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IACM-Informationen vom 12. Oktober 2002

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Wissenschaft Kanada — Klinische Studie mit gerauchtem Cannabis bei HIV/AIDS hat begonnen

Das kommunale Forschungsinstitut von Toronto und das St.-Michaels-Krankenhaus in Toronto kündigten am 9. Oktober den Start der ersten kanadischen, regierungsunterstützten Studie zur Beurteilung der appetitanregenden Wirkungen von gerauchtem Cannabis bei HIV/AIDS an.

Die Pilotstudie unter der Leitung von Dr. Kevin Gough vom St.-Michaels-Krankenhaus wird zudem die Sicherheit kurzzeitiger Expositionen gegenüber verschiedenen Cannabisstärken testen, sowie die Wechselwirkungen mit HIV-Medikamenten. Sekundäre Fragestellungen umfassen die Wirkung von gerauchtem Marihuana auf Übelkeit, Schmerzen, Stimmung und neurokognitive Funktionen.

Anders als frühere Cannabisstudien wird das Team aus Toronto die Forschung mit ambulanten Patienten durchführen. Die Studie wird mit einem kreuzkontrollierten Studienplan durchgeführt, was bedeutet, dass alle Patienten Cannabis mit verschiedenen THC-Konzentrationen zu verschiedenen Zeiten erhalten werden, inklusive eines Plazebo-Cannabis ohne THC. Die Ergebnisse der Pilotstudie werden helfen, eine größere, klinische Multicenter-Studie in Kanada zu entwickeln.

(Quellen: Canada NewsWire vom 9. Oktober 2002, Toronto Star vom 9. Oktober 2002)

Wissenschaft Deutschland/Schweiz — Aufnahmestop in einer klinischen Studie mit Cannabisextrakt bei Gewichtsverlust von Krebspatienten

Für eine große Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit eines oralen

Cannabisextraktes im Vergleich mit THC und Placebo bei Krebspatienten mit Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, die seit November 1999 in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden durchgeführt wurde, ist nun von der Studienleitung ein Aufnahmestop ausgesprochen worden.

Bei einer im September 2002 durchgeführten Zwischenauswertung fanden sich nach jeweils sechswöchiger doppelblinder Behandlung hinsichtlich des Appetits und der Lebensqualität keine relevanten Unterschiede zwischen den Patienten, die täglich 5 mg THC in einem Cannabisextrakt, 5 mg THC oder ein Placebo erhalten hatten. Insgesamt gingen 156 Patienten aus 25 Studienzentren, darunter Universitätskliniken in Aachen, Berlin, Bonn, Jena, Leipzig und Tübingen, in die Zwischenauswertung ein. Mit den Ergebnissen der Abschlussauswertung, die dann 236 Patienten umfassen wird, ist ab Frühjahr 2003 zu rechnen.

In einer Erklärung wies die Studienleitung, bestehend aus Prof. Thomas Cerny, Dr. Florian Strasser (Kantonsspital St. Gallen/Schweiz), und Dr. Martin Schnelle (Institut für onkologische und immunologische Forschung, Berlin), darauf hin, dass die drei Patientengruppen auch keine relevanten Unterschiede hinsichtlich der Nebenwirkungen aufwiesen, so dass die "in der Studie verwendete Dosierung von 5 mg THC pro Tag offensichtlich zu gering" gewesen sei.

Es wird daher zur Zeit ein neuer Studienplan erarbeitet, der neben einer höheren Dosierung auch weitere Verbesserungsmöglichkeiten berücksichtigt. Es sollte gegenwärtig vermieden werden, "voreilige Schlüsse zu ziehen, da die in dieser Studie gestellten Fragen weiterhin unbeantwortet bleiben und weiterer Studien bedürfen," heißt es in der Erklärung.

(Quelle: Erklärung der Studienleitung vom 7. Oktober 2002)

Kurzmeldungen

Kanada — Legale Marihuanafabrik

Eine Gruppe kündigte am 30. September die offizielle Eröffnung der - wie sie es selbst ausdrücken - ersten kanadischen Marihuanafabrik an. Die Einrichtung in Vancouver soll aus 110 Cannabispflanzen feuchte dunkle Pillen machen, die sich leicht in Olivenöl oder Butter auflösen, damit sie mit der Nahrung aufgenommen werden können. Der Sprecher der Gruppe Michael Maniotis erklärte, die Fabrik laufe unter einer Lizenz des kanadischen Gesundheitsministeriums, die Schwerkranke von den Marihuanagesetzen ausnimmt. Die THC-Pillen, die in der Fabrik hergestellt werden, werden umsonst an drei Lizenznehmer abgegeben. (Quelle: Globe and Mail vom 30. September 2002)

Großbritannien — Letzter Patient aufgenommen

Der medizinische Forschungsrat hat bekannt gegeben, dass es den letzten von 660 Patienten in einer 1,9 Millionen Euro-Studie, die die Wirksamkeit von oralem Cannabis bei multipler Sklerose untersucht, aufgenommen hat. Dr. John Zajicek vom Derriford-Krankenhaus in Plymouth leitet die Studie, die den gleichen kapsulierten Cannabisextrakt verwendet wie die deutsch-schweizerische Studie mit Krebspatienten (siehe oben). Die Ergebnisse werden im Mai oder Juni 2003 erwartet. (Quellen: Reuters vom 3. Oktober 2002, Independent vom 7. Oktober 2002)

USA — Neumexiko

Nach einer aktuellen Umfrage in Neumexiko würden 72 Prozent der Befragten eine "Legalisierung des Marihuanakonsums durch jene, die an schweren Erkrankungen leiden, um Schmerzen und andere Symptome zu lindern," befürworten. (Quelle: Santa Fe New Mexican vom 5. Oktober 2001)

USA — Koalition für die Umstufung von Cannabis

Eine Koalition von Organisationen, die den medizinischen Zugang zu Cannabis befürworten, übergaben der Drogenbehörde (Drug Enforcement Administration, DEA) am 9. Oktober 2002 eine ausführliche Umstufungspetition. Unter den zwölf Mitgliedern der Koalition sind die American Alliance for Medical Cannabis, National Organization for the Reform vom Marijuana Laws, Jon Gettman und Patients Out of Time. Mehr unter:

http:// www.drugscience.org (Quelle: Pressemitteilung der Coalition for Rescheduling Cannabis vom 9. Oktober 2002)

USA — Kalifornien

Vier Kläger haben am 9. Oktober vor einem Bundesgericht Klage gegen US-Generalstaatsanwalt John Ashcroft und Asa Hutchinson, Leiter der Drogenbehörde DEA, eingereicht. Sie fordern darin eine gerichtliche Verfügung, die die Bundesregierung daran hindert, Menschen wegen der medizinischen Verwendung von Cannabis, die nach staatlichem Gesetz erlaubt ist, zu verhaften. Zwei der Kläger, Angel McClary Raich und Diane Monson, sind Patienten mit schweren Erkrankungen. (Quelle: CNN vom 10. Oktober 2002)

Großbritannien — Freispruch

Ein 45 Jahre alter Mann, der wegen des Besitzes von 55 Gramm Cannabis angeklagt worden war, wurde freigesprochen, nachdem er dem Gericht berichtet hatte, er benötige die Droge aus gesundheitlichen Gründen. Er behauptete, das Rauchen von Cannabis lindere die Schmerzen seiner verkrüppelnden Rückenerkrankung. Der Fall wird als einer der wenigen angesehen, bei denen ein Gericht medizinische Gründe als Verteidigung bei Besitz einer großen Menge Cannabis akzeptierte. (Quelle: Independent vom 10. Oktober 2002)

Wissenschaft — Krämpfe/Epilepsie

Endocannabinoide scheinen eine natürliche Rolle bei der Unterdrückung von Krämpfen zu spielen. Das Endocannabinoid Anandamid erwies sich als wirksames Antikonvulsivum in einem Mäusemodell für Epilepsie. Dem entgegengesetzt, reduzierte ein CB1-Rezeptorblocker die maximale Krampfschwelle und erleichterte Krämpfe, was die Existenz eines endogenen Cannabinoidtonus anzeigt, der die Krampfaktivität moduliert. (Quelle: Wallace M, et al. Eur J Pharmacol 2002 Oct 11;452(3):295)

Wissenschaft — Spermienfunktion

Die Forschung zeigt, dass Anandamid an der normalen Spermienfunktion beteiligt ist. Das Sperma benötigt eine mehrstündige Exposition mit Sekreten im weiblichen Reproduktionstrakt, bevor es die Fähigkeit zur Befruchtung von Eiern bekommt. Anandamid findet sich in verschiedenen dieser Reproduktionsflüssigkeiten. Die Forscher fanden, dass THC in nanomolarer Konzentration in einem Kulturmedium die Befruchtungsfähigkeit der Spermien reduzierte. Sie nehmen an, dass THC die Fruchtbarkeit von Frauen beeinträchtigen kann, die Cannabis konsumieren. Allerdings erklären die Forscher nicht, warum das offenbar in der Realität nicht passiert, und wie nanomolare THC-Konzentrationen unter natürlichen Bedingungen in reproduktiven Flüssigkeiten erreicht werden können. (Quelle: Schuel H. et al. Mol Reprod Dev 2002 Nov;63(3):376-87)