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ACM-Mitteilungen vom 12. Juli 2020

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Liebe Leserin, lieber Leser,

am 9. Juli endete die Mitzeichnungsfrist für meine Petition an den Deutschen Bundestag zur Beendigung der Strahlverfolgung von Patienten, die Cannabis nach Auffassung eines Arztes oder einer Ärztin aus medizinischen Gründen benötigen. Patienten sollten nicht mehr strafverfolgt werden, auch wenn ihre Krankenkasse die Kosten eine Therapie nicht übernimmt und sie sich das Medikament aus der Apotheke nicht leisten können. Leider wurde das Quorum von 50.000 Unterstützern nicht erzielt.

Wir wissen, dass das gegenwärtige Gesetz so nicht bestehen bleiben kann, wenn nicht nur ein Bruchteil der Patienten, die Cannabis-Medikamente benötigen, dieses auch zur Therapie erhalten. Es hat da durchaus einen kabarettistischen Touch, wenn den Befürwortern der Petition vorgeworfen wurde, sie möchten etwas legal machen, was gegenwärtig illegal ist. Ja, das ist richtig. Das ist unser Ziel. Da wo ein Unrecht legal ist, muss das Gesetz geändert werden. Das ist ein grundlegendes Element von Politik.

Solange ich mich mit dem Thema Cannabis und Cannabinoide befasste, solange erlebe ich Denunziation auf unterschiedlichen Ebenen. Wir wissen, dass die bestehenden Gesetze zur Verwendung von Cannabis, THC und CBD nicht in Ordnung sind, sodass sich viele im Graubereich oder illegalen Bereich bewegen müssen, damit vernünftiges Handeln möglich ist. Denunzianten berufen sich immer auf das geltende Recht oder die herrschende Moral.

Bereits mehr als 600 Patienten, die Erfahrung mit der medizinischen Verwendung von Cannabisblüten haben, haben bereits in den ersten Wochen an der von der Medizinischen Hochschule Hannover und der ACM durchgeführten Umfrage zum Nutzen verschiedener Sorten bei verschiedenen Krankheiten teilgenommen. Die Umfrage läuft noch bis Ende August, und wir hoffen auf mindestens 1000 Teilnehmer, um eine gute Datenbasis für eine Analyse zu haben.

Es sind noch Plätze bei der zweiten Ausbildungsreihe zum ACM-zertifizierten Berater frei. Diese beginnt am 25. Juli 2020. Wir schicken Ihnen gern weiteres Informationsmaterial zu.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Trauer um Professor Dr. Lester Grinspoon

Die ACM gedenkt dem Harvard-Professor, Psychiater und Autor vieler Bücher zum Thema Cannabis bzw. Marihuana, Professor Lester Grinspoon der am 25. Juni 2020 nach der Feier seines 92. Geburtstags gestorben ist. Grinspoon war Ehrenmitglied der ACM. Zu Anfang der Siebzigerjahre hatte er in den USA ein Buch publiziert, das eine detaillierte wissenschaftliche Analyse des Gefahrenpotenzials von Cannabis präsentierte. Zu seiner eigenen Überraschung kam er zu dem Ergebnis, dass das Gefahrenpotenzial in der amerikanischen Gesellschaft und Politik übertrieben dargestellt und dass die Gesetzgebung den realen Gefahren nicht gereizt wurde. Seither war er ein Streiter für die Legalisierung von Cannabis.

In Deutschland wurde Grinspoon durch die Übersetzung seines Buches „Marijuana: The Forbidden Medicine“ (1993) bekannt. Es erschien 1994 im Zweitausendeins Verlag unter dem Titel „Marihuana: Die verbotene Medizin“. Zum ersten Mal wurde einer größeren deutschen Öffentlichkeit gezeigt, dass es nicht nur die Rauschdroge Cannabis, sondern auch die Medizin Cannabis gibt. Insofern war er ein wesentlicher Wegbereiter der Gründung der ACM (Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin), die 1997 von Vertretern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet worden war.

Mehr als 35.000 Personen unterstützen die Petition – Quorum verfehlt

Die vorläufigen Ergebnisse der am 9. Juli 2020 abgelaufenen Petition an den Deutschen Bundestag zeigen, dass sie von 6652 Personen online auf der Seite des Petitionsausschusses gezeichnet wurden. Eine Vertreterin der ACM hat am 9. Juli zudem sechs Aktenordner mit insgesamt 28.220 Unterschriften übergeben. Darüber hinaus ist uns bekannt, dass mehr als 500 Unterschriften via Fax an den Petitionsausschuss geschickt wurden.

Daraus ergibt sich vermutlich ein Gesamtergebnis zwischen 35.000 und 36.000 Unterstützern, wenn nicht doch noch deutlich mehr Unterschriftenlisten und noch mehr Faxe an den Petitionsausschuss geschickt wurden, was wir bisher nicht wissen. Wir müssen daher noch eine Weile auf das endgültige Ergebnis warten.

Das Quorum von 50.000 Unterstützern, das notwendig ist, damit eine Petition im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgetragen werden kann, wurde damit deutlich verfehlt. Bei der letzten Petition im Jahr 2014 hatten wir insgesamt etwa 45.000 Mitzeichner.

Selbstkritisch muss ich – Franjo Grotenhermen – sagen, dass ich meiner ursprünglichen Intuition, zunächst mehr als 45.000 Unterschriften offline zu sammeln und die Petition erst dann in eine Online-Petition umzuwandeln nicht gefolgt bin. Ich habe mich auf Facebook und in Mailinglisten zu sehr drängen lassen, die Petition doch endlich online zu setzen, damit online gezeichnet werden kann.

An dieser Stelle möchten wir allen Unterstützern, die trotz vielfacher Äußerungen im Stile von „Das bringt doch eh nichts“, „Das Quorum kann sowieso nicht erreicht werden!“ oder „Die in Berlin machen doch sowieso nichts für uns.“ die Petition nach Kräften unterstützt haben. Keine Unterschrift war vergeblich. Wir werden das Ergebnis genau analysieren.

Es gibt ein großes Misstrauen gegenüber staatlichen Organen, die viele Personen daran gehindert haben, die Petition zu zeichnen. Viele haben Nachteile befürchtet und meinten, dass sie sich nicht als Cannabiskonsumenten outen möchten – ganz so als würden diese Listen verwendet, um Unterstützer möglicherweise strafrechtlich zu verfolgen. Das hat natürlich nichts mit der Realität zu tun, zeigt aber das geringe Vertrauen in offizielle Stellen. Hier exemplarisch Ausschnitte aus zwei E-Mails, die mich am 10. Juli, einen Tag nach Ende der Mitzeichnungsfrist erreicht haben.

„Ich würde Sie gerne unterstützen, doch leider musste ich feststellen, wenn ich das Wort Cannabis hier in Bayern schon in den Mund nehme, dass man dann plötzlich mit anderen Augen angeschaut wird. (...) Da unterschreibt keiner. Ich habe schon schlechte Erfahrungen gemacht.“

„Gestern Abend habe ich 250 Unterschriften rechtzeitig per Fax an den Petitionsausschuss gesendet. Interessant ist, dass viele Menschen Angst vor der Unterschrift und eventuellen Folgen und Repressionen hatten. Das war oftmals gar nicht so leicht zu überzeugen. Und das in Berlin. Ich drücke die Daumen und bitte machen sie weiter so. (...) Bei der nächsten Petition mache ich wieder mit und organisiere hier in Berlin noch mehr Unterschriften.“

Presseschau: Enttäuschung bei Patienten immer größer: Die Petition des Verbandes Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin kommt nur schleppend voran (taz blogs)

Im Gegensatz zu 2014 bekam die aktuelle Petition kaum Resonanz in den Medien. Möglicherweise ist es der Bundesregierung erfolgreich gelungen, das bestehende Gesetz, das in der Realität so viele Menschen von der Versorgung mit Medikamenten auf Cannabisbasis ausschließt, als einen ausreichenden Erfolg zu verkaufen. Die taz beziehungsweise der Blog von Hans Cousto war da eine löbliche Ausnahme.

Enttäuschung bei Patienten immer größer: Die Petition des Verbandes Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin kommt nur schleppend voran

Am 11.6.2020 wurde die Online-Petition der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM)“ zur Beendigung der Strafverfolgung von Cannabis-Patienten an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags gestartet. Cannabisblüten sind seit 2017 in Deutschland verschreibungsfähig. In der Realität haben viele Patienten allerdings weiterhin keine Möglichkeit, Cannabis legal zu erhalten. Eine Petition fordert jetzt die straffreie Nutzung von Cannabis für alle Patientinnen und Patienten, bei denen aus ärztlicher Sicht eine Behandlung mit Cannabis oder Cannabinoiden medizinisch indiziert ist.

Das Gesetz zu „Cannabis als Medizin“, das am 10. März 2017 in Kraft trat, hat den Zugang zu einer medizinischen Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten und Cannabis theoretisch deutlich verbessert. In der Praxis sind viele Betroffene allerdings weiterhin von einer Behandlung ausgeschlossen. Die Gründe hierfür sind in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) vom 4. April 2019 (Bundestag-Ausschussdrucksache 19(14)0068(22)) detailliert aufgeführt:

1. Viele Patienten finden keinen Arzt, der ihnen entsprechende Medikamente verschreibt oder in dem notwendigen Umfang verschreibt. Die Ursachen sind vielfältig, darunter mangelnde Erfahrung von Ärzten, Ängste von Ärzten vor Regressen, mangelnde Attraktivität der Behandlung mit Cannabismedikamenten aufgrund von bürokratischer Mehrarbeit.

2. Viele Ärzte behandeln ihre Patienten grundsätzlich nicht mit Medikamenten auf Cannabisbasis. Die Ursachen sind vielfältig: Grundsätzliche Ablehnung einer Therapie mit Cannabis oder Cannabinoiden, Angst vor Regressen, Angst vor Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Vermeidung der mit der Verschreibung verbundenen Bürokratie, Angst vor Repressalien (Staatsanwaltschaft, Regierungspräsidium, Gesundheitsamt).

3. Viele Patienten müssen die Präparate selbst bezahlen. Dafür gibt es vor allem drei Gründe: 1.) der behandelnde Arzt stellt grundsätzlich nur Privatrezepte aus, 2.) eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse wird bei der jeweiligen Erkrankung praktisch immer abgelehnt, sodass Ärzte demotiviert sind, weitere Kostenübernahmeanträge zu stellen, und 3.) trotz Kostenübernahme in vergleichbaren Fällen wird bei dem betroffenen Patienten – eventuell trotz Klage vor dem Sozialgericht – eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt.

Selbst viele ehemalige Erlaubnisinhaber für die Verwendung von Medizinalcannabisblüten aus der Apotheke nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz haben bis heute keine Kostenübernahmezusage ihrer Krankenkasse für eine Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten erhalten.

4. Ärzte haben keine Therapiefreiheit. Es wird gefordert, dass Patienten zunächst zahlreiche Standardtherapien durchlaufen haben müssen, bevor eine Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten genehmigt wird. Dies führt nicht selten dazu, dass zunächst Medikamente mit viel stärkeren Nebenwirkungen – wie beispielsweise Opiate oder Neuroleptika – eingesetzt werden müssen, auch wenn dies angesichts der Risiko-Nutzen-Abwägung im jeweils konkreten Fall aus ärztlicher Sicht nicht vertretbar oder zumutbar ist.

5. Nach wie vor bestehen häufig Lieferengpässe für Cannabisblüten, sodass eine kontinuierliche Therapie mit dem wirksamsten Präparat nicht möglich ist.

6. Die Kosten für Medizinalcannabisblüten sind nach Inkrafttreten des Gesetzes am 10. März 2017 erheblich gestiegen. Dies belastet das Budget der Ärzte, erhöht die Ausgaben der Krankenkassen und macht die Therapie für all jene Patienten unerschwinglich, die entsprechende Präparate nur auf einem Privatrezept erhalten.

7. Apotheker, die Cannabis-basierte Medikamente an Patienten ausgeben, führen insbesondere bei Erstbehandlungen umfangreiche und zeitintensive Beratungen durch, die nicht vollumfänglich vergütet werden.

Mit dieser Position der ACM Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin soll der Bundestag aufgefordert werden, das Betäubungsmittelgesetz dahingehend zu ändern, dass Patientinnen und Patienten, bei denen aus ärztlicher Sicht eine Behandlung mit Cannabis oder Cannabinoiden medizinisch indiziert ist, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Als Nachweis soll ein ärztliches Attest dienen.

„Ärztinnen und Ärzte sollen entscheiden dürfen, ob eine Therapie unter Verwendung von Cannabisblüten notwendig und sinnvoll ist“, betont Dr. Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. „Auf diese Weise können wir Patienten vor Strafverfolgung schützen, wenn die Behandlungskosten von den Krankenkassen nicht erstattet werden und die Betroffenen sich die Medikamente aus der Apotheke nicht leisten können.“ Nicht einmal der Hälfte der Patienten, die vor der Gesetzesänderung eine Ausnahmeerlaubnis nach §3 Absatz 2 BtMG hatten, hat bisher eine Kostenübernahme der Krankenkasse erhalten.

Geringe Medienresonanz

In den großen Massenmedien wird die prekäre Situation vieler Cannabispatienten selten bis nie thematisiert. Außer ein paar Fachmedien und ein paar Lokalzeitungen berichteten die Massenmedien nicht von der Petition. Die Boulevardpresse in Deutschland hat oft auf der Titelseite Platz für Bilder mit kaputten Fensterscheiben nach einer Demonstration oder Krawallen, die wegen einer Drogenkontrolle entstanden sind, doch für kaputte Lebensjahre von Cannabispatienten – verursacht durch eine verfehlte Gesundheitspolitik – gibt es keinen Raum in den Zeitungen mit den fetten Überschriften. Dabei wäre das Thema sicherlich für den Verkauf der Zeitungen förderlich. Doch in den Medienkonzernen will man konform mit Regierungsvorgaben und den Lobbyisten der Pharmabranche gehen, denn zu kritische Meldungen könnten Inserate kosten. Besonders die Pharmalobby hat kein Interesse an einer Ausweitung der medizinischen Behandlung mit Cannabis, weil diese den Umsatz mit diversen herkömmlichen und gewinnbringenden Medikamenten mindert.

Enttäuschung bei Patienten immer größer

Dass bisher so wenige Unterschriften bei der Petition zusammengekommen sind, ist für die betroffenen Patienten eine bittere Pille, ja die Enttäuschung wird von Tag zu Tag größer. Sie spüren zunehmend die Gleichgültig in großen Teilen der Bevölkerung und der Medien ihren Leiden gegenüber und fühlen sich zunehmend alleine gelassen. Die mangelnde Solidarität in der Gesellschaft ist sicherlich nicht förderlich für ihre Gesundheit und die Sturheit in der Politik fügt vielen dieser Patienten täglich Leid und Schmerzen zu.

Cannabis hat ein großes Potenzial aus medizinischer Sicht, wie man vielen Studien entnehmen kann. Auf dem Internetportal der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente findet man hierzu eine über viele Jahre gepflegte und stets aktualisierte Übersicht.

Zum Ablauf der Petition

Die Petition wurde am 19. April 2018 durch eine Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. gestartet. Bisher wurden etwa 24.000 Unterschriften auf Unterschriftenlisten (auf Papier per Hand eingetragen) gesammelt. Am 11. Juni 2020 wurde die Petition in eine Online-Petition umgewandelt und kann bis zum 9. Juli 2020 auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages mitgezeichnet werden. Bisher wurde die Online-Petition von etwa 4.300 Personen unterzeichnet. Dass sich für die Leiden der Patienten so wenige Leute interessieren, ist für die Patienten schmerzlich – ein zusätzlicher Schmerz zu ihren bisherigen Schmerzen.

Über private und geschäftsmäßige Denunzianten im Cannabisbereich

Die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken wird nicht selten als Druckmittel in privaten Auseinandersetzungen verwendet. Die häufigste Form, die der ACM begegnet, ist die Meldung eines illegalen Cannabiskonsums beim Jugendamt oder die Drohung damit, wenn es nach einer Trennung von Eltern um den Aufenthalt, das Sorgerecht und Besuchszeiten von und bei den Kindern geht. Aktuell gibt es einen Fall, bei dem die Mutter aufgrund einer Schizophrenie in die Psychiatrie eingeliefert wurde und dem Vater aufgrund seiner medizinischen illegalen Cannabisverwendung das Sorgerecht entzogen werden soll, sodass das gemeinsame Kind in die Obhut des Jugendamtes käme.

Vielfach bekannt ist auch die Denunziation unter Apothekern. In Deutschland zahlt man als Patient nach der Arzneimittelpreisverordnung mit 22-23 € pro Gramm mehr als dreimal so viel für 1 g Bedrocan-Cannabis wie in den Niederlanden, wo die Sorten dieses Unternehmens für 6-7 Euro in den dortigen Apotheken erhältlich sind. Schuld ist der gesetzlich erzwungene Aufschlag von 90-100 % durch deutsche Apotheker, da die Blüten hier überwiegend als Rezepturarzneimittel behandelt werden. Eine Anzahl von Apothekern wehrt sich gegen diesen übermäßigen Aufschlag und verlangt von ihren Kunden geringere Preise. Wir haben von mehreren Apothekern erfahren, die von Kollegen recht deutlich darauf hingewiesen wurden, dass man sich von diesen nicht das gute Geschäft mit dem hohen Aufschlag kaputtmachen ließe und sich an die Apothekerkammer wenden könne. Diese Einschüchterung funktioniert meistens.

Über eine aktuelle Form der Denunziation berichtet das Hanf-Magazin . Danach hat das Unternehmen Cannamedical Firmen, die CBD-Extrakte auf den Markt gebracht haben, ohne eine Zulassung als neuartiges Lebensmittel zu besitzen, bei den Behörden denunziert. Die Novell-Food-Verordnung ist im Falle natürlicher Hanfextrakte mit CBD umstritten. Nach einer Stellungnahme der EIHA (European Industrial Hemp Association) betrachtet diese Nahrungsergänzungsmittel, denen reines CBD zugesetzt wurde, als Novel Food, jedoch nicht natürliche Hanfextrakte mit CBD. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht das anders. Dies spielt aber letztlich keine relevante Rolle, denn bei der Denunziation geht es nicht darum, ob etwas rechtens oder nicht rechtens ist, sondern um das Anschwärzen von vermutlich oder möglicherweise illegalem Verhalten, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen.

Presseschau: Cannabis als Medizin: Hamburger Polizisten drücken Schmerz-Kiffer zu Boden – Richter gibt dem Opfer recht (Fehmarn 24)

Die ACM erfährt regelmäßig von Übergriffen durch Polizisten gegenüber Cannabis-Patienten, auch wenn diese sich ordnungsgemäß mit Betäubungsmittelrezept und Cannabisausweis ausweisen. Auch die Behandlung von Patienten durch Vertreter von Führerscheinstellen oder MPU-Stellen ist häufig nicht durch die Rechtslage gedeckt. So wurde kürzlich einem Patienten der Führerschein entzogen, weil er Cannabis als Medizin geraucht und nicht mit einem Verdampfer inhaliert hatte, obwohl sein behandelnde Arzt das Rauchen durchaus als eine mögliche Form der Inhalation erlaubt hatte. Nach Auffassung der MPU-Stelle handelt es sich beim Rauchen von Cannabis grundsätzlich nicht um eine ordnungsgemäße medizinische Einnahme.

Cannabis als Medizin: Hamburger Polizisten drücken Schmerz-Kiffer zu Boden – Richter gibt dem Opfer recht

Vier Polizisten drücken einen Mann zu Boden, auf der Wache muss er sich nackt ausziehen. Der Fall landet vor Gericht, ein Hamburger Richter stellt sich auf die Seite des Schmerz-Kiffers.

Medizinisches Cannabis ist ein kompliziertes Thema in Deutschland. Erst seit dem Jahr 2017 ist es überhaupt möglich, dieses verschrieben zu bekommen. Doch als Cannabis-Patient Matthias K. mit einem Joint in Hamburg * von der Polizei festgehalten wird, kommt es zu brutalen Szenen. Der Fall ist nun vor Gericht.

Hamburger Polizisten drücken Cannabis-Patienten zu Boden – Richter gibt dem Opfer recht

Die Hamburger taz und Vice.com berichten von dem Vorfall, der sich bereits im September des Jahres 2018 ereignete und nun vor dem Amtsgericht St. Georg in Hamburg verhandelt wird. Am Dienstag, 7. Juli 2020 wurde Matthias K. dort vorgeladen. Ihm wird der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung vorgeworfen. Alles fing mit einem Joint an, den der unter chronischen Schmerzen leidende K. fast immer im Mund hat – anders kann er seine Krankheit nicht ertragen.

Matthias K. leidet an Fibromyalgie, einer chronischen Schmerzerkrankung. Haut, Gelenke und Muskel schmerzen durchweg, das Einschlafen fällt schwer. Wer Sport macht, kennt den Schmerz einer Zerrung oder eines Muskelkaters. Diesen Schmerz haben Betroffene der Krankheit ständig. Matthias K. darf medizinisches Cannabis kaufen, aktuell muss er es sogar noch selber bezahlen. Der Konsum sei notwendig „um überhaupt laufen und stehen zu können“, sagte K. vor dem Amtsgericht in St. Georg.

Davon weiß die Hamburger Polizei nichts, als K. mit einem Joint im Mund vom ZOB (Busbahnhof) zur S-Bahn am Hauptbahnhof läuft. Die Aufforderung stehenzubleiben ignorierte K. – er ging einfach weiter und sagte schlicht: „Ich darf das.“ Noch während er sein Cannabis-Rezept aus der Tasche holen wollte, wurde er von den Polizisten zu Boden geworfen. Vier Polizisten mussten Matthias K. am Boden festhalten. Der Mann wiegt 63 Kilogramm.

Matthias K. wehrt sich gegen Hamburger Polizei – Anklage wegen Körperverletzung

Dabei habe Matthias K. um sich getreten und geschlagen, sagte einer der Hamburger Polizisten aus. Dieser Polizist habe eine „leichte Verletzung am Nagelbett“ davongetragen. Matthias K. gab an, dass man ihm ein Knie in den Nacken gedrückt habe und kaum noch hätte atmen können. Diese Situation hielt eine knappe halbe Stunde an. Erst dann haben die Hamburger Polizisten in die Brieftasche von Matthias K. geguckt und das Cannabis-Rezept entdeckt.

Seinen Medizin-Joint nahmen die Hamburger Polizisten ihm auch ab, dafür bogen die Polizisten seinen Daumen so weit, dass Matthias K. sich einen Kapselriss zuzog. Das Geld in der Brieftasche wurde von der Polizei für Dealergeld gehalten, auf der Wache musste Matthias K. sich ausziehen. Nach einem Telefonat mit seiner Apothekerin durfte er gehen, bis dahin war er fünf Stunden auf der Wache. Das erinnert an die festgenommenen Minderjährigen am Hamburger Bahnhof (24hamburg.de berichtete), auch sie mussten lange in Zellen verharren und sich für die Polizei ausziehen.

Hamburger Richter mit harter Kritik an Einsatz der Polizei

Der zuständige Richter beruhigte Matthias K. und kritisiert die Hamburger Polizei. Weder für Körperverletzung noch für einen tätlichen Angriff wolle man ihn verurteilen. Nur der Widerstand gegen die Maßnahme der Polizei könnte ein Problem für K. werden. Dennoch sagte der Richter eindeutig: „Ich gehe davon aus, dass der Beamte unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gehandelt hat.“ Nun müssen allerdings noch die anderen beteiligten Polizisten vorgeladen werden. Möglicherweise könnte dann sogar das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.

Das ist kein Freispruch für Matthias K., aber der Richter hat zudem darüber gesprochen, dass der Staat das Verfahren bezahlen würde. Laut Anwalt von Matthias K. sei das ein „politisches Signal“, da so der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit der Revision genommen wird. Aktuell gibt es, das ergab eine Anfrage der Linken Fraktion im Jahr 2018, noch kein standardisiertes Verfahren der Hamburger Polizei im Umgang mit Cannabis-Patienten.