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ACM-Mitteilungen vom 2. Juli 2016

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Liebe Leserin, lieber Leser,

nachdem sich der Bundesrat am 17. Juni 2016 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. Mai 2016 geäußert hatte, ist nun am 7. Juli 2016 die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag vorgesehen. Dazu hat die Bundesregierung einen leicht modifizierten Gesetzentwurf (Drucksache 18/8965) vorgelegt.

Als die größte Bremse für die Verschreibung von Cannabis-basierten Medikamenten (Dronabinol, Sativex, Nabilon, Cannabisextrakte und Cannabisblüten) durch Ärztinnen und Ärzte zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen könnte sich ein bisher wenig beachtetes Problem erweisen: es ist nicht beabsichtigt, Cannabis-basierte Medikamente als Praxisbesonderheit einzustufen (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen).

Nach der Antwort dieser Kleinen Anfrage durch das Bundesministerium für Gesundheit vom 24. Juni 2016 vor (Bundestagsdrucksache 18/8775). verfügten am 14. Juni 2016 769 Patientinnen und Patienten über eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke. Interessant sind auch die Ausführungen zu den Diagnosen der Erlaubnisinhaber. Zudem enthält die Antwort der Bundesregierung Hinweise auf Pläne zum Anbau von Cannabis in Deutschland, zum Thema Praxisbesonderheit sowie zur Teilnahme von Patienten, die Cannabisprodukte aus medizinischen Gründen verwenden, am Straßenverkehr.

Die Weigerung der Bundesregierung, die medizinische Verwendung von Cannabis-basierten Medikamenten als Praxisbesonderheit einzustufen, wird vermutlich dazu führen, dass Ärzte diese Medikamente nicht in dem notwendigen Umfang zu Lasten der Krankenkassen verschreiben werden, weil sie darauf achten müssen, ihr Arzneimittelbudget nicht zu überschreiten. Das ist mehr als nur ein Schönheitsfehler des geplanten Gesetzes.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Erste Lesung des Gesetzes zur Kostenerstattung von Cannabis-basierten Medikamenten und zur Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten am 7. Juli 2016 im Bundestag

Auf seiner 183. Sitzung am Donnerstag, den 7. Juli 2016, erfolgen unter dem Tagesordnungspunkt 24 die

„a) Erste Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften

Drucksache 18/8965

b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE.

Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten

Drucksache 18/6361

Auf den letzten Seiten enthält der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates (Seiten 29-31)und die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (Seiten 32-33).

Im neuen Gesetzentwurf wurde der Vorschlag des Bundesrates, die geplante Begleitforschung von der Zustimmung der Patienten abhängig zu machen, abgelehnt. Der Bitte des Bundesrates, Cannabisblüten auf den THC-Gehalt zu standardisieren, wurde dagegen im neuen Gesetzentwurf entsprochen.

Für die Beratung des Entwurfs der Bundesregierung und des Antrags der Fraktion Die Linke sind 30 Minuten vorgesehen.

Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen betreffend „Versorgung mit Cannabis als Medizin“

Namens der Bundesregierung wurde die kleine Anfrage von Ingrid Fischbach, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, am 24. Juni 2016 beantwortet (Bundestagsdrucksache 18/8775).

Hier einige Auszüge:

Zur Anzahl der Erlaubnisinhaber: Seite 2

„Am 14. Juni 2016 verfügten insgesamt 779 Patientinnen und Patienten über eine Ausnahmeerlaubnis des BfArM nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie. Von diesen Ausnahmeerlaubnissen wurden 744 für den Erwerb von Cannabisblüten und 45 für den Erwerb von Cannabisextrakt erteilt. Zehn Patientinnen und Patienten wurde sowohl die Erlaubnis für den Erwerb von Cannabisblüten als auch für Cannabisextrakt erteilt.“

Zur Zahl der Personen, denen Cannabis-basierte Medikamente verschrieben wurden: Seite 3

„Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung betrug die Zahl der Verordnungen für das Fertigarzneimittel Sativex im Jahr 2015 knapp 22 000. Dronabinol und Nabilon können bisher grundsätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung nicht erstattet werden. Daneben liegen der Bundesregierung Angaben über die Anzahl der Verordnungen von Dronabinol, Nabilon und Sativex in Krankenhäusern nicht vor.“

Zur Entwicklung der Anzahl der Erlaubnisinhaber: Seiten 3 und 4

„Von Anfang 2011 bis zum 14. Juni 2016 haben insgesamt 1 190 Patientinnen und Patienten einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie beim BfArM gestellt. Diese schlüsseln sich unter Berücksichtigung der anschließenden Erläuterungen wie folgt auf:

• 2011: 60 Anträge, 38 Erlaubnisse erteilt, 11 Erlaubnisanträge abgelehnt.

• 2012: 90 Anträge, 61 Erlaubnisse erteilt, acht Erlaubnisanträge abgelehnt.

• 2013: 173 Anträge, 110 Erlaubnisse erteilt, 19 Erlaubnisanträge abgelehnt.

• 2014: 241 Anträge, 168 Erlaubnisse erteilt, 24 Erlaubnisanträge abgelehnt.

• 2015: 434 Anträge, 315 Erlaubnisse erteilt, 12 Erlaubnisanträge abgelehnt.

• Januar 2016: 38 Anträge, 25 Erlaubnisse erteilt, keine Ablehnung.

• Februar 2016: 30 Anträge, 14 Erlaubnisse erteilt, zwei Erlaubnisanträge abgelehnt.

• März 2016: 36 Anträge, 16 Erlaubnisse erteilt, ein Erlaubnisantrag abgelehnt.

• April 2016: 44 Anträge, 21 Erlaubnisse erteilt, keine Ablehnung.

• Mai 2016: 32 Anträge, neun Erlaubnisse erteilt, keine Ablehnung.

• Juni 2016 (Sachstand: 14. Juni 2016): 12 Anträge, bisher keine Erlaubnis erteilt, keine Ablehnung.

Derzeit befindet sich noch eine größere Zahl von Anträgen in Bearbeitung, weil Antragstellerinnen und Antragsteller erforderliche und nachgeforderte Unterlagen noch nicht vorgelegt haben oder die Anträge erst kürzlich eingegangen sind. Zu berücksichtigen ist auch, dass Anträge zurückgenommen wurden.“

Die Aufstellung zeigt, dass die Zahl der Anträge im Verlaufe der vergangenen 5 Jahre jedes Jahr deutlich zugenommen hat.

Zu den Erkrankungen von Erlaubnisinhabern: Seite 4

„Die den Ausnahmeerlaubnissen nach § 3 Absatz 2 BtMG zugrunde liegenden Krankheitsbilder sind nach Maßgabe der Angaben in den Antragsunterlagen vielfältig. Insoweit führen einige Patientinnen und Patienten eine Selbsttherapie mit Cannabis wegen mehrerer Diagnosen durch. Die Hauptdiagnosegruppen und die zugehörigen Prozentanteile der Patientinnen und Patienten stellen sich gegenwärtig wie folgt dar:

• Schmerz (einschließlich schmerzhafte Spastik bei multipler Sklerose): ca. 62 Prozent,

• ADHS: ca. 12 Prozent

• Tourette-Syndrom: ca. 4 Prozent,

• Epilepsie: ca. 3,5 Prozent,

• Sonstige Neurologie: ca. 0,5 Prozent,

• Depression: ca. 6 Prozent,

• Sonstige Psychiatrie: ca. 3 Prozent,

• Darmerkrankungen: ca. 4 Prozent,

• Inappetenz/Kachexie: ca. 4,5 Prozent,

• Lungenerkrankungen: ca. 0,5 Prozent.“

Zur Begleitforschung durch die Bundesregierung: Seite 8

„Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Daten von der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt nur anonym an das mit der Begleiterhebung beauftragte BfArM übermittelt werden dürfen. Auf anonymisierte Daten finden datenschutzrechtliche Bestimmungen keine Anwendung. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird im Übrigen ausgeführt, dass wegen der geringen Anzahl betroffener Versicherter ein Verfahren vorzusehen ist, das sicherstellt, dass auch die meldenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte anonym bleiben.“

Zum Vergabeverfahren für den Eigenanbau in Deutschland: Seite 10

„Der Gesetzentwurf sieht ein Vergabeverfahren durch das BfArM vor. Erst danach steht fest, zu welchem Abgabepreis Cannabis abgegeben werden kann.“

Zur Frage einer möglichen Praxisbesonderheit: Seite 10

„Für die Erstattung von Cannabisarzneimitteln sieht der Gesetzentwurf keine besonderen Regelungen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeitsprüfungen vor. Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen verordneter Leistungen wurden mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das in seinen wesentlichen Teilen im Juli 2015 in Kraft getreten ist, in die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landesverbände der Krankenkassen gegeben. Ab dem 1. Januar 2017 werden die Prüfvereinbarungen auf dieser Ebene für die Prüfung maßgeblich sein. Eine Gefahr für die Versorgung mit Cannabis als Medizin besteht dadurch nicht.“

Die Bundesregierung möchte also Medikamente auf Cannabisbasis nicht als Praxisbesonderheit einstufen. Das bedeutet, dass diese im Gegensatz zu anderen teuren Arzneimitteln beim Arzneimittelbudget der Ärzte berücksichtigt werden. Das hat zur Folge, dass viele Ärzte Cannabisblüten und Cannabis-basierte Arzneimittel vermutlich nur selten und nicht in dem erforderlichen Umfang verschreiben werden, weil die Präparate zu teuer sind. Ärzte müssen innerhalb ihres Praxisbudgets haushalten und können nicht oft teure Medikamente verschreiben. Es sei denn, diese Medikamente sind vom Praxisbudget ausgenommen, wie beispielsweise bestimmte Medikamente gegen Rheuma. Damit müssen die Krankenkassen zwar formal die Kosten dieser Medikamente unter bestimmten Voraussetzungen erstatten. In der Praxis könnte sich diese Regelung jedoch– vermutlich nicht unbeabsichtigt – als weitgehend unwirksam erweisen.

Zum möglichen Entzug der Führerscheins bei der Verwendung von Cannabisblüten: Seite 12

„Die Entscheidung über die Erteilung, Überprüfung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis ist eine Frage des Einzelfalls und richtet sich grundsätzlich nach § 11 und § 14 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Werden etwa im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Fahreignung begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde unter den in den §§ 11 und 14 FeV genannten Voraussetzung auch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Die Frage der Fahreignung hängt dabei insbesondere von der Höhe der Medikation, der Art und der bestimmungsgemäßen Einnahme der Medikation ab. Erweist sich die Inhaberin oder der Inhaber einer Fahrerlaubnis dabei als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen. Zu den bußgeldrechtlichen und strafrechtlichen Vorgaben betreffend den Entzug der Fahrerlaubnis wird im Übrigen auf die Antwort zu Frage 21a verwiesen.“

Gegenwärtig können wir von einigen – keineswegs von den meisten – Führerscheinstellen und MPU-Stellen eine regelrechte Hexenjagd auf Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten feststellen. Mit zum Teil abenteuerlich anmutenden pseudowissenschaftlichen Begründungen erhalten Erlaubnisinhaber ihren Führerschein nicht zurück oder verlieren diesen. „Wir haben kürzlich erfahren, dass in Israel Daten erhoben wurden, nach denen Menschen, die Cannabisblüten aus medizinischen Gründen verwenden, kein erhöhtes Unfallrisiko aufweisen“, erklärte Dr. Franjo Grotenhermen. „Wir werden die deutschen Behörden in geeigneter Weise auf diese Erkenntnisse hinweisen und können dann nur hoffen, dass in diesem Bereich die zuletzt vermisste Sachlichkeit zurückkehrt. Wir hoffen und erwarten, dass Cannabisblüten mit ihrer Verschreibungsfähigkeit durch das neue Gesetz von allen Führerscheinstellen und Begutachtungsstellen als Arzneimittel nach der Fahrerlaubnisverordnung akzeptiert werden. Alles andere wäre Willkür.“

Presseschau: Schriftliche Urteilsbegründung liegt vor (Ärztezeitung)

Seit kurzem liegt die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zum Eigenanbau vor BVerwG 3 C 10.14. Die Ärztezeitung berichtete.

Gegenwärtig überlegt die Bundesopiumstelle, wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem Michael F. Cannabis für medizinische Zwecke selbst anbauen darf, umgesetzt werden soll. Dies wird auch Auswirkungen auf Anträge anderer Patienten auf den Eigenanbau von Cannabisblüten haben. Die ACM steht mit allen Beteiligten im Kontakt und wird demnächst Vorschläge unterbreiten, wie Patienten, die einen Eigenanbau anstreben, die Forderungen der Bundesopiumstelle in dieser Frage erfüllen können, beispielsweise hinsichtlich der eigenen Sachkunde beim Cannabisanbau oder hinsichtlich der Frage der optimalen Entsorgung überschüssigen Pflanzenmaterials. Anwalt Dr. Tolmein, SCM-Mitglieder und ACM-Vorstand machen sich dazu Gedanken. Die ACM rät Antragstellern vor überstürzten Alleingängen ab.

Schriftliche Urteilsbegründung liegt vor

Zu seinem wegweisenden Grundsatzurteil zum Eigenanbau von Cannabis hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jetzt seine schriftlichen Gründe vorgelegt.

Danach ist der Eigenanbau in aller Regel zu genehmigen, "wenn der Antragsteller an einer schweren Erkrankung leidet und ihm zur Behandlung der Krankheit keine gleich wirksame und für ihn erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung steht".

Wie berichtet hatte das Bundesverwaltungsgericht damit erstmals einem Patienten den Cannabis-Anbau zugebilligt. Der 52-Jährige leidet seit 30 Jahren an MS. Eine Alternative zur Schmerzbehandlung mit Cannabis besteht nach Überzeugung seiner Ärzte nicht. Für Medizinalhanf müsste er monatlich 1500 Euro aufbringen, was er nicht kann.

Nach den Leipziger Urteilsgründen liegt in solchen Fällen der Eigenanbau betäubungsmittelrechtlich "im öffentlichen Interesse". Wenn es keine anderweitigen Versagensgründe gibt, sei die Erlaubnis "zwingend". Kranke könnten sich hier auf ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit berufen.

Im Streitfall führe der Cannabis-Konsum "zu einer erheblichen Linderung". Eine ähnlich wirksame Alternative gebe es nicht. Der Kauf von Medizinalhanf in der Apotheke scheide in diesem Fall aus Kostengründen ebenfalls aus. Der Kläger könne diesen mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht finanzieren.

Seine Wohnung habe der Patient zudem so abgesichert, dass Unbefugte nicht auf die Cannabispflanzen zugreifen können. Der MS-Kranke selbst habe jahrelange Erfahrungen in der Cannabis-Eigentherapie hinsichtlich Wirksamkeit und Dosierung. Anbau und Therapie stünden zudem unter ärztlicher Kontrolle.

Presseschau: Cannabis im Eigenanbau ausnahmsweise erlaubnisfähig (Kanzlei Menschen und Rechte)

Hier einige Gedanken zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts des Anwalts des Klägers, Dr. Oliver Tolmein.

Cannabis im Eigenanbau ausnahmsweise erlaubnisfähig

Der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat heute eine wegweisende Entscheidung getroffen, die auch wenn das Urteil eine Einzelfallentscheidung darstellt für Patienten, die auf Cannabis als Medizin angewiesen sind, insgesamt von großer Bedeutung ist. Die Richter haben das Bundesamt für Arzneimittel verpflichtet dem Kläger eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen (3 C 10.14).

In den nächsten Tagen werden wir eine Handreichung für Patienten auf unserer Internetpräsenz veröffentlichen.

Damit ist das oberste deutsche Verwaltungsgericht der Revision des Klägers gefolgt, der von der Kanzlei Menschen und Rechte vertreten wird. Zwar hatten auch die Vorinstanzen, das VG Köln und das OVG NRW, dem Kläger, der 2000 seinen ersten Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zum Eigenanbau gestellt hatte, teilweise recht gegeben. Sie hatten entschieden, dass die Versagung der Erlaubnis zum Eigenanbau in dieser Form keinen Bestand haben konnte. Die Richterinnen und Richter der Tatsacheninstanzen waren aber der Auffassung, dass die Beklagte noch die Möglichkeit haben würde, ihr Ermessen auszuüben und deswegen nur verurteilt werden könnte, ermessensfehlerfrei zu entscheiden. Dagegen erkannte der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts an, dass im konkreten Fall des an Multipler Sklerose mit schweren Ataxien erkrankten Klägers die Erteilung der Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis wegen der von Art 2 Absatz 2 Satz 1 GG geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend vorgezeichnet ist, so dass das der Behörde eröffnete Ermessen „auf Null“ reduziert ist. Deswegen wurden die Urteile der Vorinstanzen entsprechend abgeändert. Die Die Revision der Beklagten, die darauf zielte den Eigenanbau ganz versagen zu dürfen wurde, abgewiesen.

Der 3. Senat führt damit seine Entscheidung von 2005 fort, die begründet hatte, dass auch die medizinische Versorgung einzelner Patienten im öffentlichen Interesse ist und damit eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtmG rechtfertigen kann. Ergebnis dieser Entscheidung ist, dass seitdem Ausnahmegenehmigungen von der Bundesopiumstelle ausgestellt werden, die den Patienten erlauben Cannabis über die Apotheke zu beziehen. Solche Genehmigungen wurden bislang etwa 600 Patienten erteilt. Allerdings können viele der Betroffenen sich die Kosten für Cannabis aus der Apotheke nicht leisten (je nach Bedarf betragen sie 600 bis 2000 EUR/Monat) und die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Cannabis auch nicht, wenn es aus der Apotheke bezogen wird. Deswegen stellt der Eigenanbau die einzige Möglichkeit für die schwerkranken Betroffenen dar, das benötigte Cannabis, das die einzige Behandlungsmöglichkeit darstellt auch tatsächlich zu erhalten.

Keine wichtige Rolle in dem Verfahren spielte der Gesetzentwurf mit dem Bundesgesundheitsminister Gröhe ermöglichen will, dass Ärztinnen und Ärzte Patienten Cannabis zu Lasten der GKV verordnen können. Das lag vor allem daran, dass der Gesetzentwurf an der konkreten Situation der Patienten in der nächsten Zeit nichts verändern wird: derzeit ist offen wann und mit welchen Regelungen er genau verabschiedet werden wird. Nach der Verabschiedung wird es zudem einige Zeit dauern, bis eine ausreichende Menge standardisierten Cannabis‘ zur Verfügung steht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass das BfArM die Möglichkeit hat, Nebenbestimmungen zur Eigenanbauerlaubnis zu erlassen. Diese Kompetenz ergibt sich aus § 9 Abs 2 Nr. 1 BtmG. Diese Nebenbestimmungen können sich vor allem auf die Sicherheit des Anbaus oder die Menge beziehen. Auch hier muss die BfArM aber die Rechtsauffassung des Gerichts berücksichtigen (und darf daher keine unangemessenen Auflagen erteilen, die den Eigenanbau faktisch unmöglich machen). Auch wenn die Entscheidung des BVerwG eine Einzelfallentscheidung ist, sind die dort erläuterten Grundsätze auch in anderen Verfahren zu beachten. Sie wird also eine Entscheidung sein, auf die sich Betroffene beziehen können, solange das erforderlich ist, weil sie Cannabis nicht zu Lastender GKV verordnet bekommen können. Insofern wird die aktuelle Entscheidung des BfArM vermutlich die Weiterentwicklung, Beratung und Verabschiedung des Gesetzentwurfes von Bundesgesundheitsminister Gröhe befördern.

Presseschau: Medizinisches Cannabis: Der Arzt erhält die Therapiehoheit (Deutsches Ärzteblatt)

Das Deutsche Ärzteblatt unterstreicht in seinem Titel eines Artikels über das geplante Gesetz der Bundesregierung seinen Kern. Zukünftig werden Ärzte und nicht eine Behörde darüber entscheiden, ob Patienten mit Cannabisblüten behandelt werden sollen oder nicht. Das ist wichtig, auch wenn die zuständige Behörde ihre Arbeit gut gemacht hat.

Medizinisches Cannabis: Der Arzt erhält die Therapiehoheit

Patienten, die von ihrem Arzt aus medizinischen Gründen Cannabis verordnet bekommen, sollten bei der Anwendung des Rezepturarzneimittels „nicht im Stich gelassen werden“. Sie brauchten eine eindeutige Gebrauchsanweisung auf dem Rezept inklusive der notwendigen Hilfsmittel. Das forderte Andreas Kiefer, Präsident der Bundes¬apothekerkammer (BAK), gestern bei einem Symposium der BAK zum Thema „Cannabis als Arzneimittel – Fakten und Herausforderungen“ in Berlin.

Hintergrund ist der Kabinettsgesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium(BMG) mit dem die Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit von weiteren Arzneimitteln auf Cannabisbasis sowie Medizinalhanf (Cannabisblüten und -extrakte) hergestellt werden soll („Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“). Patienten soll damit nach ärztlicher Indikation der Zugang zu Cannabis in pharmazeu¬tischer Qualität oder Rezepturarzneimitteln mit Dronabinol (teilsynthetisches THC) ermöglicht werden.

Eine beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte „Cannabisagentur“ soll sich um Anbau und Vertrieb kümmern. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, dass Patienten bei therapeutischer Notwendigkeit diese Arzneimittel von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet bekommen. Auch eine beglei¬tende anonymisierte Erhebung soll durchgeführt werden.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wird im April 2017 gerechnet. Doch schon jetzt erhal¬ten die Apotheken „extrem viele Anfragen“ zu Cannabis auf Rezept, berichtete Kiefer. „Wir klären unsere Kunden dann darüber auf, dass Cannabis kein Wundermittel ist, sondern ein Element einer rationalen Pharmakotherapie sein kann.“

Pharmazeutisch korrekte Anwendung und Dosierung vonnöten

„Ohne Rezepturvorschriften ist keine korrekte Dosierung für den Patienten möglich“, betonte der BAK-Präsident. Das Rauchen von Cannabis als Joint sei extrem problema¬tisch, denn die Dosis, die im Blut ankommt, sei stark uneinheitlich. Möglich sei aber die Inhalation von Cannabisblüten oder -extrakten mit einem Verdampfer oder auch die perorale Gabe. Die Kommission Deutscher Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur-Formularium (DAC/NRF) arbeitet zurzeit an Rezepturvorschriften, die eine pharmazeu¬tisch korrekte Anwendung und Dosierung von Cannabisblüten und -extrakten ermög¬lichen. Im Juni wurde zudem gerade eine DAC-Monographie „Cannabisblüten“ ver¬öffent¬licht. Diese Monographien bündeln das pharmazeutische Wissen zu dem jeweiligen Wirkstoff.

„Schmerzpatienten wird auch jetzt kein Wundermittel vorenthalten“, sagte Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft. Doch der Professor an der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Charité Campus Virchow Klinikumin Berlin, erlebt auch eine starke Zunahme an Patientenfragen nach medizinischem Cannabis. „Cannabis ist nur für Patienten geeignet, bei denen andere Medikamente keine ausreichende Linderung zeigen, die austherapiert sind“, erklärte Schäfer. Dies belegten systematische Übersichtsarbeiten, die auf die mangelnde Studienlage und Evidenz in der Anwendung von Cannabis zur Behandlung von Schmerzen, bei Spastizität, in der Palliativmedizin oder begleitend in der Krebstherapie hinweisen.

Presseschau: Hoher Bedarf wird erwartet (taz)

Die TAZ weist darauf hin, dass in Ländern mit einer Gesetzgebung, die die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubt, wie beispielsweise Kanada und Israel, die Anzahl der medizinischen Cannabisnutzer in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Dies kann auch für Deutschland erwartet werden.

Hoher Bedarf wird erwartet

Ab 2017 sollen Schwerkranke Cannabis-Therapien bekommen. Über die Herausforderungen debattiert die Bundesapothekerkammer.

Es ist noch nicht einmal beschlossen, wird aber schon detailreich diskutiert: Ab 2017 sollen Schwerkranke Cannabis zu Behandlungszwecken auf Kosten der Krankenkassen erhalten können. Das sieht ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor, der Anfang Mai vom Kabinett beschlossen worden war. Welche praktischen Herausforderungen sich daraus für Apotheker, Ärzte und Patienten ergeben, war am Dienstag Thema eines Symposiums der Bundesapothekerkammer (BAK).

Wenn man die alte Heilpflanze Cannabis wieder als Arzneimittel einführen wolle, brauche man klare Regeln, sagte BAK-Präsident Andreas Kiefer: „Bei Morphium drücken wir dem Patienten ja auch nicht nur die Mohnblüte in die Hand.“ Den Eigenanbau schloss er aus „Qualitätsgründen“ aus. Er forderte für Apotheker klare Regeln für Rezepturen und Dosierungen. „Deswegen sind Joints oder Kekse sind als Arzneimittel ungeeignet“, sagte er.

Hintergrund der Vorsicht sind die Erfahrungen mit aktuellen Ausnahmeregelungen: Derzeit gestattet das Betäubungsmittelgesetz, dass Schmerzpatienten, bei denen nachweislich keine andere Therapie mehr hilft, Cannabis verschrieben werden kann. Dabei entscheiden jedoch nicht Ärzte, sondern das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ob jemand Cannabis konsumieren darf, obwohl die Behörde den Patienten gar nicht kennt.

Über 700 Patienten – vor allem Schmerz-, aber auch ADHS- und Tourettepatienten – fallen inzwischen unter diese Ausnahmeregelung. „Wir sind der Meinung, dass Ausnahmen keine Dauerlösungen sein können“, sagte der Leiter der Bundesopiumstelle im BfArM, Peter Cremer-Schaeffer. Er kritisierte, dass die Ärzte Patienten bei ihrer Selbsttherapie nur „still begleiten“ könnten. „Das ist absurd und schiebt die Verantwortung den Patienten zu.“

Kassen sollen zahlen

Das neue Gesetz sieht vor, dass Ärzte Cannabisblüten und Cannabisextrakte selbst verschreiben dürfen. Um die Kosten von den Krankenkassen erstattet zu bekommen, muss der Patient jedoch voll austherapiert sein. Durch das neue Gesetz rechnen die Experten mit einem deutlich höheren Bedarf als bisher.

Organisieren und kontrollieren soll die Ausgabe von Cannabis künftig eine neu geschaffene Stelle innerhalb des BfArM. Diese sogenannte „Cannabisagentur“ wird die Pflanzen jedoch nicht selbst anbauen, sondern dafür einen Partner suchen.

Da das Gesetz voraussichtlich bereits Anfang 2017 in Kraft treten soll, muss Cannabis wohl zunächst importiert werden. Das geschieht bereits, vor allem aus Holland. Wie hoch der Bedarf letztlich sein wird, kann niemand sagen. In Kanada, wo ein ähnliches Gesetz bereits existiert, betrifft das rund 60.000 Patienten.

Für Fußpilz gibt's kein Cannabis

Cremer-Schaeffer betonte aber, dass in Zukunft genau geprüft werde, wer Cannabis als Arzneimittel bekomme: „Nicht jeder mit Fußpilz wird Cannabis bekommen. Sondern nur dann, wenn es wissenschaftlich sinnvoll ist.“

Wann eine Cannabis-Therapie medizinisch sinnvoll sein kann, erklärte Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft. Die Organisation hatte schon frühzeitig Gröhes Initiative unterstützt. In verschiedenen Studien habe man Aussagen Schäfers zufolge Patienten mit Placebo und Cannabis-Präparaten beobachtet. Das Ergebniss: Bei Patienten mit Nervenkrankheiten wie Multipler Sklerose oder Spastik verringern sich die Schmerzen massiv. Auch bei HIV- und Alzheimer-Patienten traten in Studien Verbesserungen auf. Bei Tumorpatienten hingegen konnte keine Besserung festgestellt werden. Schäfers Urteil: „Cannabis ist kein Wundermittel, aber manchen Schmerzpatienten hilft es.“

Presseschau: Heilkraut Hanf (Tagesspiegel)

Der Tagesspiegel nutzte den Aufhänger Cannabis als Medizin in der Fernsehsendung Lindenstraße, um über den aktuellen Gesetzentwurf zu berichten.

Heilkraut Hanf

Wenn nichts anderes mehr hilft, soll Cannabis einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zufolge künftig als Therapie von den Kassen bezahlt werden. Die Apotheker wollen das durch Rezepturvorschriften für Blüten und Extrakte flankieren.

Er hat erstmals seit Monaten ganze Nächte durchgeschlafen, seine Füße kribbeln nicht so unangenehm wie sonst, er isst mit Appetit wie lange nicht mehr: Das Kiffen hat dem Parkinson-Patienten neues Wohlbefinden gebracht. Doch sein Hausarzt, dem er begeistert von der Cannabis-Wirkung berichtet, kann ihm den Stoff nicht beschaffen. In seiner Not begibt sich der biedere Hans Beimer in den düstersten Ecken eines einschlägig bekannten Parks auf die Suche nach Dealern. Für den Stoff, den andere als Genussmittel gebrauchen, von dem er sich aber Linderung seiner chronischen Leiden verspricht.

So stellte sich die Lage in einer der letzten Folgen der TV-Serie „Lindenstraße“ dar, die den beziehungsreichen Titel „Hanf Beimer“ trug. Dass abendliche Joints das Zeug dazu haben, das Befinden eines schwer Parkinson-Kranken so verblüffend zu verbessern, muss man wohl als Ausdruck der künstlerischen Freiheit der Serien-Macher verbuchen. Die wissenschaftliche Studienlage gibt es jedenfalls nicht her.

In Deutschland ist bisher nur ein Präparat zugelassen

Dass es derzeit schwer ist, Cannabis zur Therapie einzusetzen, ist dagegen ein Faktum: In Deutschland ist nur ein Präparat, das Extrakte aus Blättern und Blüten der alten Kulturpflanze enthält, als Arzneimittel zugelassen. Das Spray mit dem Handelsnamen Sativex können sich Patienten mit Multipler Sklerose in die Mundhöhle sprühen, wenn sie unter mittelschweren bis schweren Krämpfen leiden. Es enthält Extrakte aus Cannabisblättern und -blüten und hat einen standardisierten Gehalt an Delta-9 –Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Unter den über 400 Inhaltsstoffen gelten diese Cannabinoide als für den medizinischen Einsatz besonders relevant.

Ein anderes Fertigarzneimittel namens Marinol darf von Apotheken bei Vorlage eines ärztlichen Rezepts aus Kanada und USA importiert werden. Mit einer speziellen Genehmigung der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) können Patienten, deren Arzt glaubhaft machen kann, dass keine anderen Möglichkeiten zur Behandlung ihrer Symptome bestehen, darüber hinaus Cannabis-Blüten aus der Apotheke beziehen. Bisher haben 779 Patienten eine solche Ausnahmeerlaubnis bekommen. Und nach einer Aufsehen erregenden gerichtlichen Entscheidung dürfen Kranke wie Hans Beimer auch Hanf auf dem häuslichen Balkon anbauen - sofern herkömmliche Mittel nicht helfen und Cannabis aus der Apotheke für sie unerschwinglich ist.

Eigenanbau? Das ist keine Alternative, sagen die Apotheker

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) lehnt das aus Gründen der Arzneimittelsicherheit entschieden ab. Wie bei allen pflanzlichen Produkten, die nicht unter standardisierten Bedingungen angepflanzt werden, schwankt schließlich die Konzentration der Wirkstoffe, zudem kann es Verunreinigungen geben. In der Antwort auf eine kleine Anfrage äußerte sich auch die Bundesregierung nach dem Urteilsspruch ablehnend gegenüber dem Eigenanbau.

Ein Kabinettsentwurf von Bundesgesundheitsminister Gröhe eröffnet nun neue Perspektiven: Ein eng eingegrenzter Kreis von Patienten soll Blüten oder Extrakte auf Kassenrezept bekommen können, begleitet von einer anonymisierten Erhebung zu Forschungszwecken, die zunächst 60 Monate dauern soll. Nach dem Vorbild anderer Länder ist zudem eine beim BfArM angesiedelte Cannabisagentur geplant, die den Anbau der Pflanzen zu medizinischen Zwecken regelt.

Das Rezept sollte den Gehalt der Leitsubstanzen THC und CHB nennen

„Wenn es den politischen Willen gibt, die alte Heilpflanze wieder in die Therapie einzubringen, muss die Qualität gesichert sein“, sagte jetzt bei einem Symposium der Bundesapothekerkammer deren Präsident Andreas Kiefer. Neben dem Gehalt an wirksamen Leitsubstanzen in der Pflanze selbst meint er damit auch deren Verarbeitung und nicht zuletzt Vorschriften zur Rezeptur. Die Kommission Deutscher Arzneimittel Codex/Neues Rezeptur Formularium (DAC/NRF) der Kammer hat jetzt einen Fachtext („Monographie) zu Cannabisblüten veröffentlicht. Sie wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Man wolle damit Qualitätsanforderungen definieren und auch Empfehlungen zu Darreichungsformen erarbeiten, so Kiefer. Bis das Gesetz in Kraft trete, könne man neue Rezepturvorschriften zum Inhalieren oder Einnehmen der Extrakte oder Blüten erarbeiten. „Joints und ‚Kekse‘ sind hier jedenfalls ungeeignet.“ Wichtig ist nach Ansicht der Apotheker aber auch, dass die ärztliche Verordnung, mit der der Patient in die Apotheke kommt, eine konkrete Sorte und einen bestimmten Gehalt an den Leitsubstanzen THC und CBD benennt. Selbst wenn noch nicht klar ist, ob das Zusammenspiel der verschiedenen anderen Substanzen einen Teil der Wirkung ausmacht – wie das auch von anderen pflanzlichen Arzneimitteln immer wieder berichtet wird.

Gegen spastische Lähmungen und Gewichtsverlust

Die Ausnahmegenehmigungen sind nach Auskunft von Peter Cremer-Schaeffer, Leiter der Bundesopiumstelle, bisher vorwiegend für Menschen mit starken Schmerzen beantragt worden, aber auch gegen Appetitlosigkeit von Krebskranken oder gegen Symptome von MS und dem Tourette-Syndrom. Das geplante neue Gesetz sieht Cremer-Schaeffer nur als Übergangslösung. Langfristig brauche man geprüfte und zugelassene Fertigarzneimittel auf der Basis von Cannabis. „Der Sonderweg sollte wieder in einen normalen Weg münden.“

Gute klinische Studien, die die Voraussetzung dafür wären, fehlen allerdings nach wie vor. Auch wenn aus der Grundlagenforschung immer wieder Daten kommen, die optimistisch stimmen. Im Februar-Heft der Fachzeitschrift „Der Schmerz“ sind die bisherigen Erkenntnisse zu den Cannabinoiden zusammengetragen. Dass sich spastische Lähmungen bei MS bessern können, ist nachgewiesen, ebenso, dass HIV-und Alzheimer- Patienten unter der Therapie an Gewicht zulegen. Gegen Schmerzen, Brechreiz und Übelkeit von Tumor-Patienten wirke Cannabis dagegen nur mäßig und schlechter als andere Mittel, so Charité-Anästhesist Michael Schäfer.

Der Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft begrüßte die Initiative der Bundesregierung trotzdem. „Als Ärzte sehen wir immer wieder Einzelschicksale, die von Cannabis durchaus profitieren könnten.“ Nicht ausgeschlossen, dass Hans Beimer aus der „Lindenstraße“ einer dieser Einzelnen ist.

Bionorica bezeichnet Patienten, die in den USA medizinisches Cannabis verwenden dürfen, als Freizeitkonsumenten

Das pharmazeutische Unternehmen Bionorica, das in Deutschland Dronabinol herstellt und verkauft, wird in einem Artikel der Ärztezeitung ausführlich zum geplanten Gesetz der Bundesregierung zitiert.

Das Unternehmen behauptet, dass der überwiegende Teil des medizinischen Cannabis in den USA „eher dem Freizeitkonsum zuzurechnen ist“. Zudem seien in Deutschland die „durchschnittlichen Therapiekosten von Dronabinol mehr als die Hälfte günstiger“ als die Versorgung mit Cannabisblüten.

„Solche Äußerungen sind wenig hilfreich. Die Diffamierung von Patienten, die in den USA Cannabisblüten aus medizinischen Gründen verwenden, als Freizeitkonsumenten ist unsachlich“, erklärt Dr. Franjo Grotenhermen. „Die Situation in verschiedenen Staaten der USA ist unterschiedlich. Zum Teil sind die Gesetze sehr restriktiv. Kalifornische Verhältnisse sind die Ausnahme und nicht die Regel. Eine solche Äußerung im Zusammenhang mit der deutschen Gesetzgebung ist darüber hinaus völlig verfehlt. Auch die Aussage zu den Therapiekosten zeugt von Unkenntnis von dem, was in der ärztlichen Praxis tatsächlich passiert. Das sage ich als jemand, der viel Erfahrung mit der Verschreibung von Dronabinol, Sativex und der Begleitung von Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten hat. Patienten, die hohe Dronabinol-Tagesdosen von 50 mg, 100 mg oder mehr benötigen, können unmöglich mit reinem Dronabinol behandelt werden, sondern benötigen aus Kostengründen Cannabisblüten. Diese überflüssigen Aussagen von Bionorica können sich für das Unternehmen nur als Bumerang erweisen.“

Hier ein einfaches Rezept zur Herstellung von Dronabinolöl: Man nehme 5 g zerkleinerte Cannabisblüten der Sorte Bedrocan mit einem THC-Gehalt von 22 %, also insgesamt 5 x 220 mg Dronabinol. Man gebe diese Blüten in 100 ml Olivenöl (oder ein anderes Speiseöl) und erhitze das Öl eine Stunde lang im kochenden Wasserbad auf 100 Grad Celsius. Danach Pflanzenteile abseien, und das Öl in eine Tropfflasche aus der Apotheke abfüllen. Man erhält damit zum Preis von etwa 80 Euro einen Cannabisextrakt mit etwa 1000 mg Dronabinol, das in der Apotheke etwa 800 Euro kosten würde.

Cannabis auf Rezept könnte 2017 kommen

Cannabis auf Kosten der Krankenkassen: Das plant die Bundesregierung für Schwerkranke zur Schmerzenslinderung. Voraussetzung soll eine ärztliche Verordnung sein. Darf man dann auch selbst Hanf anbauen?

Wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Recht behält, werden schwerkranke Patienten spätestens im Frühjahr 2017 die Möglichkeit haben, Cannabis vom Arzt auf Kassenrezept (BtM-Rezept) verordnet zu bekommen. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt, hat Gröhe jedenfalls im Mai postuliert, wird das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft treten.

Den Anfang zumindest hat das Kabinett gemacht und den Gesetzentwurf beschlossen. Vorangegangen waren ein langer politischer Diskussionsprozess und langwierige juristische Auseinandersetzungen um Ausnahmegenehmigungen für den Eigenanbau von Medizinalhanf durch schwerkranke Patienten.

Schließlich entschied Anfang April dieses Jahres das Bundesverwaltungsgericht, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einem an Multipler Sklerose erkrankten Mann eine Ausnahmegenehmigung zum Eigenanbau erteilen muss.

Eigenanbau soll verboten bleiben

Eigenanbau durch Patienten - genau das will die Bundesregierung nicht, wie aus dem Gesetzentwurf zu lesen ist. Auf der anderen Seite sind die Behandlungskosten von mehreren 100 bis 1800 Euro pro Monat so hoch, dass sie die finanziellen Möglichkeiten der Patienten in der Regel übersteigen.

Es besteht also Handlungsbedarf, da mittlerweile unstrittig ist, dass Cannabis bei manchen Indikationen, vor allem in der Schmerztherapie oder auch nach Chemotherapien bei Krebs, wenn andere Therapien nicht mehr wirken, den Zustand deutlich verbessern kann.

Wann erhalten Patienten Cannabis?

Voraussetzungen für die Verordnung von Cannabis laut Gesetzentwurf:

Es muss sich um eine schwerwiegende Erkrankung handeln.

Es gibt keine Alternative zur Behandlung mit Cannabisarzneimitteln.

Es besteht die Aussicht auf eine spürbare positive Beeinflussung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome.

Die Patientin oder der Patient nimmt an einer anonymisierten Begleitforschung teil.

Anbau wird vom Staat überwacht

Als Cannabis-Arzneimittel kommen laut Gesetzentwurf getrocknete Blüten oder Extrakte in standardisierter Qualität und Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon in Frage. Den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken soll eine vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überwachte staatliche Cannabisagentur koordinieren.

Beabsichtigt ist, dass durch den Gesetzentwurf mehr als die bislang 647 Patienten mit Ausnahmeerlaubnis von der Cannabistherapie profitieren können. Wie viele Patienten tatsächlich dafür in Frage kommen, wird unterschiedlich eingeschätzt, es kursieren Zahlen von bis zu 800.000 Patienten. Die Verordnung liegt jedenfalls beim Arzt, wobei die Cannabistherapie zunächst nach Prüfung des Medizinischen Dienstes von der Krankenkasse genehmigt werden muss.

Apotheker und Pharmaunternehmen begrüßen die Freigabe

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßt die Gesetzesinitiative der Bundesregierung. In der Kommission des DAC/NRF (Deutscher Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur-Formularium) werde derzeit an Qualitätsanforderungen und Empfehlungen zur Darreichungsform gearbeitet, heißt es in einer Mitteilung.

Auch der Phytotherapeutika-Hersteller Bionorica begrüßt die zu erwartende Verbesserung der Versorgung von Schwerstkranken mit den Wirkstoffen aus der Hanfpflanze, so das Unternehmen auf Anfrage. Aus pharmazeutischer Sicht sei die Abgabe von getrockneten Blüten aber "nicht der ideale Weg, da dabei automatisch Freizeitkonsum und therapeutischer Einsatz vermischt werden". Das könne man auch an den USA sehen, wo der ganz überwiegende Teil des sogenannten "medical cannabis" eher dem Freizeitkonsum zuzurechnen ist.

Daher sprächen sich alle relevanten ärztlichen Fachverbände für die Verwendung von standardisierten Extrakten und magistralen Rezepturen aus, wie sie Bionorica seit 2002 in Form von Dronabinol für den therapeutischen Einsatz anbiete. Das Unternehmen benötige aber weitere Konkretisierungen über "den Umfang dieses Projektes, um die Versorgung der Patienten sicherstellen zu können".

Positiv sieht Bionorica die Erleichterungen beim kontrollierten Anbau von Cannabis, da Cannabisblüten als Rohstoff für die Herstellung qualitativ hochwertiger und vor allem sicherer Cannabismedikamente weiter an Bedeutung gewinnen werden. "Die wissenschaftliche Begleitforschung wird sicher dazu beitragen, dass die Debatte um den Nutzen von Cannabis und Cannabinoiden wieder rationaler und stärker patientenorientiert verläuft, als das in der Vergangenheit der Fall war", heißt es weiter.

Bionorica verweist weiter darauf, dass "die durchschnittlichen Therapiekosten von Dronabinol mehr als die Hälfte günstiger sind als die Versorgung mit Cannabisblüten, obwohl die Auflagen für uns als pharmazeutischer Hersteller und die qualitativen Anforderungen beträchtliche Kosten verursachen". Letztlich werde die Begleitforschung auch darüber Aufschluss geben können, warum die therapeutisch benötigten Mengen an THC in den Cannabisblüten gut 10 bis 30 Mal höher liegen, als dies beim therapeutischen Einsatz von Dronabinol in der Regel der Fall sei.

Presseschau: Patienten bei Cannabis-Anwendung nicht im Stich lassen (ptext.net)

Mehrere Beiträge der vergangenen zwei Wochen berichteten über ein Symposium der Bundesapothekerkammer zum geplanten Gesetz.

Patienten bei Cannabis-Anwendung nicht im Stich lassen

Patienten, die aus medizinischen Gründen Cannabis brauchen, dürfen bei der Anwendung des Arzneimittels nicht im Stich gelassen werden. Das ist eine zentrale Botschaft des Symposiums "Cannabis als Arzneimittel - Fakten und Herausforderungen", das die Bundesapothekerkammer heute in Berlin veranstaltet hat. "Wenn Cannabis von Ärzten verordnet und von Apothekern als Rezepturarzneimittel abgegeben wird, dann brauchen die Patienten auch eine eindeutige Gebrauchsanweisung inklusive der notwendigen Hilfsmittel", sagte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer.

"Das Rauchen von Cannabis als 'Joint' ist problematisch, denn die Dosis, die im Blut ankommt, ist nicht reproduzierbar. Dadurch macht sich jeder Patient selbst zum Versuchskaninchen, und das jedes Mal wieder. Das ist mit einer modernen und wissenschaftlich fundierten Arzneimitteltherapie unvereinbar", sagte Kiefer. Er ist auch Vorsitzender der Kommission Deutscher Arzneimittelcodex/ Neues Rezepturformularium (DAC/NRF). "Wir arbeiten an Rezepturvorschriften, die eine pharmazeutisch korrekte Anwendung und Dosierung von Cannabisblüten und -extrakten ermöglichen."

"Cannabis ist kein Wundermittel und nur für Patienten geeignet, bei denen andere Medikamente keine ausreichende Linderung zeigen. Dies belegen systematische Übersichtsarbeiten, die auf die mangelnde Studienlage und Evidenz in der Anwendung von Cannabis zur Behandlung von Schmerzen, bei Krämpfen, in der Palliativmedizin oder begleitend in der Krebstherapie hinweisen", sagte Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Beim heutigen Symposium der Bundesapothekerkammer diskutierten Ärzte und Apotheker über verschiedene Aspekte zur medizinischen Cannabis-Anwendung, z.B. die aktuelle Rechtslage, Qualitätskriterien der Rezepturarzneimittel sowie Forschungsbedarf hinsichtlich der Wirksamkeit der Pflanze und ihrer Extrakte.

Presseschau: Patienten bei Cannabis-Anwendung nicht im Stich lassen (ABDA)

Die Bundesapothekerkammer macht Vorschläge zur Einnahme von Cannabisprodukten, die zum Teil eher auf theoretischen Überlegungen als auf praktischen Erfahrungen beruhen. Die ACM wird auf der Grundlage der Erfahrungen von Ärzten und Patienten zu gegebener Zeit ebenfalls Vorschläge machen.

Patienten bei Cannabis-Anwendung nicht im Stich lassen

Patienten, die aus medizinischen Gründen Cannabis brauchen, dürfen bei der Anwendung des Arzneimittels nicht im Stich gelassen werden. Das ist eine zentrale Botschaft des Symposiums „Cannabis als Arzneimittel – Fakten und Herausforderungen“, das die Bundesapothekerkammer heute in Berlin veranstaltet hat. „Wenn Cannabis von Ärzten verordnet und von Apothekern als Rezepturarzneimittel abgegeben wird, dann brauchen die Patienten auch eine eindeutige Gebrauchsanweisung inklusive der notwendigen Hilfsmittel“, sagte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer.

„Das Rauchen von Cannabis als ‚Joint‘ ist problematisch, denn die Dosis, die im Blut ankommt, ist nicht reproduzierbar. Dadurch macht sich jeder Patient selbst zum Versuchskaninchen, und das jedes Mal wieder. Das ist mit einer modernen und wissenschaftlich fundierten Arzneimitteltherapie unvereinbar“, sagte Kiefer. Er ist auch Vorsitzender der Kommission Deutscher Arzneimittelcodex / Neues Rezepturformularium (DAC/NRF). „Wir arbeiten an Rezepturvorschriften, die eine pharmazeutisch korrekte Anwendung und Dosierung von Cannabisblüten und -extrakten ermöglichen.“

„Cannabis ist kein Wundermittel und nur für Patienten geeignet, bei denen andere Medikamente keine ausreichende Linderung zeigen. Dies belegen systematische Übersichtsarbeiten, die auf die mangelnde Studienlage und Evidenz in der Anwendung von Cannabis zur Behandlung von Schmerzen, bei Krämpfen, in der Palliativmedizin oder begleitend in der Krebstherapie hinweisen“, sagte Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Beim heutigen Symposium der Bundesapothekerkammer diskutierten Ärzte und Apotheker über verschiedene Aspekte zur medizinischen Cannabis-Anwendung, z.B. die aktuelle Rechtslage, Qualitätskriterien der Rezepturarzneimittel sowie Forschungsbedarf hinsichtlich der Wirksamkeit der Pflanze und ihrer Extrakte.

Presseschau: Cannabis bleibt was für den Einzelfall (Deutsche Apotheker Zeitung)

Mit einer These, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich durch Patienten und Ärzte widerlegt wird, betitelt die Deutsche Apotheker Zeitung einen Beitrag über das Symposium der Bundesapothekerkammer. Die These, nach der Cannabis etwas über den Einzelfall ist, galt in Israel und Kanada wie gegenwärtig in Deutschland nur einige Jahre, bevor das Potenzial der Pflanze und ihrer Inhaltsstoffe vollständig von der Bevölkerung und den im Gesundheitswesen Beschäftigten erkannt wurde.

Cannabis bleibt was für den Einzelfall

Derzeit bereitet die Bundesregierung ein Gesetz vor, das Cannabis für manche Patienten als Kassenleistung erstattungsfähig machen soll. Dennoch wird Cannabis nicht zum Arzneimittel für die breite Masse, so das Fazit eines Symposiums der Bundesapothekerkammer (BAK) am heutigen Dienstag in Berlin.

Unter welchen Umständen können Patienten Cannabis zur Schmerztherapie einsetzen? Derzeit sind „Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen“ der Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zugeordnet und damit in Deutschland nicht verkehrsfähig. Das soll sich mit dem neuen „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ ändern. Gelistet in Anlage III könnten Zubereitungen aus Cannabis sativa zukünftig von einem Arzt verordnet werden.

Momentan benötigen Patienten noch eine Sondergenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), um eine medizinisch betreute und begleitete Selbsttherapie durchführen zu können. Die Kosten trägt der Patient. „Die finanzielle Situation des Patienten darf keinen Einfluss auf die Versorgung haben“, mahnte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. Mit dem neuen Gesetz hätten Versicherte einen Anspruch auf Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen.

Cannabis kein Wundermittel

Derzeit haben knapp 800 Patienten eine Ausnahmegenehmigung erwirkt. Über die Indikationen gibt es keine systematischen Datenerhebungen. Geschätzt handelt es sich bei zwei Dritteln um Schmerzpatienten, einige wenden es an bei Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), Tourette-Syndrom und Appetitlosigkeit im Zusammenhang mit einer Chemotherapie.

Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft, dämpfte die mit dem neuen Gesetz einhergehenden Erwartungen: „Cannabis ist kein Wundermittel und nur für Patienten geeignet, bei denen andere Medikamente keine ausreichende Linderung zeigen“. Bislang fehlt es an klinischen Studien, die Evidenz für die einzelnen Indikationen ist eher moderat.

Rücksprache bei Erstverordnung

Zu genauen Prognosen, wie viele Patienten im nächsten Jahr von der neuen Therapieoption profitieren werden, ließen sich die Diskussionsteilnehmer des Symposiums am Ende jedoch nicht hinreißen. Eine gesteigerte Nachfrage gibt es schon jetzt – auch in Apotheken. Derzeit brauchen Apotheken eine Sondergenehmigung, um Patienten mit Cannabis-Zubereitungen versorgen zu dürfen.

Erfolgt der Switch in die Verkehrsfähigkeit, könnten zukünftig alle Apotheken mit Rezepten konfrontiert werden. Bei Erstverordnung sollte dann in jedem Fall Rücksprache mit der Krankenkasse gehalten werden, um sich in Kostenfragen abzusichern, empfiehlt Kiefer.

Presseschau: Als Rezepturarznei zum Inhalieren oder Trinken (Ärztezeitung)

Der Leiter der Bundesopiumstelle, Dr. Cremer-Schaeffer wies beim Symposion der Bundesapothekerkammer darauf hin, dass die gegenwärtige Zahl von Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis keine Ausnahme mehr darstelle.

Als Rezepturarznei zum Inhalieren oder Trinken

Als Rezepturarznei zum Inhalieren oder Trinken

Ab 2017 könnte es Cannabis-haltige Arzneimittel auf Kassenkosten geben. Das wird für Patienten einiges einfacher machen - ein Cannabis-Boom ist unwahrscheinlich.

Das derzeit als Kabinettsentwurf vorliegende "Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" zielt darauf ab, Cannabis-Präparate bei "schwerwiegenden" Erkrankungen regulär verschreibungsfähig zu machen, sofern keine Alternative verfügbar ist.

Damit soll eine Regelung abgelöst werden, bei der das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) patientenindividuell eine Ausnahmeerlaubnis für den Erwerb von Cannabis nach Paragraf 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz erteilen muss.

Praktisch umgesetzt werden soll das Ganze über Rezepturarzneimittel, für die die Apotheker jetzt vier Rezepturvorschriften erarbeiten. Diese müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass Cannabis-Wirkstoffe erst durch Hitzeeinwirkung aktiviert werden.

Joints und Kekse seien als Applikationswege ungeeignet, weil deren Dosis zu stark schwanke, sagte der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Dr. Andreas Kiefer bei einem BAK-Symposium am Dienstag in Berlin.

In der Diskussion sind deswegen abgeteilte Cannabisblüten und -extrakte zur Inhalation mit einem Verdampfer, außerdem abgeteilte Cannabisblüten und -extrakte zur peroralen Gabe, wobei bei den Blüten an ein Dekokt, eine Art Teezubereitung, gedacht wird.

Kiefer lobte die Intention des Gesetzgebers, den Eigenanbau durch Patienten zu unterbinden: "Beim Morphium drücken wir den Patienten auch keinen Schlafmohn in die Hand und lassen sie ihre Schmerztherapie alleine machen."

"779 Patienten sind keine Ausnahmen mehr"

Auch der Leiter der Bundesopiumstelle beim BfArM, Dr. Peter Cremer-Schaeffer, begrüßte das Vorhaben: "Aktuell haben 779 Patienten Ausnahmegenehmigungen. Das sind keine Ausnahmen mehr."

Das derzeitige Bewertungsprozedere, bei dem das BfArM auf Basis von Akten entscheidet, ob die Genehmigung erteilt wird, sieht Cremer-Schaeffer sehr kritisch: "Wir können das gar nicht umfassend beurteilen, weil es kein tragfähiges Arzt-Patienten-Verhältnis gibt."

Die interessante Frage der nächsten Jahre wird sein, wie sich der einfachere Zugang zu Cannabis-Rezepturen inklusive Kostenerstattung durch die GKV auf den Konsum von medizinischem Cannabis auswirken wird.

Szenarien, wonach bis zu 800.000 Patienten als Zielgruppe in Frage kommen, hielten die bei einem Symposium der Apothekerkammer zusammengekommenen Experten für übertrieben.

"Das ist sicher kein Arzneimittel, auf das wir gewartet haben. Es gibt gerade bei Schmerzpatienten viele Optionen. Cannabis kann da ein Baustein sein, aber im Gesamtkonzept einer Therapie", betonte Cremer-Schaeffer.

50-prozentige Schmerzlinderung erreiche niemand

Auch der Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft, Professor Michael Schäfer, äußerte sich eher zurückhaltend. Die meiste Evidenz in der Schmerztherapie gebe es derzeit beim neuropathischen Schmerz mit 15 randomisierten, placebokontrollierten Studien und insgesamt 1619 Patienten.

Die Number-needed-to-treat für eine mindestens 30-prozentige Schmerzreduktion liege hier bei 14, deutlich höher als bei anderen Schmerzmitteln.

Eine 50-prozentige Schmerzlinderung erreiche niemand. Und unerwünschte Wirkungen wie Müdigkeit, Schwindel und Gangunsicherheit seien häufige Gründe für einen Therapieabbruch.

Nur eine geringe Rolle spielt Cannabis Schäfer zufolge bisher bei der in politischen Diskussionen oft als Anwendungsgebiet genannten Palliativtherapie.

Neben der analgetischen Wirkung könnte hier theoretisch auch eine antikachektische Wirkung zum Tragen kommen. Überzeugende Studien dazu fehlten allerdings.

Bei Spastizität und damit zusammenhängenden Schmerzen, dem zweiten großen Anwendungsgebiet von Cannabis, gibt es Schäfer zufolge 14 randomisierte Studien mit 2280 Patienten.

Einige davon zeigten klare Effekte, vor allem bei Multiple Sklerose, in der Summe werde die Signifikanz aber verfehlt. "Cannabis dürfte eher in Einzelfällen zum Einsatz kommen, wenn Patienten anderweitig austherapiert sind", so der Schmerzmediziner.

Begleitforschung über 60 Monate

Die Frage ist, ob die Zahl der Patienten am Ende ausreicht, um jene Entwicklung anzustoßen, die von der Bundesopiumstelle als wünschenswert angesehen wird. Die Rezepturregelung sei aus seiner Sicht eine Übergangslösung, so Cremer-Schaeffer.

Langfristiges Ziel sollten geprüfte und zugelassene Fertigarzneimitteln sein. Auf dem Weg dorthin wird das BfArM gemäß Gesetzentwurf eine Begleitforschung organisieren, bei der über 60 Monate Indikationen, Dosierung, Sicherheit und Wirksamkeit der Cannabis-Rezepturen evaluiert werden sollen.

Auch von den Ergebnissen dieser Evaluation wird es abhängen, ob Cannabis wirklich zu einem ganz normalen Arzneimittel wird.

Presseschau: Crowdfunding für Cannabis als Medizin erzielt 20.000 $ (PresseBox)

Das zweimonatige Crowdfunding für die Medical Cannabis Declaration (MCD) erzielte etwa 20.000 US-Dollar. Das stellt eine gute Grundlage dar, um das Projekt weiter fortzuentwickeln. Die Forderung der MCD zielt darauf ab, dass alle Patienten, die eine Behandlung mit Cannabis benötigen, unabhängig von Wohnort bzw. Land ein Anrecht auf einen entsprechenden Zugang bekommen.

Crowdfunding für Cannabis als Medizin erzielt 20.000 $

Medical Cannabis Declaration (MCD) finanziert Videos, Online-Kurse, Pressemitteilungen und eine neue Homepage in mehreren Sprachen durch Crowdfunding auf Indiegogo

Von Ärzten und Patienten gemeinsam gegründet, arbeitet die Medical Cannabis Declaration (MCD) eng mit anderen internationalen Verbänden, Fachleuten und Patientenvereinigungen zusammen, um ein weltweites Netzwerk von Fürsprechern von Cannabis als Arzneimittel aufzubauen. Der gemeinnützige Verein macht Informationen zu medizinischen Anwendungen von Cannabis frei zugänglich und tritt für das Recht von Patienten auf Zugang zu diesem Naturheilmittel ein.

MCD dankt den 130 Unterstützern für 20.000 $ Spenden und dem nova-Institut für das professionelle Management der Kampagne. Mit dem erreichten Budget wurden unmittelbar zwei Videos zu Cannabis als Medizin und sechs kostenlose Online-Kurse in mehreren Sprachen finanziert, alles Bestandteil der Bemühungen des Vereins, Cannabis als Medizin in all seinen Facetten näher zu beleuchten. Zusätzlich wurden neun Pressemitteilungen zu Themen wie „Wie wirkt Cannabis als Medizin?“, „Cannabis tötet Krebszellen ohne gesunde Zellen zu schädigen“, „Cannabis hilft bei psychischen Erkrankungen“ und „Cannabis im Einsatz gegen seltene Krankheiten“ veröffentlicht.

Alle Inhalte sind auf der Webseite des Vereins frei zugänglich. Die Crowdfunding-Kampagne lief vom 19. April bis 18. Juni; weitere Spenden sind willkommen und können direkt auf der Webseite getätigt werden. Die Gelder werden zum weiteren Ausbau der Informationskampagne zu Cannabis als Medizin sowie zum Ausbau des Kontaktnetzwerks des Vereins für medizinische Fachleute und Patienten verwendet. Medical Cannabisi Declaration

Cannabis wird erfolgreich zur Behandlung von Multiple Sklerose, Appetitlosigkeit und Übelkeit während Chemotherapie, Epilepsie, chronischen Schmerzerkrankungen, schwerer Depression, posttraumatischer Belastungsstörung oder chronischen Entzündungskrankheiten eingesetzt. Ein Ziel der Aufklärungs-Kampagne besteht darin, Patienten einen besseren Zugang zu Cannabis als Medizin zu ermöglichen. Nur etwa zehn von 200 Ländern auf dieser Welt ermöglichen ihren Bürgern eine medizinische Nutzung von Cannabis. Weitere 20 Länder haben gesetzliche Grundlagen, die Cannabis-basierte Medikamente in Sonderfällen ermöglichen und in über 150 Ländern gibt es weiterhin keinen legalen Zugang zu dieser Medizin.

Besonderer Dank gilt den Platinum-Spender der Crowdfunding-Kampagne Dr Bronner’s (USA), dem Gold-Spender MH medical hemp (Deutschland) und den Silber-Spendern Canah (Rumänien), CBDepot.eu (Slowakei), Green Snake Hemp Juice (Deutschland) und HempConsult (Deutschland).Weitere Spender sind sehr willkommen.

Über Medical Cannabis Declaration e.V. (MCD)

Eine Gruppe aus Medizinern und Patienten hat den gemeinnützigen Verein „The Cannabis Delcaration (MCD)“ gegründet, um die Anerkennung von Cannabis als Medizin zu fördern und als medizinisches Recht einzufordern.

Der gemeinnützige Verein MCD wurde von weltweit führenden Medizinern und Patienten am 16. Februar 2013 in Rüthen ins Leben gerufen, die davon überzeugt sind, dass der Zugang zu Cannabis als Medizin nicht durch Geographie bestimmt sein sollte. Ziel ist die weltweite Förderung der sicheren und regulären Verschreibung und Nutzung von Cannabis als Medizin. MCD ist Teil einer wachsenden Bewegung, die die negative Wahrnehmung von Cannabis ändern und die Anerkennung seines medizinischen Nutzens sicherstellen will. Die MCD stützt sich ausschließlich auf wissenschaftliche Studien zur medizinischen Nutzung der Cannabispflanze.

Presseschau: Grün ist die Hoffnung (Spiegel.de)

Der Spiegel berichtet in der neuesten Ausgabe auf vier Seiten über das ökonomische Interesse an dem Markt für medizinisches Cannabis in Deutschland. Wir können hier nur die ersten Absätze des Artikels dokumentieren.

Grün ist die Hoffnung

Die Bundesregierung will den Anbau von Cannabis für Schmerzpatienten vom nächsten Jahr an auch in Deutschland zulassen. Unternehmer wittern das große Geschäft.

Rechts¬an¬walt Scholz: „Es geht um eine Art Men¬schen¬recht“

Die Reifen knirschen auf dem Schotter, als Jürgen Scholz vor dem verlassenen Hof hält, der einmal seine Zukunft werden soll. „Muckelig hier, oder?“, ruft er und springt aus dem Auto, läuft durch die Scheune, an der alten Steinmauer vorbei und bleibt schließlich zwischen Wacholderbüschen und Disteln auf einem breiten Acker stehen. „Das ist es also“, sagt Scholz, atmet tief ein und breitet die Arme aus.

Es ist ein perfekter, ein abgeschiedener Ort. Auf dem Feld zur Rechten hat ein Bauer Kohl angepflanzt, zur Linken säumen Kiefern den Weg. Und wenn alles so kommt, wie es kommen soll, dann wird in einem Glashaus in der Mitte bald etwas wachsen, was in diesem Land ganz legal noch auf keinem Feld wuchs: Marihuana. Auf diesem Acker, irgendwo im Umland von Hannover, plant Scholz eine Cannabisplantage. Bei dieser ungefähren Ortsangabe muss es erst einmal bleiben. Scholz hat darum gebeten. Man wisse ja nie, sagt er. Wie die Nachbarn so ticken. Und wie der Heimatverein reagiert. An Cannabisbauern muss man sich hierzulande noch gewöhnen.

Vom nächsten Jahr an könnte in der Bundesrepublik erstmals legal Marihuana angebaut werden. Ein neues Gesetz soll dafür sorgen, am nächsten Donnerstag wird es im Parlament beraten. Es geht dabei nicht um Haschkonsum für jedermann, es geht um Medizin und ein Stück Hoffnung für Schwerstkranke und Patienten, denen sonst nichts mehr hilft. Sie sollen in der Apotheke Gras und Cannabisarzneien kaufen können – ganz legal und auf Kassenrezept. Glaubt man den Experten, könnte die Nachfrage gewaltig sein. Die Vorsichtigen rechnen mit Zehntausenden potenziellen Patienten, die Visionäre mit Hunderttausenden.

Das Interesse sei „total breit“, wie Hanflobbyisten sagen, und das gilt vor allem für die Unternehmer. Agrarexperten und Ärztekooperativen, Pharmaunternehmen und Legalisierungsaktivisten wollen in den Cannabisanbau einsteigen. Im Bundesgesundheitsministerium häufen sich die Anrufe ambitionierter Hobbyzüchter, die wissen wollen, wie viel sie denn nun für ihr Grünzeug aus liebevollem Heimanbau verlangen dürfen und wo sie die Ware abliefern können. Selten hat ein Gesetz so viele Fantasien geweckt.(…)