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ACM-Mitteilungen vom 2. Februar 2008

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Fernsehsendung berichtet über Studie mit Dronabinol bei Multipler Sklerose

In einem Fernsehbericht vom 30. Januar 2008 griff der rbb Brandenburg die medizinische Verwendung von Dronabinol und Cannabis auf und berichtete von einer aktuellen Studie mit Dronabinol bei MS-Patienten in Deutschland. Ein Teil des Beitrages findet sich auch in einer Druckversion auf der Internetseite des Senders. Darin heißt es:

"Cannabis sativa L., kurz Cannabis, ist der lateinische Name der Hanfpflanze. Sie enthält über 60 spezifische Wirkstoffe, so genannte Cannabinoide. Dass einige davon berauschende Wirkung haben, ist bekannt - Haschisch und Marihuana werden z. B. aus der Hanfpflanze gewonnen. Cannabis kann aber auch bei bestimmten Krankheitssymptomen helfen - manchmal besser als offizielle Medikamente. Obwohl die Beschaffung nicht legal ist, hat sich Cannabis unter anderem bei Krebs, Multipler Sklerose und bestimmten Schmerzformen bewährt.

Doris Hellpoldt stellt eine Medikamenten-Studie vor, die die medizinische Wirkung eines Cannabiswirkstoffs bei Patienten mit Multipler Sklerose prüfen soll:

Delta-9-Tetra-Hydro-Cannabinol heißt der bekannteste medizinisch verwertbare Cannabis-Wirkstoff - abgekürzt THC. THC wird heute von Pharmaunternehmen aus der Hanfpflanze extrahiert und unter dem Namen Dronabinol als Heilmittel angeboten. Die Neurologin Prof. Dr. Judith Haas erklärt, warum der Cannabis-Wirkstoff so interessant für therapeutische Zwecke ist. "Cannabis ist eine Substanz, die einen ganzen, großen Bereich an Symptomen der Multiplen Sklerose beeinflussen kann. Es ist einmal der Schmerz, dann aber auch die Spastik, das Zittern bei den MS-Kranken, Sehstörungen, abnorme Ermüdbarkeit, Störungen des Appetits. Und Cannabis hat ein günstiges Nebenwirkungsprofil, was natürlich bei einem Patienten der häufig sehr viele Medikamente braucht, ganz wichtig ist."

Michael Schulz gehört zu den Menschen, die an Multipler Sklerose erkrankt sind. Seit vier Wochen nimmt der 47-Jährige an einer klinischen Studie teil, die klären soll, ob Dronabinol Betroffene von Schmerzen befreien kann. In den letzten zwölf Jahren sind die Beschwerden von Michael Schulz immer schlimmer geworden. In den Cannabis-Wirkstoff setzt er deshalb große Hoffnungen: "Für mich ist das belastendste Symptom: die Schmerzen im Fuß. Gegen alles andere, wie schlecht Gehen, Müdigkeit, Inkontinenz, kann man was machen, aber gegen die Schmerzen haben noch keine Tabletten geholfen."

Weil bisher nichts geholfen hat bei Michael Schulz, schlug sein behandelnder Neurologe ihm vor, an der Studie teilzunehmen. Momentan ist Dronabinol bei Multipler Sklerose nicht als Medikament zugelassen. Dr. Klaus Tiel-Wilck vom Neurologischen Facharzt-Zentrum Berlin ist aber überzeugt davon, dass der Wirkstoff vielen seiner Patienten einen großen Gewinn an Lebensqualität bringen kann. "Bei der Erkrankung werden Nervenfasern geschädigt, die Schmerzen vermitteln. Und die Cannabinoide sind in der Lage, die Erregbarkeit dieser geschädigten Schmerzfasern zu reduzieren und damit die Schmerzempfindung ebenfalls zu reduzieren."

Der Wirkstoff aus der Cannabispflanze kann aber mehr, als Schmerzen zu lindern. Bei vielen Symptomen der Multiplen Sklerose stoßen die herkömmlichen Therapien an ihre Grenzen: Der entzündliche Krankheitsprozess kann zwar gebremst werden. Aber im späteren Verlauf der Krankheit treten oft so schwere Symptome auf, dass die Patienten in ihren Bewegungsmöglichkeiten extrem eingeschränkt und zum Teil völlig hilflos sind. Sogar in solchen fortgeschrittenen Stadien können mit Dronabinol noch gute Erfolge erzielt werden, sagt Neurologin Judith Haas: "Bei unwillkürlichen Bewegungen, wie Zittern, überschießende Bewegungen, ungebremsten Bewegungen, Bewegungen, die man nicht steuern kann, liegt eine zu starke Erregbarkeit des Nervensystems vor. Das heißt, elektrische Impulse werden ungebremst weitergeleitet. Das Dronabinol wirkt aber auf die Überträgerstellen im Nervensystem bremsend, d.h., die Bewegungen können wieder willkürlich gesteuert ausgeführt werden."

Der Fernsehbeitrag kann von der Internetseite des rbb herunter geladen und mit dem RealPlayer abgespielt werden:

www.rbb-online.de

Der schriftliche Beitrag findet sich unter: rbb vom 30. Januar 2008

Razzia gegen Cannabis-Anbau in Deutschland – auch Patienten betroffen

Wie mehrere Medien meldeten, wurden am 28. Januar 2008 in Deutschland Razzien bei Personen durchgeführt, die im Verdacht standen, Cannabis anzubauen. Ausgangspunkt war ein Laden in Aachen, der Material zum Eigenanbau von Pflanzen innerhalb von Gebäuden über das Internet verkauft hat. Die Polizei hatte über mehrere Monate hinweg heimlich die Kundenbestellungen des Händlers für Gewächshaustechnik aufgezeichnet. Daraufhin wurden in einer bundesweiten Aktion bei über 200 Kunden Hausdurchsuchungen durchgeführt, darunter auch Patienten, die Cannabis für den eigenen medizinischen Bedarf anbauten. Bei den entdeckten Cannabisanbauern handelt es sich überwiegend um kleine Anbauflächen für den Eigenbedarf.

Einer der Betroffenen ist ein chronischer Schmerzpatient und ACM-Mitglied, dessen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Cannabis zur Zeit von der Bundesopiumstelle in Bonn bearbeitet wird. Ihm wurde eindrücklich klar gemacht, dass das deutsche Gesetz nicht zwischen der medizinischen Verwendung von Cannabis und dem Freizeitkonsum der Droge unterscheidet. Gegenüber dem Vorsitzenden der ACM, Dr. Franjo Grotenhermen, erklärte er, es habe um 6 Uhr geklingelt, als seine Tochter gerade seine Enkeltochter für die Schule fertig machen wollte. Er habe die Beamten gebeten, ihm wenigstens einen Teil seiner Medizin da zu lassen. Sie seien zwar angesichts seiner schweren Erkrankung freundlich und verständnisvoll gewesen, hätten jedoch alles mitgenommen. Er habe sich "überfallen und ausgeraubt" gefühlt.

Im Berliner Tagesspiegel wurde über die Razzia wie folgt berichtet:

"Bei einer bundesweiten Großrazzia gegen Cannabis-Anbau sind am Morgen 40 mutmaßliche Plantagen-Betreiber vorübergehend festgenommen worden. Sie waren allesamt Kunden eines Aachener Unternehmens, das Zubehör zur Errichtung professioneller Cannabis-Plantagen über das Internet und ein Ladenlokal verkauft und die illegalen Hanfbauern beraten haben soll, teilten Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und Staatsanwaltschaft Aachen in Neuss mit.

Die Polizei wurde bei rund jeder dritten Durchsuchung fündig und stellte etwa 5000 Hanfpflanzen sicher. Mehr als 200 Wohnungen und Betriebsräume wurden überprüft. An dem Einsatz gegen die Rauschgiftkriminalität in allen Bundesländern waren 1500 Polizeibeamte beteiligt.

Die beiden größten Plantagen mit mehr als 1000 Pflanzen entdeckten die Ermittler in Hennef bei Bonn und Schönberg bei Wittlich in Rheinland-Pfalz, teilte Einsatzleiter Roland Wolf vom Landeskriminalamt NRW mit. Insgesamt hoben die Beamten 76 Plantagen aus. Sie seien so angelegt, dass vier Ernten im Jahr möglich seien, sagte Wolf. "Häufig amortisiert sich eine Anlage nach einer einzigen Ernte." Seit 2004 nehme der Plantagenanbau im großen Stil zu. Der Wirkstoffanteil Tetrahydrocannabinol (THC) sei deutlich höher als noch in den 1970er Jahren. "Deshalb sprechen wir auch nicht mehr von weichen Drogen", sagte Wolf.

Die Durchsuchungen richteten sich gegen die 42 und 43 Jahre alten Inhaber des sogenannten Grow-Shops "Catweazel" in Stolberg bei Aachen und deren Kunden. Insgesamt gab es gegen 214 Verdächtige Durchsuchungsbeschlüsse. Durch die Großrazzia wollten Polizei und Staatsanwaltschaft Cannabis-Plantagen aufspüren, die mit Technik aus Aachen ausgestattet waren.

Die beiden "Catweazel"-Inhaber seien einschlägig vorbestraft, sagte Staatsanwalt Bernd Schulz. Ihnen drohten wegen Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bis zu fünf Jahre Haft. Sie hätten ihren Kunden auch Tipps zum Hanfanbau gegeben.

Ein Inhaber des Aachener Großhandels bezeichnete sein Geschäft als rechtmäßig. "Wir verkaufen Gewächshaustechnik", sagte er. Er vermute zwar, dass die Technik von Kunden überwiegend zum Hanfanbau benutzt werde. "Aber es wird immer wieder von uns darauf hingewiesen, dass der Hanfanbau in Deutschland genehmigungspflichtig ist", sagte der Inhaber des 1989 gegründeten sogenannten Grow-Shops in Stolberg."

(Quelle: Tagesspiegel vom 28. Januar 2008)