Veröffentlicht
Zuletzt aktualisiert
Lesezeit

ACM-Mitteilungen vom 29. Dezember 2019

Authors

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wie in den letzten ACM-Mitteilungen angekündigt, legt Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein dar, wie man sich gegen eine Verzögerung der Bearbeitung eines Widerspruchs gegen eine Ablehnung der Kostenübernahme durch die eigene Krankenkasse wehren kann. Die Krankenkassen lassen sich zunehmend mehrere Monate Zeit. Patienten sind diesem Verhalten jedoch nicht hilflos ausgeliefert und können sogleich das Sozialgericht anrufen. Es besteht in der ersten Instanz keine Anwaltspflicht, und es besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dieses ist eines der wichtigsten Themen von Ratsuchenden des ACM-Patiententelefons.

Über die im Internet und auch in den Printmedien kursierende Meldung über das Urteil des Obersten Gerichtshofs von Italien, dass den Bürgern von Italien der Eigenanbau von Cannabis grundsätzlich nicht verwehrt werden darf, werden wir in den nächsten IACM-Informationen behandeln. Hier können Sie die IACM-Informationen abonnieren. Das war aus technischen Gründen lange Zeit nicht möglich. Sowohl die IACM-Webseite als auch die ACM-Webseite werden gegenwärtig überarbeitet, um Informationen besser finden zu können, Bezahlmöglichkeiten zu verbessern und auch die Servicequalität zu erhöhen.

Der Vorstand der ACM und die Mitarbeiter der ACM wünschen allen Mitgliedern und allen, die es werden wollen frohe Festtage und ein gutes neues Jahr!

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Webinare zu rechtlichen Hintergründen der Verwendung von Cannabis, CBD und Anbau in Deutschland

Das Unternehmen Alphatopics bietet online-Seminare zum Thema Cannabis als Medizin an, die sich überwiegend mit rechtlichen Fragen der Verwendung von THC-haltigen cannabisbasierten Medikamenten, der Nutzung von CBD als Arzneimittel und nahm seinen Suchtmittel sowie dem Anbau und der Gewinnung von Cannabis durch Unternehmen befasst. Es ist in drei Module aufgeteilt, die einzeln oder zusammen gut werden können. Die Referenten sind Markus Veit (Pharmazeuten) und Markus Ambrosius (Jurist). Beginn: 20. Januar 2019. Preis für alle drei Module zu jeweils 90 Minuten: 690 €.

webinar-Reihe von Alpha Topics zu Cannabis

Was Patienten tun können, wenn sich Krankenkassen viel Zeit bei der Antwort auf einen Widerspruch lassen

Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein beantwortet eine an Bedeutung zunehmende Frage bei einer sich ausbreitenden Verzögerungstaktik der Krankenkassen.

„Die Genehmigung für eine Verschreibung von Cannabis als Medizin nach § 31 Abs. 6 SGB 5 zu beantragen verlangt vielen Patient*innen auch einiges an Geduld ab: immer neue Nachfragen der Krankenkassen, deren Begehren, immer neue Attest von Ärztinnen und Ärzten zu erhalten, kosten Energie und Zeit. Beides haben gerade schwerkranke Menschen oft nicht. Im Verwaltungsverfahren – also dem Zeitabschnitt zwischen Antrag und dem ersten Bescheid – hat der Gesetzgeber mit § 13 Abs. 3a SGB 5 immerhin zeitliche Grenzen gesetzt: überschreitet die Krankenkasse die dort gesetzten Fristen, wird die beantragte Genehmigung fingiert: sie gilt als erteilt. Die negative Seite dieser Fristsetzung: manche Krankenkassen lehnen die Leistung so schnell sie können ab – und verweisen die Patienten damit aufs Widerspruchsverfahren. Das ist zwar pflichtwidrig und damit auch nicht erlaubt – Patient*innen können sich dagegen trotzdem faktisch nicht wehren. Das Widerspruchsverfahren hat für die Krankenkasse zwei Vorteile: Sie müssen (noch) nicht leisten und – für das Widerspruchsverfahren gibt es keine klaren Fristen. Kassen spielen hier also häufig auf Zeit.

Dagegen können Patient*innen auf zweierlei Weise vorgehen: der traditionelle Weg ist die Untätigkeitsklage. Sie kann nach § 88 Abs. 2 SGG drei Monate nach Ablehnung der Genehmigung beim Sozialgericht erhoben werden. Anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich. Die Krankenkasse kann sich damit verteidigen, dass ihr die Entscheidung noch nicht möglich war, weil zum Beispiel Unterlagen der behandelnden Ärzt*innen oder des Patienten fehlen. Es muss also dargelegt werden, dass die Patientin oder der Patient alles erforderliche getan hat um der Kasse die Entscheidung zu ermöglichen. Ergebnis des Verfahrens ist: die Krankenkasse muss (und wird) entscheiden. Der Nachteil dieses Verfahrens: es ist vergleichsweise aufwändig und es sichert keine Genehmigung, sondern nur eine Entscheidung. Gegen die kann dann in der Hauptsache vor dem Sozialgericht geklagt werden: das kann in der ersten Instanz zwei bis vier Jahre dauern – eine Zeit, in der Patient*innen weiterhin keinen Anspruch auf Cannabis als Medizin verordnet zu Lasten der Krankenkasse haben.

Empfehlenswert ist deswegen möglicherweise eine andere Vorgehensweise: nach Ablehnung der Genehmigung durch die Krankenkasse wird Widerspruch gegen diese ablehnende Entscheidung eingelegt – und gleichzeitig (oder auch später) ein Verfahren mit dem Antrag auf einstweilige Erteilung der Genehmigung (§ 86b SGG) vor dem Sozialgericht eingeleitet. Ein solches Verfahren kann dazu führen, dass die Krankenkasse vorläufig verpflichtet wird, die Kosten für Cannabis als Medizin zu übernehmen. Diese Eilverfahren sind rechtlich und tatsächlich allerding schwierig. Anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich, aber unbedingt empfehlenswert. Vorteil des Verfahrens: es dauert zumeist etwa vier bis 12 Wochen und führt dazu, dass für einen befristeten Zeitraum die Kosten für Cannabis von der Kasse übernommen werden müssen. Der Nachteil ist: die vorläufige Kostenübernahme kann im Hauptsacheverfahren, das durch ein Eilverfahren nicht ersetzt wird, aufgehoben werden – schlimmstenfalls müssen dann Kosten an die Krankenkasse erstattet werden.

Eine Entscheidung im Eilverfahren kann von beiden Seiten mit der Beschwerde angefochten werden. Dann muss ein Landessozialgericht entscheiden. Dadurch zieht sich das Verfahren unter Umständen in die Länge. Wird im Einzelfall ein Eilverfahren erwogen, empfiehlt sich eine auf den Einzelfall bezogene rechtliche Beratung.

Bei allen Klagen vor dem Sozialgericht, ob mit oder ohne Anwalt, kann grundsätzlich Prozesskostenhilfe beantragt werden.

Dr. Oliver Tolmein ist Fachanwalt für Medizinrecht, Kanzlei Menschen und Rechte, Hamburg.

Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage

Wie wirksam ist Cannabis als Medizin wirklich? (Frankfurter Allgemeine)

Cannabis als Medizin: Krebskranker nun verurteilt (Kronen Zeitung)

Patienten berichten: "Cannabis hat mir Lebensqualität zurückgegeben" (Schweriner Volkszeitung)