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ACM-Mitteilungen vom 24. Juli 2021

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Liebe Leserin, lieber Leser,

es sind noch 2 Monate bis zur Bundestagswahl am 26. September 2021. Die Wahlkämpfer sind jetzt besonders sensibel für Wünsche und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt gekommen, um die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und die Kandidaten in persönlichen Schreiben auf die Probleme im Zusammenhang mit der medizinischen Verwendung von Cannabis anzusprechen und um Unterstützung zu bitten.

Egal ob es darum geht, dass Sie keinen Arzt und keine Ärztin finden, die Ihnen ein solches Medikament verschreiben, weil diese wegen des bürokratischen Aufwandes und möglicher Regressforderungen abwinken. Sei es, dass Ihre Krankenkasse die Kosten für eine Therapie nicht übernimmt, weil Ihre Erkrankung angeblich nicht schwerwiegend ist oder Studien nicht beweisen, dass das, was Sie an positiven gesundheitlichen Wirkungen durch Cannabis erleben und für ihre Umwelt offensichtlich ist. Sei es, dass Ihr Führerschein verloren ging und Ihre berufliche Existenz vernichtet wurde, weil Sie an eine MPU-Stelle geraten sind, die es nicht gern sieht, dass Cannabispatienten am Straßenverkehr teilnehmen dürfen....

Zeit zu handeln! Zeit mitzumachen bei der „Freundlichen Aktion des SCM!

Auch der neue Alternative Drogen- und Suchtbericht, der im Internet frei verfügbar ist, zeigt wieder auf drastische Weise auf, dass die gegenwärtige Drogenpolitik gescheitert ist und ein politisches Umdenken überfällig ist.

Für eine Aktion zum Thema Cannabis in Führerschein suchen wir Patienten, die cannabisbasierte Medikamente vom Arzt verschrieben bekommen und dennoch ihren Führerschein verloren haben. Schreiben Sie mir bitte eine E-Mail an info@arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Der Alternative Drogen- und Suchtbericht 2021 ist erschienen

Zum 8. Mal ist der Alternative Drogen- und Suchtbericht erschienen, der einen Gegenpol zum alljährlichen Drogenbericht der Bundesregierung, der im Wesentlichen die gescheiterte Drogenpolitik verteidigt, darstellt.

In der Pressemitteilung vom 15. Juli 2021 heißt es:

„Für eine ganzheitliche und nachhaltige Drogenpolitik Der 8. ADSB, herausgegeben von akzept e.V., macht die Alkohol-/Tabakkontrollpolitik zum Schwerpunktthema. Deutlich wird dabei, dass Deutschland sowohl in Bezug auf die Alkohol- als auch auf die Tabakkontrollpolitik eine sehr industriefreundliche und wenig gesundheitspolitische Ausrichtung hat. In mehreren Beiträgen wird der hohe Preis deutlich, den wir dafür zahlen müssen!

Neben den vielen inzwischen errungenen Erfolgen der Harm Reduction in der Drogenhilfe zeigen sich immer wieder Defizite in der Versorgung Drogen konsumierender Menschen in Freiheit und besonders in Haft. Einige Stichworte sind die drohende Versorgungskrise in der Substitutionsbehandlung, das Ansteigen drogenbedingter Todesfälle oder die Versorgung von Patienten mit Cannabis als Medizin.“

Artikel zum Thema Cannabis

Der Alternative Drogen-und Suchtbericht enthält 4 Artikel zum Thema Cannabis, darunter auch zur medizinischen Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten.

„Positionspapier: Cannabis als Medizin: Warum weitere Verbesserungen notwendig und möglich sind“

von: Heino Stöver, Ingo Ilja Michels, Müller-Vahl & Franjo Grotenhermen

„Cannabis als Medizin: Selbstmedikation und Stigmatisierung“

von: Bernd Werse

„Cannabis als Medizin: Irritierende Aussagen im Cannabis-Report der BKK Mobil Oil“

von: Franjo Grotenhermen

„Wie sollte ein Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis aus Sicht der Konsument*innen ausgestaltet sein? Ergebnisse einer Befragung aus Berlin“

von: Jens Kalke, Jakob Manthey, Moritz Rosenkranz, Jürgen Rehm & Uwe Verthein

„Cannabiskonsum in der Corona-Pandemie: Markt und Verbot unter Druck“

von: Gerrit Kamphausen & Bernd Werse

„Alter Wein in neuen Schläuchen: Synthetische Cannabinoide auf CBD-Hanf als vermeidbare Gesundheitsgefahr für Cannabis-Konsumierende“

von: Volker Auwärter, Karsten Tögel-Lins & Bernd Werse

Filmpremiere „Cannabis als Medizin“ am 24. August in Wuppertal

In einer Mitteilung des Medienprojekts Wuppertal, die Autoren des Films, an Mitwirkende heißt es zum Film Cannabis als Medizin:

„Es gibt gute Nachrichten: Endlich haben wir nach der lähmenden Coronazeit einen Termin für die Filmpremiere

"Cannabis als Medizin", und zwar am 24.08. um 18.30h im Wuppertaler Kino Rex Filmtheater. Wir zeigen dort allerdings nur den Hauptfilm und nicht die zahlreichen auch sehr interessanten Interviewfilme der Filmreihe (die wir aber natürlich auch auf DVD/ Stream veröffentlichen), weil wir immer nach der Filmpräsentation eine Publikumsdiskussion mit den Filmbeteiligten machen.

Presseschau: Justiz-Zweifel an Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Cannabisverbots (Haufe)

Presseschau: Justiz-Zweifel an Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Cannabisverbots (Haufe)

Bedenken in der deutschen Strafjustiz gegen das Cannabisverbot wachsen. Zwei Amtsgerichte, in Bernau und Münster, legen deshalb die Strafvorschriften zum Konsum, Besitz und Handel mit Cannabis dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vor. Strafrechtsprofessoren insistieren schon lange gegen die als gescheitert kritisierte Drogenpolitik.

Justiz-Zweifel an Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Cannabisverbots

„Legalize it“ - unter diesem Motto hatten bereits im Jahr 2014 100 Rechtsprofessoren - darunter bekannte Strafrechtskommentatoren wie Albin Eser und Claus Roxin - die Freigabe von Cannabis gefordert. Die Politiker haben auf diese Forderungen bisher ablehnend reagiert, obwohl die bisherige Drogenpolitik nach Meinung des überwiegenden Teils der Fachwelt grandios gescheitert ist.

Ein Jugendrichter des AG Bernau machte den Anfang

Das AG Bernau hatte bereits im Jahr 2019 eine umfangreiche Richtervorlage zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften des BTMG an das BVerfG veranlasst. Das AG Münster zog 2020 nach und legte in einer Richtervorlage dar, aus welchen Gründen nach seiner Auffassung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einiger Strafbestimmungen des BTMG bestehen.

Polizei fand 0,4 g Marihuana bei Heranwachsendem

Anlass der Vorlage durch das AG Münster war ein Fall, bei dem ein - wegen nicht einschlägiger Straftaten - unter Bewährung stehender Heranwachsender mit 0,4 g Marihuana von der Polizei erwischt worden war. Die StA beantragte den Erlass eines Strafbefehls in Höhe von 200 Euro wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BTMG in Verbindung mit Anlage I zu § 1 Abs. 1 BTMG.

Amtsrichter hält Bestrafung für nicht verfassungsgemäß

Der zuständige Richter des AG weigerte sich, den Strafbefehl zu erlassen. Er hatte Bedenken, dass eine strafrechtliche Verurteilung des Delinquenten in diesem Fall des Besitzes einer äußerst geringen Menge Marihuana mit der Verfassung vereinbar ist.

Richtervorlage an das BVerfG

Ähnlich wie bereits im Jahr 2019 der Jugendrichter des AG Bernau leitete der Amtsrichter daraufhin ein sogenanntes konkretes Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG beim BVerfG ein. In der Begründung des Vorlagebeschlusses bezog er sich weitgehend auf den auf über 180 Seiten begründeten Vorlagebeschluss des AG Bernau in einem weitgehend gleich gelagerten Fall.

BVerfG wies frühere Richtervorlagen zurück

Der juristische Streit um die Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften des BTMG schwelt seit Langem. Bereits im Jahre 2002 hatte der Bernauer Jugendrichter im Wege einer Richtervorlage das BVerfG um Prüfung gebeten, ob das Cannabisverbot mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das BVerfG wies seinerzeit die Richtervorlage als unzulässig zurück und verwies auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1994, in der das höchste deutsche Gericht entschieden hatte, dass die Strafvorschriften des BTMG mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar sind. An diese Entscheidung fühlte sich das BVerfG im Jahr 2004 gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (BVerfG; Beschluss v. 29.6.2004, 2 BvL 8/02).

Bernauer Jugendrichter kämpft unbeirrt weiter für Cannabisfreigabe

Der Bernauer Jugendrichter hat seine erneute Richtervorlage aus dem Jahr 2019 unter anderem damit begründet, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Cannabiskonsum inzwischen deutlich umfangreicher als zum Zeitpunkt der Entscheidung 1994 sind.

- Cannabis habe sich in der Medizin bei verschiedenen Therapieformen durchgesetzt, so bei der Behandlung von Krankheiten wie multipler Sklerose, Depressionen, Spastik, Lähmungserscheinungen, Epilepsie und auch als Begleitung von Chemotherapien und Erkrankungen des Nervensystems.

- Die gesellschaftliche und politische Beurteilung des Cannabiskonsums haben sich im Laufe der Zeit deutlich geändert.

Infolgedessen sei eine neue Argumentationslage entstanden, auf deren Grundlage sich das höchste deutsche Gericht neu positionieren müsse.

Recht auf Rausch: willkürliche Unterscheidung zwischen Alkohol und Cannabis?

Der Bernauer Jugendrichter stellt unter anderem das Recht auf Rausch in den Fokus seiner Vorlagenbegründung.

- Das Recht auf Rausch sei Ausfluss der auf das Persönlichkeitsrecht gestützten allgemeinen Handlungsfreiheit, die den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genieße.

- In diesem Zusammenhang sei auch die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Alkohol und Cannabis willkürlich und verstoße damit gegen Art. 3 GG.

Folgenschwere Kriminalisierung von 4 Millionen Konsumenten

Die geltende Rechtslage führe zur Kriminalisierung von zur Zeit ca. 4 Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland mit immensen Folgen. Eine ganze Reihe dieser Personen sei inzwischen durch eine strafrechtliche Verurteilung vorbestraft mit erheblichen persönlichen und beruflichen Konsequenzen. Es habe zugleich nachteilige und teure Folgen für die Gesellschaft.

Richter halten Sanktionensystem des BTMG für willkürlich

Vor diesem Hintergrund stufen die Vorlagebeschlüsse das strafrechtliche Sanktionensystem des BTMG als unverhältnismäßig ein. Es führe nicht zuletzt zu einer ungeheuren Kostenbelastung für Staat und Gesellschaft. So führe der Zwang der Cannabiskonsumenten zur Illegalität dazu, dass Konsumenten Cannabis von minderer, mit gefährlichen Substanzen verschnittener Qualität auf dem Schwarzmarkt erwerben müssten).

Schwammige Kriterien für das Absehen von Strafverfolgung

Einen Schwerpunkt der Vorlagebeschlüsse sowohl des AG Bernau als auch des AG Münster bildet darüber hinaus § 31a BTMG. Nach dieser Vorschrift kann die StA von einer Strafverfolgung absehen, wenn

- die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und

- kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und

- der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise Besitz verschafft.

Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte

Diese Vorschrift führt in der Praxis zu erheblichen Unterschieden bei der Verhängung von Rechtsfolgen. In vielen Bundesländern haben die Justizminister eigene Anordnungen oder Anweisungen an die Staatsanwaltschaften erteilt, wie die Vorschrift im konkreten Fall anzuwenden ist.

(…)

Einige weitere Pressemeldungen der vergangenen Tage

Traumatisierter Ex-Soldat vor Gericht: Ein Joint gegen die Schmerzen (Main-Post)

Haschisch aus der Apotheke? -Berlins Gesundheitssenatorin will Cannabis-Modellprojekt per Klage durchsetzen (Tagesspiegel)

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Kann denn Kiffen Doping sein? (Spektrum)

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