Veröffentlicht
Zuletzt aktualisiert
Lesezeit

ACM-Mitteilungen vom 2. Juni 2018

Authors

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Mitgliederversammlung der ACM findet am 30. Juni 2018 statt. Mitglieder der ACM bekommen in Kürze zusammen mit dem Mitgliederrundbrief eine schriftliche Einladung. Die Mitgliederzahl hat in den letzten 2-3 Jahren deutlich zugenommen. Wenn Sie noch nicht Mitglied der ACM sind, die Arbeit jedoch unterstützen möchten, so lade ich Sie herzlich ein, Mitglied zu werden.

Nun hat auch eine Krankenkasse, die Techniker-Krankenkasse, einen Cannabis-Report veröffentlicht, um ihre Einschätzung kund zu tun. Es verwundert nicht sehr, dass das therapeutische Potenzial cannabisbasierter Medikamente darin eher kleingeredet wird. Schließlich ist die Krankenkasse nicht daran interessiert, dass Cannabis einen relevanten medizinischen Wert zugestanden wird, damit die dafür aufgewendeten Kosten niedrig gehalten werden können.

Co-Autor des Berichts ist Professor Glaeske von der Universität Bremen, der unsere aktuelle Petition als Mitpetent unterstützt. Die Feststellung, dass die klinische Datenbasis für den Nutzen cannabisbasierter Medikamente für viele Indikationen schlecht ist, steht nicht im Widerspruch zu der Forderung, dass Patienten, die nach Auffassung eines Arztes Cannabis als Medizin benötigen, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.

Wir erhalten gegenwärtig viele ausgefüllte Unterschriftenlisten. Allerdings sind viele Adressen der Unterschreibenden nicht lesbar, sodass die Unterschriften häufig nicht gezählt werden können.Ich möchte Sie daher herzlich bitten, Ihre Adresse gut lesbar einzutragen und darauf zu achten, dass andere Personen, die auf Ihrer Liste unterschreiben, das ebenfalls tun.

Nach einem Vortrag, den ich gestern in Paris gehalten habe, fragte ein Arzt, was denn in Deutschland bevorzugt verschrieben werde, Dronabinol, Sativex oder Cannabisblüten. Oder ob Cannabisblüten aufgrund des günstigeren Preises grundsätzlich bevorzugt würden. Ich antwortete ihm, dass nach dem bisherigen Zahlen etwa 1/3 der Patienten Dronabinol erhalten, ein weiteres Drittel Sativex und 1/3 Cannabisblüten.

Er war überrascht zu hören, dass in Deutschland die Meinung besteht, Dronabinol und Sativex seien günstiger als Cannabisblüten. Das führte zu allgemeiner Heiterkeit im Publikum. Allerdings waren die französischen Zuhörer zudem überrascht zu erfahren, dass Cannabisblüten in deutschen Apotheken etwa 20 € pro Gramm kosten, weil deutsche Apotheker überprüfen müssen, ob auch wirklich Cannabis in den Dosen ist und nicht vielleicht Kamille, und dann 100 % auf den Einkaufspreis aufschlagen müssen. Auch das führte zu allgemeiner Heiterkeit über deutsche Gründlichkeit.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Interdisziplinärer Verbund Cannabisforschung und Memorandum zur gegenwärtigen Forschungslage

An der Hochschule Merseburg bildet sich unter der Leitung von Prof. Gundula Barsch ein interdisziplinärer Verbund Cannabisforschung. Dieser hat ein Memorandum verabschiedet.

Gegenwärtige Forschungslage

Fast ein halbes Jahrhundert der Unterstellung von Cannabis unter eine strikte Verbotspolitik hat dafür gesorgt, dass Forschungen zu dieser Pflanze und deren sehr verschiedenen Potentialen weitgehend ausgeblieben sind.

Auch die Entdeckung des endogenen Cannabinoid-Rezeptorsystems in den 1990er Jahren und die davon angeregte internationale Forschung zu den medizinischen Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis sind, abgesehen von Einzelinitiativen, in Deutschland nicht aufgegriffen worden.

Dies schlägt sich nieder in einem bislang unzureichenden pflanzenwissenschaftlichen, biochemischen, agrarwissenschaftlichen und medizinisch-pharmakologischen Wissensstand, sowie den fehlenden Forschungsanstrengungen zur genauen Analyse der Gattung und ihrer Merkmale sowie der pharmakologischen Profile ihrer Sekundär-Metabolite, insbesondere der Terpenoide und Cannabinoide.

Tragische Folge all dessen ist, dass auch mit Blick auf diesen aktuell vorliegenden Wissensstand jede Forderung nach einer evidenzbasierten medizinischen Verwendung von Cannabis nicht erfüllbar ist. Gleiches gilt für die Erschließung dieser alten Kulturpflanze im Rahmen der gesellschaftlich angestrebten Bioökonomischen Wende.

Künftiger Bedarf für Forschung und Entwicklung

Vor diesem Hintergrund stellen sich gegenwärtig folgende Herausforderungen für Forschung und Entwicklung:

- Aufbau eigener Versorgungsstrukturen für die medizinische Nutzung Cannabis Deutschland sollte umgehend Anstrengungen in Forschung und Entwicklung anregen, um die Versorgung mit medizinischem Cannabis in den benötigten Mengen, Qualitäten kontinuierlich und kostenoptimiert zu sichern. Auch wegen des fehlenden Wissens stehen Cannabis und seine Produkte derzeit nicht in der benötigten Vielfalt, Qualität, Menge und in differenzierten pharmakologischen Profilen zur Verfügung.

- Systematisch, multizentrisch und breit angelegte Forschung zu Cannabis als Medizin Deutschland sollte sich zügig und mit eigener systematischer medizinischer Forschung daran beteiligen, die Chancen und Potenziale von Cannabis als Medizin bei der Behandlung diverser, oft chronischer Erkrankungen zu erschließen und so der Cannabismedizin zum Status eines anerkannten Heilverfahrens zu verhelfen, von dem vor allem eine alternde, vielfach multimorbide und oft chronisch kranke Bevölkerung profitiert. Künftiger Bedarf für Forschung und Entwicklung

- Systematische und multidisziplinär angelegte sozialwissenschaftliche Forschung und Begleitung des eingeleiteten politisch-kulturellen Shifts Deutschland sollte für wissenschaftlich begründete Einblicke in sich vollziehenden sozialen Entwicklungen sorgen, die sich mit Regulierungs- und Normalisierungsprozessen von Cannabis ergeben werden und eine fachlich gesicherte Politikberatung ermöglichen. Zu sichern ist, dass diese Prozesse, die über sehr unterschiedliche sozial-, bildungs- und gesundheitspolitische Maßnahmen mit Aufmerksamkeit begleitet und deren Entwicklungen beeinflusst werden können, vorausschauend benannt und mögliche Probleme und Konflikte produktiven Lösungen zugeführt werden.

- Systematische und breit angelegte Forschung und Entwicklung zu Cannabis als Rohstoff- und Energielieferant mit hohem Potenzial für eine bioökonomische Wende, mit alternativer Energiegewinnung und wesentlichen Beiträgen für Klimaschutz

- Systematische und breit angelegte Forschung und Entwicklung zu den Potenzialen von Hanfund Cannabisprodukten im Bereich von Konsumgütern. Deutschland sollte insoweit zügig in den expandierenden Markt für hanf- und cannabinoidhaltige Konsumgüter einsteigen und mit eigenen Innovationen zu einem Marktführer in diesem Bereich werden.

- Systematische und breit angelegte Forschung und Entwicklung zu den Chancen und Möglichkeiten, Problemen und Konflikten der Herausbildung einer Cannabisindustrie.

Erste Anstrengungen, bereits vorhandene Expertise für diese Forschungs- und Entwicklungsthemen zu orten und deren Interesse zu wecken, belegen, dass in Deutschland durchaus ausreichend Potential in den angesprochenen Bereichen von Wissenschaft, Entwicklung und Überführung in praktische Anwendung vorhanden ist. Dringend benötigt werden jedoch forschungspolitische Entscheidungen dahingehend, eine interdisziplinäre Cannabisforschung auch in Deutschland rasch und mit innovativen Ansätzen zu fördern.

Ansprechpartnerin:

Prof. Dr. phil. habil. Gundula Barsch

Professur für Suchtproblematik und Soziale Arbeit

Hochschule Merseburg

E-Mail: gundula.barsch@hs-merseburg.de

Presseschau: Medizinisches Cannabis: Kein pflanzliches Wundermittel (Ärzteblatt)

Die Techniker Krankenkasse hat einen Cannabis-Report veröffentlicht, in dem versucht wird, den Mythos aufrecht zur erhalten, eine Behandlung mit Cannabis sei nur etwas für Einzelfälle.

Medizinisches Cannabis: Kein pflanzliches Wundermittel

Die Techniker Krankenkasse stellte mit dem Cannabis-Report eine weitere Untersuchung vor, die die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis für ein breites Indikationsspektrum infrage stellt. Dringend erforderlich ist mehr wissenschaftliche Forschung, denn die Zahl der Anträge steigt.

Medizinisches Cannabis ist nur selten eine Alternative zu den bewährten Therapien, kann aber Patienten im Einzelfall helfen. Das ist eines der Ergebnisse des „Cannabis-Reports“, den die Techniker Krankenkasse (TK) bei dem Arzneimittelexperten Prof Dr. rer. nat. Gerd Glaeske, Universität Bremen, in Auftrag gegeben hat. „Es gibt nur wenige Studien, die eine Behandlung mit Cannabis wissenschaftlich begründen können – es ist kein pflanzliches Wundermittel und für viele Indikationen gibt es bereits bewährte Arzneimittel“, erklärte Glaeske. Für „denkbar“ hält er aufgrund der ausgewerteten Studien eine Wirksamkeit von Cannabis bei chronischem Schmerz, Spasmen bei Multipler Sklerose, Epilepsien, zur Appetitsteigerung bei HIV/AIDS und bei chemotherapieinduzierter Übelkeit. Für ein breiteres Indikationsspektrum gebe es indes kaum oder gar keine Evidenz.

Ärzte und Ärztinnen aller Fachgebiete können seit einer Gesetzesänderung vom 10. März 2017 Patienten mit „schwerwiegenden Erkrankungen“, Cannabis zulasten der GKV verordnen. Im November 2017 kam eine Meta-Analyse (CaPRis) von Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Eva Hoch, München, bereits zu der Erkenntnis, dass bei vielen Krankheitsbildern keine Aussagen zu Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit von medizinischem Cannabis getroffen werden könnten. Es brauche mehr hochwertige Studien (DÄ 49/2017).

Dieser Forderung schloss sich Glaeske an: „Wir brauchen eine vernünftige Versorgungsforschung, die von den Fachgesellschaften ausgehen sollte und nicht von der Industrie“. Die vorgeschriebene Begleiterhebung, zu der jeder verordnende Arzt verpflichtet ist, sei bei Weitem nicht ausreichend.

Großer Interpretationsspielraum

Zusammen mit dem TK-Vorstandsvorsitzenden Dr. Jens Baas stellte er die Frage, warum der Wirkstoff Cannabis vor Inkrafttreten des Gesetzes „nicht das System aus Zulassung, früher Nutzenbewertung und Preisverhandlung, wie es normalerweise für neue Arzneimittel gilt“, durchlaufen habe. Stattdessen erhielten die Krankenkassen einen Genehmigungsvorbehalt, der recht unklar definiert sei. Zudem sei der Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ im Gesetz nicht ausreichend definiert und lasse einen zu großen Interpretationsspielraum bei Entscheidungen des MDK zu. Entsprechend häufig werden Anträge von Patienten auf Erstattung von Cannabis abgelehnt: Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands von März gab es bislang rund 12 000 Anträge auf eine Cannabis-Therapie, davon wurden nur rund 6 800 genehmigt. Bei der TK gab es in 2017 rund 2 900 Anträge, heißt es in dem Cannabis-Report – „bei zunehmender Tendenz“, wie Baas berichtete. 67 Prozent davon wurden genehmigt. Bei den meisten Ablehnungen (64 Prozent) verwies der MDK auf alternative Therapieoptionen. Die Behandlung von Schmerzen war mit 61 Prozent der häufigste Grund für einen Antrag.

Bei der TK wurden 68 Prozent der Anträge auf Erstattung von dronabinolhaltigen Rezepturarzneimitteln gestellt; 32 Prozent auf die Erstattung von Cannabisblüten. „Wir sehen klare Vorteile bei der Verordnung von Dronabinol“, sagte Glaeske. Denn dessen Wirkstoffgehalt sei nicht so starken Schwankungen unterworfen, wie der von Blüten. Hinzu komme die Wirtschaftlichkeit: Cannabisblüten seien deutlich teurer als Dronabinol.

Die Mehrheit der Cannabis-verordnenden Ärzte sind dem TK-Report zufolge Neurologen, Psychiater und ärztliche Psychotherapeuten (39 Prozent), gefolgt von Hausärzten und Internisten (33 Prozent). Am häufigsten wurde Cannabis als Medizin TK-Versicherten im Saarland, in Bayern und Baden-Württemberg verordnet; am seltensten in den ostdeutschen Bundesländern. Patienten zwischen 40 und 60 Jahren stellten die meisten Anträge.

„Cannabinoide sind keine Alternative zu bewährten Medikamenten in der Schmerzmedizin“, erklärte aus der Versorgungspraxis Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Berlin. Sie seien aber eine mögliche Indikation für einen individuellen Therapieversuch bei Therapieversagen nach medizinischem Standard. Cannabis beziehungsweise alle Medikamente könnten bei Schmerzpatienten jedoch immer nur ein Element einer interdisziplinären multimodalen Therapie sein, betonte Schäfer.

Presseschau: Die WHO könnte nächste Woche beschließen, dass Marihuana keine Droge mehr ist (Vice)

Vom 4. bis 7. Juni trifft sich in Genf ein Expertenkomittee, um über die internationale Einstufung von Cannabis und Cannabinoiden zu beraten. Auch die IACM wurde eingeladen, im Rahmen der öffentlichen Anhörung am Montagabend in einer Videobotschaft ihre Position darzustellen.

Die WHO könnte nächste Woche beschließen, dass Marihuana keine Droge mehr ist

Normalerweise rasten Menschen nicht gerade vor Freude aus, wenn sich ein Haufen Bürokraten mit Wissenschaftlern trifft. Aber dann geht es meist auch nicht um Cannabis. Was Anfang Juni in Genf ansteht, sei aber "ein geschichtsträchtiges Ereignis", ja, eine "Jahrtausendveranstaltung", sagt Christoph Roßner. Er plant ein Forschungsprojekt zu medizinischem Cannabis und hofft wie viele andere, dass Gras in Deutschland möglichst bald legal wird. Das 40. Treffen des Expertenkomitees zur Drogenabhängigkeit (ECDD) vom 4. bis 7. Juni bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf könnte ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

Cannabis gilt seit einem UN-Abkommen von 1961 als illegale Droge, gleichgestellt mit Heroin oder Kokain. Seitdem hat die Wissenschaft viel über Cannabis gelernt, über seine Eigenschaft als Droge, aber auch seine medizinische Wirkung. Dennoch debattieren Wissenschaftler und WHO-Experten bei der Konferenz im Juni das erste Mal überhaupt darüber, ob die Einstufung von Cannabis als gefährliche Droge noch zeitgemäß ist. Bei der Konferenz sollen Marihuana, THC, CBD (Cannabidiol) und andere verwandte Stoffe neu bewertet werden. Bereits 2017 erklärte das Expertenkomitee zur Drogenabhängigkeit, dass CBD kein Suchtpotential habe, nicht psychoaktiv sei und keinerlei gesundheitliche Gefahren von ihm ausgingen. Auch deshalb erwarten Beobachter, dass die WHO Cannabis bei der kommenden Konferenz nicht mehr als Droge einstufen wird. Das könnte wiederum dazu führen, dass die Vereinten Nationen ihre Verträge überarbeiten. Und das wiederum betrifft unmittelbar dich (sofern du ab und zu mal kiffst).

Denn die deutschen Drogengesetze sind eng mit den Beschlüssen der Vereinten Nationen verbunden. Am Ende könnte der WHO-Beschluss die deutsche Regierung dazu bringen, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern – und eine Legalisierung könnte näher rücken.

Cannabis als Droge: Die internationale Gesetzeslage

Als 1961 insgesamt 183 Staaten das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel (SCND) unterzeichneten, verpflichteten sie sich, den Handel mit Drogen zu kontrollieren und die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Dieser Vertrag der Vereinten Nationen stuft seitdem neben Substanzen wie Heroin auch Cannabis international als Droge ein. Auch Deutschland unterzeichnete das SCND, das 1964 in Kraft trat.

Die verschiedenen Betäubungsmittel sind in dem meist als Single Convention bezeichneten Abkommen in vier Listen klassifiziert. In Liste I stehen grundsätzlich alle durch den Vertrag kontrollierten Betäubungsmittel – neben Morphin, Heroin, Opium und anderen Substanzen eben auch Cannabis. Wenn es bei einem dieser Betäubungsmittel als besonders wahrscheinlich gilt, dass es "anfällig für Missbrauch" ist und "negative Auswirkungen" hat, die man auch durch tiefgreifende Therapieansätze nicht beheben könne, wandert es zusätzlich in die Liste IV. Der Stoff gilt dann als gefährliche Droge, nicht als Medizin. In Liste IV steht nach wie vor auch Cannabis und das, obwohl es längst internationale Studien gibt, die belegen, dass es eine medizinische Wirkung hat und sein Suchtpotential nicht mit Stoffen wie Heroin zu vergleichen ist.

Das immer noch gültige Vertragswerk wurde später um zwei weitere Abkommen ergänzt: Die Konvention über psychotrope Substanzen (1971) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (1988). Beide Abkommen listen Cannabis ebenfalls als illegale Droge. Alle Versuche, Cannabis in diesen Abkommen als Droge zu deklassifizieren, blieben bislang erfolglos.

Deutsche Drogengesetze sind abhängig von UN-Abkommen

Auf Basis dieser drei UN-Abkommen trat in Deutschland 1972 das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, kurz BtMG in Kraft. Bis heute regelt es Handel und Abgabe von Betäubungsmitteln in Deutschland. Deshalb würde die Bundesregierung UN-Verträge brechen, würde sie Cannabis legalisieren – argumentieren laut Georg Wurth vom deutschen Hanfverband zumindest Legalisierungsgegner. "In den letzten 20 Jahren habe ich das immer wieder gehört: 'Wir würden ja gerne legalisieren, dürfen es aber aufgrund internationaler Verträge gar nicht'", sagt Wurth gegenüber VICE. Trotzdem sei dieses Argument seltener geworden, da mittlerweile Beispiele zeigen würden, dass man diese Verträge einfach brechen könne.

So könnte Kanada noch in diesem Jahr Cannabis vollständig für Erwachsene legalisieren. Es gab bereits mehrere Lesungen des Gesetzesentwurfs. Kaum jemand redet noch darüber, wie sich die Regierung um Justin Trudeau damit über UN-Abkommen hinwegsetzt, wohl auch weil es wenig Gründe für den Premierminister gibt, sich deshalb Sorgen zu machen. Denn die UN kontrollieren offenbar nicht konsequent die Vertragstreue aller Unterzeichner: Obwohl in Uruguay seit Mitte 2017 Erwachsene legal Cannabis kaufen können, hat die Organisation dem Land keine Sanktionen auferlegt.

Die WHO-Entscheidung zu Cannabis könnte wegweisend für Deutschland sein

Deutschland hält sich bislang an die internationalen Verträge. Aber wird die Bundesregierung Cannabis legalisieren, wenn die WHO es deklassifiziert? "Ich gehe nicht davon aus, dass es unmittelbare Auswirkungen auf die deutsche Cannabis-Politik haben würde", sagt Georg Wurth. Das liege daran, dass man sich die WHO als eine Art Gesundheitsministerium der UN vorstellen müsse. Wenn sie beschließe, dass Cannabis ab sofort keine Droge mehr ist, hieße das noch nicht, dass der Rest der UN-Bürokratie dieser Empfehlung auch folgt. Denn die WHO hat keine Entscheidungskompetenz und macht auch keine Gesetze.

Letzten Endes müssten die Mitgliedstaaten darüber abstimmen, ob das Abkommen von 1961 ein Update braucht. Auf die Entscheidung der einzelnen Mitglieder dürfte auch das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), einen relativ großen Einfluss haben. "Die UNODC wäre dafür zuständig, eine Sitzung anzuberaumen, in der die Staaten darüber abstimmen, ob die Verträge geändert werden oder nicht. Die WHO hat nur empfehlenden Charakter für die Frage, wie gefährlich Cannabis eigentlich ist", sagt Georg Wurth. Die UNODC gilt allerdings als eher konservative Organisation innerhalb der UN und soll 2015 nach BBC-Recherchen verhindert haben, dass die UN ein Strategiepapier veröffentlichen, in dem sie die empfahlen, Drogen zu dekriminalisieren.

Dennoch sagt Wurth, er verfolge mit großem Interesse, was in Genf beschlossen werde: "Die WHO könnte einen wichtigen Impuls für die Debatte um die Legalisierung von Cannabis geben. Mittel- bis langfristig könnte das dazu führen, dass Cannabis aus den internationalen Verträgen als verbotene Substanz rausgenommen wird."

Grund zur Hoffnung macht auch ein Statement, das die Vereinten Nationen am 27. Juni 2017 gemeinsam mit der WHO veröffentlichten. Darin forderten sie, die Strafverfolgung einzelner Drogenkonsumenten zu reformieren. Die Grundlage dafür könnte die WHO Anfang Juni in Genf schaffen. Christoph Roßner, der Gras-Unternehmer, der medizinisches Cannabis erforschen will, wird als Beobachter vor Ort sein. Er sagt, er wolle mit eigenen Augen sehen, wie im Geschichtsbuch des Hanf eine neue Seite beschrieben wird.

Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage

Ministerin: Medizinisches Cannabis könnte in Frankreich legalisiert werden (Donaukurier)

Cannabis als Medizin: Krankenkassen stellen sich stur (Osnabrücker Zeitung)

Frankreich will Debatte über medizinisches Cannabis (Ärzteblatt)

Cannabis auf Rezept immer gefragter (Berliner Morgenpost))

Führen Krankenkassen Kleinkrieg gegen medizinisches Cannabis? (Osnabrücker Zeitung)

Cannabis: Deutsche Firmen haben's schwer (Apotheke Adhoc)

Bundesrat will Cannabis-Export zu medizinischen Zwecken erlauben (Luzerner Zeitung, Schweiz)