ€nderungen wĂŒrden prĂ€ventive Maßnahmen fördern und die Schwarzmarkt-Profite reduzieren.

In der Praxis werden Cannabiskonsumenten in der Schweiz nur selten polizeilich bestraft, da die Schweiz eine entspanntere Haltung gegenĂŒber Drogen einnimmt als viele andere LĂ€nder. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede, und die Polizei schwankt wegen des rechtlichen Graubereichs zwischen Toleranz und Repression.

Der StĂ€nderat wird die Gesetzesvorlage in einer seiner nĂ€chsten Sitzungen erneut beraten. Er kann es entweder verĂ€ndern oder unverĂ€ndert an den Nationalrat zurĂŒck ĂŒberweisen. UnterstĂŒtzer einer liberaleren Drogenpolitik hoffen, dass das Paket schließlich die Parlamente passieren wird, wenn der Druck der allgemeinen Wahlen verschwunden ist.

(Quellen: Associated Press vom 25. September 2003, Tagesanzeiger vom 25. September 2003)

Kurzmeldungen

Deutschland — Berlin

Der Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis könnte in Berlin bald legal werden. Dieser Schritt wird von den GrĂŒnen, den freien Demokraten, den Sozialdemokraten und den Sozialsten im Stadtparlament unterstĂŒtzt und von den Christdemokraten abgelehnt. Die Entscheidung soll in einigen Monaten getroffen werden, nach Diskussion in den zustĂ€ndigen AusschĂŒssen. (Quelle: Berliner Zeitung vom 25. September 2003)

Kanada — Regierungs-Marihuana

Einige der ersten Patienten, die Marihuana von der Regierung erhalten haben, bezeichnen es als "widerlich" und wollen ihr Geld zurĂŒck haben. Health Canada, das Bundesgesundheitsministerium, begann im Juli mit dem Verkauf von Marihuana und befolgte damit eine gerichtliche Anweisung, nach der Patienten nicht gezwungen sein sollten, ihr Marihuana von Drogendealern auf der Straße zu kaufen. Kein Patient hat sich bisher direkt beim Gesundheitsministerium beklagt, erklĂ€rte Sprecherin Krista Apse. Das Ministerium werde kein RĂŒckgaben akzeptieren oder RĂŒckzahlungen vornehmen. (Quelle: Associated Press vom 15. September 2003)

Wissenschaft — Erbrechen

In einer tierexperimentellen Studie verminderten THC und CBD (Cannabidiol) das Erbrechen. SpitzmĂ€usen war eines der beiden Cannabinoide 10 Minuten vor einer Lithium-Injektion verabreicht worden. Lithium verursacht Erbrechen. THC bewirkte eine dosis-abhĂ€ngige UnterdrĂŒckung des Lithium-induzierten Erbrechens, wobei höhere Dosen eine grĂ¶ĂŸere UnterdrĂŒckung als geringere Dosen bewirkten. CBD bewirkte einen zweiphasigen Effekt, wobei geringere Dosen eine UnterdrĂŒckung und höhere Dosen eine VerstĂ€rkung des Erbrechens bewirkten. (Quelle: Parker LA, et al. Psychopharmacology (Berl) 2003 Sep 10 [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])

Wissenschaft — Schmerzen

In tierexperimentellen Studien gab es eine additiven schmerzlindernden Effekt eines örtlich gegebenen Opiats und eines Cannabinoids. Die örtliche Verabreichung von Morphium und eines synthetischen Cannabinoids (WIN 55, 212-2) verursachte einen signifikant grĂ¶ĂŸeren schmerzlindernden Effekt als örtliches Morphium allein. Zudem potenzierten unwirksame Dosen des Cannabinoids die schmerzhemmenden Wirkungen von lokalem Morphium. (Quelle: Yesilyurt O, et al. Pain 2003 Sep;105(1-2):303-8.)

Wissenschaft — Schmerzen

In einer Studie mit Ratten nahm die Zahl der Cannabinoid-1-Rezeptoren nach einer Nervenverletzung zu. Dies vergrĂ¶ĂŸerte die Wirksamkeit von Cannabinoiden bei neuropathischen Schmerzen. Die Forscher schließen daraus, dass die "Heraufregulierung" der CB1-Rezeptoren "zu den therapeutischen Wirkungen von exogenen Cannabinoiden bei neuropathischen Schmerzen beitrĂ€gt." (Quelle: Lim G, et al. Pain. 2003 Sep;105(1-2):275-283.)

Wissenschaft — Schmerzen

Die schmerzlindernden Wirkungen von THC allein und in Kombination mit Morphium wurden bei Gesunden untersucht. Schmerzen wurde durch verschiedene Mittel erzeugt. THC linderte die Schmerzen nicht signifikant. In den KĂ€lte- und Hitze-Tests vergrĂ¶ĂŸerte THC sogar die Schmerzen. Ein leichter additiver schmerzhemmender Effekt konnte fĂŒr THC und Morphium in einem Test mit elektrischer Stimulation beobachtet werden. (Quelle: Naef M, et al. Pain 2003 Sep;105(1-2):79-88)