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ACM-Mitteilungen vom 9. April 2016

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Bundesverwaltungsgericht erlaubt Eigenanbau für einen Erlaubnisinhaber und kritisiert damit die bisherige Praxis

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 6. April 2016 einem 52-jährigen MS-Patienten aus Mannheim recht gegeben, in dem es das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verpflichtet hat, diesem eine Ausnahmeerlaubnis für den Eigenanbau von Cannabisblüten zu erteilen (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts).

Damit hat sich die Bundesregierung die erwartete Klatsche vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht eingeholt (siehe: Das Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz: Warum die Bundesregierung endlich aufhören sollte, nur gerichtlich erzwungene Verbesserungen vorzunehmen). Dies impliziert eine grundsätzliche Kritik an der bisherigen Praxis der Ablehnung von Anträgen auf einen Eigenanbau, wie dies seit Jahren von der ACM formuliert wird.

„Mich hat es gewundert, dass die Bundesregierung mit der Verabschiedung des geplanten Gesetzes so lang gewartet hat, bis das Bundesverwaltungsgericht erneut nach 2005 deutlich macht, dass die Regierung mit ihrer gegenwärtigen Rechtspraxis gegen das Gebot der körperlichen Unversehrtheit von Bundesbürgern verstößt,“ erklärte Dr. Franjo Grotenhermen von der ACM. „Das Urteil wird zusammen mit den gewonnenen Strafprozessen von Erlaubnisinhabern ein Katalysator für die Verabschiedung und Umsetzung des geplanten Gesetzes sein. Ich hoffe, dass das Gesetz nun so intelligent formuliert wird, dass es keiner weiteren juristischen Verfahren von Patienten gegen die Bundesregierung bedarf, um ein einfaches und grundsätzliches Recht, nämlich das auf eine optimale Therapie von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland mit Cannabis-basierten Medikamenten, durchzusetzen.“

In diesem Zusammenhang weist die ACM auf vier grundlegende Forderungen hin, die in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf formuliert wurden. Dazu zählen:

1. Neben pharmakologischen Therapieverfahren gibt es bei vielen Erkrankungen auch chirurgische Therapieoptionen, die oft mit schweren Risiken verbunden sein können. Die ACM ist daher der Auffassung, dass wenn mit Cannabis-basierten Medikamenten eine befriedigende konservative Therapie möglich ist, die Durchführung invasiver Therapieverfahren keine Voraussetzung für eine Kostenübernahme von Cannabis-Medikamenten durch die Krankenkassen sein darf.

2. Es gibt Erkrankungen, bei denen viele verschiedene Standardtherapien zur Verfügung stehen. Es kann Fälle geben, bei denen das Ausprobieren der verschiedenen Standardtherapien mehrere Monate oder gar Jahre dauern kann, während bereits bekannt ist, dass Cannabis-basierte Medikamente eine gute Wirksamkeit entfalten. In dieser langwierigen Probierphase, in der der betroffene Patient unzureichend behandelt ist, muss dieser entsprechende negative Auswirkungen auf seine Gesundheit sowie sein privates und berufliches Leben eventuell mit Phasen der Arbeitsunfähigkeit erdulden, solange keine wirksame Therapie gefunden wurde. Die ACM ist der Auffassung, dass dieses Vorgehen nur bis zu einem begrenzten Maß zumutbar ist.

3. Es gibt Fälle, in denen eine Therapie mit Cannabisprodukten einer Behandlung mit zugelassenen Medikamenten vorzuziehen ist, weil die Behandlung mit Cannabisprodukten der Standardtherapie hinsichtlich des therapeutischen Erfolges und der akuten Nebenwirkungen gleichwertig ist, die Standardtherapie jedoch langfristig mit stärkeren unerwünschten Wirkungen, eventuell sogar tödlichen Folgewirkungen der Therapie, assoziiert sein kann. So sind beispielsweise mögliche gravierende Langzeitschäden durch immunsuppressive Medikamente zur Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen bekannt. Es ist deshalb notwendig, dass die Verpflichtung der Krankenkassen zur Kostenerstattung auch die langfristige Nutzen-Risiko-Bewertung berücksichtigt.

4. Die Verordnung von Cannabis-basierten Medikamenten sollte nicht am Praxisbudget bzw. drohenden Regressforderungen wegen Budgetüberschreitung scheitern. Daher ist es erforderlich, dass ihre Verschreibung als Praxisbesonderheit gilt.

„Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Zahl der ACM-Mitglieder in den vergangenen ein bis zwei Jahren deutlich gestiegen ist, und wir durch den Gewinn der Musterprozesse kaum Ausgaben für juristische Verfahren hatten,“ fügte Dr. Grotenhermen hinzu. „Wir sind heute ein schlagkräftiger Verein. Das Konto der ACM ist gut gefüllt und die Spendenbereitschaft groß. Dies wird uns erlauben, unsere Aktivitäten weiter zu verstärken, weitere Musterprozesse durchzuführen und uns auch verstärkt juristisch mit weiteren Themen, wie etwa der Frage der Teilnahme am Straßenverkehr durch Patienten, die Cannabis-Medikamente einnehmen, oder Verstößen gegen die ärztliche Schweigepflicht in Zusammenhang mit der Verwendung von Cannabisprodukten durch Patienten zu widmen. Wir wollen, dass Schwerkranke keine Angst mehr haben müssen vor finanziellem Ruin, Lieferengpässen bei der Versorgung mit ihrem Medikament, dem Verlust des Führerscheins oder anderen Bedrohungen. Die Betroffenen haben an ihrer Krankheit meistens genug zu leiden und dürfen darüber hinaus nicht noch unnötig durch Gerichte, Führerscheinstellen, verständnislose Ärzte und renitente Krankenkassen drangsaliert zu werden.“

Presseschau: Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ausnahmsweise erlaubnisfähig (Bundesverwaltungsgericht)

Hier findet sich die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 2016

Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ausnahmsweise erlaubnisfähig

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet, dem schwer kranken Kläger eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen, weil das Betäubungsmittel für seine medizinische Versorgung notwendig ist und ihm keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung steht.

Der 52-jährige Kläger ist seit 1985 an Multipler Sklerose erkrankt. Die Symptome seiner Erkrankung behandelt er seit etwa 1987 durch die regelmäßige Einnahme von Cannabis. Vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes und Anbaus von Betäubungsmitteln ist er zuletzt im Januar 2005 freigesprochen worden. Das Strafgericht sah sein Handeln als gerechtfertigt an, weil ihm keine Therapiealternative zur Verfügung stehe. Den seit Mai 2000 gestellten Antrag des Klägers auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Anbau von Cannabis zur medizinischen Selbstversorgung lehnte das BfArM mit Bescheid vom 6. Dezember 2007 und Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 ab. Das Verwaltungsgericht hob die Bescheide auf und verpflichtete die Beklagte, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die weitergehende Klage wies es zurück. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten vor dem Oberverwaltungsgericht blieben ohne Erfolg.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat es die Urteile der Vorinstanzen geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die beantragte Erlaubnis zu erteilen. Nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) kann das BfArM eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Die Behandlung des schwer kranken Klägers mit selbst angebautem Cannabis liegt hier ausnahmsweise im öffentlichen Interesse, weil nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts die Einnahme von Cannabis zu einer erheblichen Linderung seiner Beschwerden führt und ihm gegenwärtig kein gleich wirksames und für ihn erschwingliches Medikament zur Verfügung steht. Der (ebenfalls erlaubnispflichtige) Erwerb von so genanntem Medizinalhanf aus der Apotheke scheidet aus Kostengründen als Therapiealternative aus. Seine Krankenkasse hat eine Kostenübernahme wiederholt abgelehnt. Eine Eigenfinanzierung ist ihm mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht möglich. Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, wegen der Kostenübernahme durch die Krankenkasse erneut den sozialgerichtlichen Klageweg zu beschreiten. Eine solche Klage ist ihm unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar. Der Erlaubniserteilung stehen auch keine Versagungsgründe nach § 5 BtMG entgegen. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs hinreichend gewährleistet. Mit den vom Kläger vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen in seiner Wohnung sind die Betäubungsmittel ausreichend gegen eine unbefugte Entnahme geschützt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung durch ihn selbst. Des Weiteren verfügt der Kläger aufgrund der jahrelangen Eigentherapie inzwischen über umfassende Erfahrungen hinsichtlich Wirksamkeit und Dosierung der von ihm angebauten Cannabissorte. Außerdem stehen der Anbau und die Therapie unter ärztlicher Kontrolle. Die Erlaubnis ist auch nicht mit Rücksicht auf das internationale Suchtstoffübereinkommen von 1961 zu versagen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Erteilung der Ausnahmeerlaubnis wegen der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend vorgezeichnet, so dass das der Behörde eröffnete Ermessen „auf Null“ reduziert ist. Davon unberührt bleibt die Befugnis des BfArM, die Erlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen.

BVerwG 3 C 10.14 - Urteil vom 06. April 2016

Vorinstanzen:

OVG Münster 13 A 414/11 - Urteil vom 11. Juni 2014

VG Köln 7 K 3889/09 - Urteil vom 11. Januar 2011

Juristische Einschätzung durch den Anwalt des Klägers

Der Anwalt des Klägers, Dr. Oliver Tolmein aus Hamburg, liefert eine juristische Einschätzung des gewonnenen Prozesses vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Juristische Einschätzung durch Dr. Tolmein

Der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat heute (6. April 2016) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die, auch wenn das Urteil eine Einzelfallentscheidung darstellt, für Patienten, die auf Cannabis als Medizin angewiesen sind, von erheblicher Bedeutung ist. Die Richter haben das Bundesamt für Arzneimittel verpflichtet dem Kläger eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen. Damit wird es zum ersten mal eine Genehmigung zum Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland geben.

Mit dieser Entscheidung ist das oberste deutsche Verwaltungsgericht der Revision des Klägers gefolgt, der von der Kanzlei Menschen und Rechte vertreten wird. Zwar hatten auch die Vorinstanzen, das VG Köln und das OVG NRW, dem Kläger, der 2000 seinen ersten Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zum Eigenanbau gestellt hatte, teilweise recht gegeben. Sie hatten entschieden, dass die Versagung der Erlaubnis zum Eigenanbau in dieser Form keinen Bestand haben konnte.

Die Richterinnen und Richter der Tatsacheninstanzen waren aber der Auffassung, dass die Beklagte noch die Möglichkeit haben würde, ihr Ermessen auszuüben und deswegen nur verurteilt werden könnte, ermessensfehlerfrei zu entscheiden.

Dagegen erkannte der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts an, dass im konkreten Fall des an Multipler Sklerose mit schweren Ataxien erkrankten Klägers die Erteilung der Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis wegen der von Art 2 Absatz 2 Satz 1 GG geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend vorgezeichnet ist, so dass das der Behörde eröffnete Ermessen „auf Null“ reduziert ist. Deswegen wurden die Urteile der Vorinstanzen entsprechend abgeändert. Die Revision der Beklagten, die darauf zielte den Eigenanbau ganz versagen zu dürfen wurde, abgewiesen.

Der 3. Senat führt damit seine Entscheidung von 2005 fort, die begründet hatte, dass auch die medizinische Versorgung einzelner Patienten im öffentlichen Interesse ist und damit eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtmG rechtfertigen kann. Ergebnis dieser Entscheidung ist, dass seitdem Ausnahmegenehmigungen von der Bundesopiumstelle ausgestellt werden, die den Patienten erlauben Cannabis über die Apotheke zu beziehen. Solche Genehmigungen wurden bislang etwa 600 Patienten erteilt. Allerdings können viele der Betroffenen sich die Kosten für Cannabis aus der Apotheke nicht leisten (je nach Bedarf betragen sie 600 bis 2000 EUR/Monat) und die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Cannabis auch nicht, wenn es aus der Apotheke bezogen wird. Deswegen stellt der Eigenanbau die einzige Möglichkeit für die schwerkranken Betroffenen dar, das benötigte Cannabis, das die einzige Behandlungsmöglichkeit darstellt auch tatsächlich zu erhalten.

Keine wichtige Rolle in dem Verfahren spielte der Gesetzentwurf mit dem Bundesgesundheitsminister Gröhe ermöglichen will, dass Ärztinnen und Ärzte Patienten Cannabis zu Lasten der GKV verordnen können. Das lag vor allem daran, dass der Gesetzentwurf an der konkreten Situation der Patienten in der nächsten Zeit nichts verändern wird: derzeit ist offen wann und mit welchen Regelungen er genau verabschiedet werden wird. Nach der Verabschiedung wird es zudem einige Zeit dauern, bis eine ausreichende Menge standardisierten Cannabis‘ zur Verfügung steht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass das BfArM die Möglichkeit hat, Nebenbestimmungen zur Eigenanbauerlaubnis zu erlassen. Diese Kompetenz ergibt sich aus § 9 Abs 2 Nr. 1 BtmG. Diese Nebenbestimmungen können sich vor allem auf die Sicherheit des Anbaus oder die Menge beziehen. Auch hier muss die BfArM aber die Rechtsauffassung des Gerichts berücksichtigen (und darf daher keine unangemessenen Auflagen erteilen, die den Eigenanbau faktisch unmöglich machen).

Auch wenn die Entscheidung des BVerwG eine Einzelfallentscheidung ist, sind die dort erläuterten Grundsätze auch in anderen Verfahren zu beachten. Sie wird also eine Entscheidung sein, auf die sich Betroffene beziehen können, solange das erforderlich ist, weil sie Cannabis nicht zu Lastender GKV verordnet bekommen können. Insofern wird die aktuelle Entscheidung des BfArM vermutlich die Weiterentwicklung, Beratung und Verabschiedung des Gesetzentwurfes von Bundesgesundheitsminister Gröhe befördern.

Presseschau: Cannabis auf Rezept - wo, wie, warum? (Tagesschau)

Auch die Tagesschau berichtete in den 20:00 Uhr Nachrichten über das Urteil und lieferte Hintergrundinformationen auf tagesschau.de

Cannabis auf Rezept - wo, wie, warum?

Kiffen gegen Krebs? So einfach ist es wohl nicht, aber unbestritten ist die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis. Bei welchen Krankheiten wird Cannabis eingesetzt? Und wann zahlt die Kasse?

Wie ist die rechtliche Situation in Deutschland?

Seit Mai 2011 dürfen zugelassene Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis auch in Deutschland hergestellt und von Ärzten auf Betäubungsmittelrezept verschrieben werden. Das zugelassene Mittel heißt Sativex - gedacht für Patienten, die an Multipler Sklerose erkrankt sind und an schweren spastischen Lähmungen und Krämpfen leiden. Mit einem Spray werden die Wirkstoffe direkt in den Mund gesprüht. Zudem können Patienten zugelassene Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol verschrieben bekommen.

Wie ist Cannabis als Medizin in Deutschland verfügbar?

Es gibt verschiedene Formen von Cannabis als Medizin, die grundsätzlich verfügbar sind:

Ärzte können über ein Privatrezept den Wirkstoff verschreiben, das Apotheken nach standardisierten Werten anmischen. Viele Patienten klagen laut Deutschem Hanfverband dabei allerdings über eine reduzierte Wirksamkeit im Vergleich zu natürlichem Cannabis.

Das Fertigpräparat Sativex kann bei Multipler Sklerose von der Krankenkasse übernommen werden, ansonsten passiert das nur in Sonderfällen oder bei einigen Privatkassen. Bei anderen Krankheiten können Ärzte das Medikament auch auf Privatrezept verschreiben.

Seit 2008 gibt es - nach vielen Klagen und Rechtsstreitigkeiten - die Möglichkeit, an natürliche Hanfblüten legal heranzukommen. Dazu nötig ist ein ärztlich unterstützter Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das wäre dann eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten oder -extrakten "im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie". Ist sie bewilligt, wird das Cannabiskraut von einem niederländischen Unternehmen an eine bestimmte Apotheke in Deutschland geliefert. Da es aber nur einen Lieferanten gibt und immer mehr Blüten europaweit gefragt sind, kommt es offenbar immer wieder zu Lieferschwierigkeiten.

Wie viele Patienten erhalten eine Cannabistherapie?

Nach Schätzungen des Alternativen Drogen- und Suchtberichts erhalten in Deutschland etwa 5000 bis 10.000 Patienten eine Therapie mit Dronabinol oder Sativex. Derzeit verfügen laut Bundesinstitut 581Patienten über eine Ausnahmeerlaubnis. Bislang wurden insgesamt 635 von rund 1050 Anträgen bewilligt.

Bei welchen Krankheiten wird Cannabis eingesetzt?

Für ein sehr breites Spektrum an Krankheiten: Cannabis wird unter anderem zur Behandlung von chronischen Schmerzen, Nervenschmerzen, bei grünem Star zur Reduzierung des Augeninnendrucks, bei ADHS, Epilepsie und dem Tourette-Syndrom eingesetzt. Verwendet werden Cannabisextrakte, Cannabisblüten oder einzelne Cannabinoide - das sind Mittel auf Cannabisbasis. Angewandt wird Cannabis auch gegen Übelkeit und zur Appetitsteigerung bei Krebs- und Aidspatienten, bei Rheuma sowie bei spastischen Schmerzen bei Multipler Sklerose.

Doch der Deutsche Hanfverband warnt auch: "Cannabis ist kein Wundermittel und hilft nicht allen Patienten." Insbesondere Patienten mit einem hohen Risiko für Psychosen oder Vorerkrankungen am Herzen müssten beim Konsum von Cannabis Vorsicht walten lassen, sagt Georg Wurth vom Hanfverband im Gespräch mit tagesschau.de. Cannabis biete in der Regel keine Heilung, sondern oft eine Linderung.

Welche Wirkung hat Cannabis als Medikament?

Die beiden wichtigsten Inhaltsstoffe sind Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Ihnen wird eine schmerzlindernde, entzündungshemmende, appetitanregende, schlaffördernd und krampflösende Wirkung zugeschrieben. Nicht für jede Krankheit aber ist der medizinische Nutzen eindeutig belegt.

Wie hoch sind die Kosten und wann zahlt die Krankenkasse?

Das kommt auf die Dosis an. "Medikamente sind teurer als der Eigenanbau von Blüten", sagt Wurth vom Hanfverband. Die Medikamentenkosten können Hunderte Euro im Monat betragen. Das gilt auch für Cannabisblüten und -extrakt. Kritiker monieren, dass sich viele Betroffene Cannabis daher nicht leisten könnten und gezwungen seien, auf dem Schwarzmarkt zu kaufen oder selbst anzubauen. Bis jetzt zahlen Krankenkassen nach Angaben des Deutschen Hanfverbandes fast nie die Kosten, einige private Kassen seien etwas kulanter. Nur bei Multipler Sklerose sind gesetzliche Krankenkassen unter bestimmten Bedingungen zur Kostenübernahme verpflichtet.

Wie will die Bundesregierung die Versorgung Schwerkranker verbessern?

Schwerkranken Patienten soll künftig der Zugang zu Cannabis zu medizinischen Zwecken erleichtert werden. Im Januar 2016 legte die Bundesregierung einen Referentenentwurf zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vor. Dieser sieht vor, dass schwer chronisch Kranke künftig auf Kassenrezept leichter an Arzneimittel auf Cannabisbasis heran kommen. Der aufwändige Antrag beim Bundesinistitut für Arzneimittel und Medizinprodukte würde dann entfallen. "Das ist ein großer Schritt in eine richtige Richtung", sagt Wurth.

Geplant ist eine staatliche Cannabis-Agentur, die den Hanfanbau und den Handel überwachen soll. Auch Krankenkassen sollen stärker verpflichtet werden, medizinisch genutzen Cannabis zu bezahlen. Der Eigenanbau von Cannabisblüten wird von der Bundesregierung jedoch als "nicht zielführend" betrachtet, so dass es notwendig ist, betroffenen Patienten über eine Kostenerstattung einen sicheren Zugang zu Cannabisblüten zu ermöglichen. "Damit zeigt sich ein Trend zu Cannabisblüten. Wenn auch hier in Deutschland Cannabisblüten angebaut würden, würde das Problem der Lieferschwierigkeiten entfallen", sagt Wurth vom Hanfverband. "Die Zahl der Cannabis-Patienten wird erheblich steigen. Ich erwarte in den kommenden Jahre eine Million", prognostiziert Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, im Gespräch mit tagesschau.de.

Die Bundesärztekammer begrüßt den Vorschlag, eine erweiterte Verordnungsfähigkeit der Arzneimittel zu schaffen. Die wissenschaftliche Datenlage sei bei Cannabis-Arzneien für bestimmte Anwendungsgebiete ausreichend für eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen. Die Ärztevertreter lehnen aber eine Kostenübernahme von getrockneten Cannabis-Blüten und Extrakten strikt ab. Für deren medizinischen Einsatz fehle es an ausreichender wissenschaftlicher Evidenz.

Wie weit ist die Forschung bei Cannabis?

Es gibt viele Studien, aber noch immer viele Lücken. Gegen viele Krankheiten könnte ein Kraut gewachsen sein - wenn man es nur erforschen und nutzen würde. Beispiel Krebsforschung: Es gibt Fallberichte, in denen es heißt, dass Patienten offenbar geheilt wurden. Studien mit Labormäusen bestätigen eine solche Möglichkeit. Aber hier stecke die Forschung tatsächlich noch in den Kinderschuhe, sagt Wurth. "Wir warnen davor zu denken, viel kiffen schützt vor Krebs oder Cannabis hilft automatisch gegen Krebs."

Wie wird Cannabis in anderen Ländern medizinisch genutzt?

"Es gibt Vorreiter", sagt Grotenhermen von der AG Cannabis als Medizin: Kanada, Niederlande, Israel, Spanien, Portugal, Jamaika, Chile, Uruguay und Kolumbien. Dort sei Cannabis verfügbar oder es gebe Absichtserklärungen wie in Deutschland, Cannabis für Patienten leichter zugänglich zu machen. In Israel etwa bekommen inzwischen 25.000 Menschen Cannabis, man erwartet sogar 100.000 - bei etwa acht Millionen Einwohnern. Mit der geplanten Gesetzesänderung werde sich Deutschland in die Reihe der Länder einordnen, in denen Cannabis für Betroffene am Besten zu erhalten sei, so Grotenhermen.

Presseschau: Schmerzpatient darf Cannabis selbst anbauen (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung druckte eine Meldung der deutschen Presseagentur (dpa) ab. Fälschlicherweise berichtete dpa, dass das geplante Gesetz erst 2019 wirksam werden soll. Eine Verabschiedung ist jedoch für dieses Jahr geplant, und es soll unmittelbar danach in Kraft treten.

Schmerzpatient darf Cannabis selbst anbauen

Es ist ein wegweisendes Urteil: Erstmals hat das Bundesverwaltungsgericht einem schwer kranken Mann Anbau und Konsum von Cannabis zur Linderung seiner Schmerzen gestattet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmalig einem schwerkranken Mann den Cannabis-Anbau zu Hause erlaubt. Wenn keine andere Therapiemöglichkeit zur Verfügung stünde, müsse einem Patienten so der Zugang zu Cannabis ermöglicht werden, entschieden die Bundesrichter am Mittwoch in Leipzig. (BVerwG 3 C 10.14)

Geklagt hatte ein 52 Jahre alter Mann aus Mannheim, der seit rund 30 Jahren an Multipler Sklerose leidet und zur Linderung der Symptome regelmäßig Cannabis – zwischen drei und vier Gramm pro Tag – konsumiert. Eine Alternative zur Therapie mit Cannabis gibt es aus Sicht seiner Ärzte nicht. Das Gericht entschied, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dem Mann eine Ausnahmegenehmigung für die Kultivierung der Pflanzen erteilen müsse. Bislang war in solchen Fällen noch nie eine Erlaubnis erteilt worden.

Zwar hat der Kläger sogar eine Erlaubnis, sich Medizinalhanf in der Apotheke zu besorgen. Doch da kostet ein Gramm etwa 15 Euro, jeden Monat wären das bei seinem Konsum 1.500 Euro. Seit Jahren baut der Mann daher in seiner Wohnung selbst Cannabis an. Juristisch belangt wird er dafür nicht. Es liege ein „gerechtfertigter Notstand“ vor, urteilte bereits im Jahr 2005 das Amtsgericht in Mannheim.

Eine offizielle Erlaubnis für den Eigenanbau wurde ihm aber – wie auch in vergleichbaren Fällen – vom Bundesinstitut verweigert. Die Behörde sorgte sich unter anderem um die Qualität der selbst hergestellten Arzneimittel und den Missbrauch des Rauschmittels. Vor Gericht verwiesen Vertreter zudem auf eine angestrebte Gesetzesänderung des Bundesgesundheitsministeriums, die darauf abzielt, dass künftig die Krankenkassen die Kosten für den Medizinalhanf übernehmen sollen. Ein Eigenanbau wäre damit auch für den Kläger unnötig. Wirksam wird das Gesetz, das bisher nur als Entwurf vorliegt, allerdings frühestens 2019.

Presseschau: Ein Sieg der Menschlichkeit über die Ideologie (Bundesjustizportal)

Mittlerweile hat die Unterstützung für eine Verbesserung der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten in Deutschland auch in der Politik eine deutliche Unterstützung, in allen Parteien. Hier eine Stellungnahme eines FDP-Politikers.

Ein Sieg der Menschlichkeit über die Ideologie

Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Cannabis-Anbau zur Schmerztherapie sagt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dr. Wieland Schinnenburg:

"Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (Az. 3 C 10.14) ist sehr zu begrüßen. Cannabis kann schwer erkrankten Menschen helfen. Es ist längst überfällig, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet wird, in geeigneten Fällen eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen.

Dieses Urteil sollte der Anfang vom Ende der ideologischen Haltung gegenüber Cannabis sein. Das BfArM ist offensichtlich ideologisch in einer einfachen Ablehnung verfangen. Dies gilt nicht nur für die medizinische Nutzung von Cannabis. Das BfArM muss auch endlich einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene genehmigen.

Wie verbockt das BfArM den an Multipler Sklerose leidenden Kläger behandelt hat, zeigt der zeitliche Ablauf: es hat zehn Jahre vergehen lassen, bis ein rechtsmittelfähiger Bescheid erlassen wurde, gegen den der Kläger die Gerichte anrufen kann." (Vgl. hierzu die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes)

Presseschau: Cannabidiol: Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht (BfArM.de)

Auf seiner 75. Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG vom 19. Januar 2016 hat sich der Ausschuss für eine Verschreibungspflicht von Cannabidiol, das heute frei von vielen Anbietern im Internet verkauft wird, ausgesprochen.

Cannabidiol: Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht

Hintergrund

- Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hatte das BfArM im Juli 2015 um Prüfung gebeten, ob Cannabidiol, seine Derivate und dessen Zubereitungen der Verschreibungspflicht zu unterstellen seien

- Cannabidiol wird in Apotheken als Ausgangsstoff zur Zubereitung nicht zulassungspflichtiger Rezeptur - und Defekturarzneimittel verwendet

- Neue DAC -Monographie zu „ Cannabidiol “ (C- 052) sowie neue NRF -Vorschrift für „Ölige Cannabidiol -Lösung 50 mg/ml“ (NRF 22.10.) seit Dezember 2015

- Ölige Cannabidiol -Lösung zum Einnehmen enthält als einzigen arzneilich wirksamen Bestandteil Cannabidiol

- Cannabidiol unterliegt nicht den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften und ist auch nicht verschreibungspflichtig (=> nicht in Anlage 1 der AMVV aufgeführt)

=> Aus Sicht des BfArM Regelungsbedarf hinsichtlich Verkaufsabgrenzung

Pharmakologische Wirkung (I)

- In der Hanfpflanze Cannabis sativa finden sich über 80 sogenannte Cannabinoide , die die chemische Struktur von Terpenphenolen aufweisen und exklusiv in der Cannabispflanze vorkommen

- Hauptvertreter:

- Tetrahydrocannabinol (THC)

- Cannabidiol (CBD)

- Cannabinol (CBN)

- In der Pflanze liegen die Cannabinoide überwiegend als Carbonsäuren vor

Pharmakologische Wirkung (II)

- Cannabidiol

- nicht psychoaktives Terpenphenol der Hanfpflanze Cannabis sativa

- Antagonist am G -Protein gekoppelten Cannabinoidrezeptor GPR55

- Blockade des zellulären Ionenkanal TRMP8, α 1 -Adrenozeptors und μ - Opioidrezeptors

- Blockade des Enzyms Fatty Acid Amide Hydrolase, was den Abbau des endogenen Cannabinoids Anandamid verhindert

- Blockade von Calciumkanälen

- Inhibition der Wiederaufnahme von Noradrenalin, Dopamin, Serotonin und

Gamma-Buttersäure

- Bindung am 5HT 1 -Rezeptor

=> Aufgrund dieser Wirkungen ist Cannabidiol als Arzneimittel einzustufen

Anwendungsoptionen

Ölige Cannabidiol -Lösung 50 mg/ml (NRF 22.10.):

- „ Anwendung

- Unter anderem beim Dravet -Syndrom und beim Lennox -Gastaut -Syndrom, bei Multipler Sklerose und anderen Anwendungsgebieten bei individuell zu stellender Indikation.“

- „Wirkung und Indikation

- [...] Für Cannabidiol sind zahlreiche therapeutische Effekte beschrieben, u. a. bei REM-Schlaf - Verhaltensstörung (RBD). Seine antioxidative Wirkung sowie antiinflammatorische , anti - konvulsive, antiemetische, anxiolytische, hypnotische oder antipsychotische Effekte geben möglicherweise eine rationale Perspektive zur Behandlung bestimmter Nervenent - zündungen, Epilepsie, Schwindel, Erbrechen, Angstzustände und Schizophrenie sowie im Zusammenhang mit neurodegenerativen oder Krebs- Erkrankungen. Diese bedürfen einer ärztlichen (Differential- )Diagnose und individuellen Nutzen -Risiko -Abwägung ([...]).“

Wechsel-und Nebenwirkungen

- Mögliche Interaktionen (DAC-Monographie)

- Gleichzeitige Anwendung von CYP3A4- Hemmern (z. B . Ketoconazol , Itraconazol , Ritonavir oder Clarithromycin ) kann zur Erhöhung des Cannabidiolspiegels führen

- Gleichzeitige Anwendung von CYP3A4- Induktoren (z. B . Rifampicin , Carbamazepin , Phenytoin , Phenobarbital oder Johanniskraut) kann zur Senkung des Cannabidiolspiegels führen

- Nebenwirkungsprofil (DAC-Monographie)

- Abschließende Beurteilung des Nebenwirkungsprofils von Cannabidiol ist nicht möglich, da entsprechende Studiendaten für ein zugelassenes Monopräparat nicht vorliegen

Regulatorische Aspekte (I)

- Cannabidiol ist in Deutschland als nicht verschreibungspflichtiges Rezepturarzneimittel in Apotheken erhältlich

- Erprobung von Cannabidiol in diversen Indikationen wie Epilepsie, Angstzuständen, Psychosen und entzündlichen Prozessen in klinischen Studien, die zur Entwicklung von Fertigarzneimitteln führen könnten

- Wirkstoffeintrag in der EURD-Liste

- hier werden für Europa die Modalitäten der Einreichung von regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten geregelt (Verfahrensnummer PSUSA/00000529/202501)

- Orphan -Drug-Status von Cannabidiol , erteilt durch die Europäische Kommission, für die Behandlung des Dravet -Syndroms und die Behandlung der perinatalen Asphyxie

Regulatorische Aspekte (II)

- Fertigarzneimittel Sativex

- Nicht Gegenstand dieser Darstellung, die nur den Stoff Cannabidiol zum Inhalt hat

- Spray zur Anwendung in der Mundhöhle

- Enthält Dickextrakte aus Cannabisblättern und -blüten der Cannabis sativa L. entsprechend 27 mg Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und 25 mg Cannabidiol

- Indikation: Symptomverbesserung bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose

- Untersteht aufgrund seines THC-Anteiles dem Betäubungsmittelgesetz

Zusammenfassung

- Cannabidiol kann in verschiedenen Indikationen medizinische Anwendung finden

- Nebenwirkungsprofil und Interaktionspotenzial von Cannabidiol sind derzeit noch nicht abschließend beurteilbar

- Cannabidiol wäre daher als Stoff anzusehen, der bei Anwendung ohne ärztliche Überwachung die Gesundheit des Menschen auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch unmittelbar oder mittelbar gefährden könnte

- Die denkbaren Anwendungsgebiete für Cannabidiol stellen Krankheitsbilder dar, die ärztlich diagnostiziert und überwacht werden müssen

=> BfArM empfiehlt die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht

Presseschau: Mit Alkohol oder Drogen am Steuer erwischt? OLG Naumburg zu Blutprobe und Beweisverwertungsverbot! (Anwalt.de)

Das Oberlandesgericht Naumburg urteilte zugunsten eines Verkehrsteilnehmers, der THC im Blut aufwies, und bemängelte, dass der Polizeibeamte nach einem freiwillig beim Betroffenen durchgeführten Drogenschnelltest gegen den Willen des Betroffenen eine Blutprobenentnahme wegen Gefahr im Verzuge anordnete, ohne sich vorher um eine richterliche Anordnung der Entnahme zu bemühen. Der Betroffene wurde durch Rechtsanwalt Konstantin Bredereck, Berlin-Mitte, vertreten.

Mit Alkohol oder Drogen am Steuer erwischt? OLG Naumburg zu Blutprobe und Beweisverwertungsverbot!

Wer mit Alkohol oder Drogen am Steuer erwischt wird, muss mit der Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen. Nach Drogenfahrten (Cannabis/THC, LSD. Kokain, Heroin, Ecstasy, Morphin) oder Fahrten unter Alkohol ab 1,1 Promille droht immer auch die MPU (der so genannte Idiotentest), bevor nach der Entziehung die Fahrerlaubnis neu erteilt wird.

Wenn eine Tat unter Alkohol oder Drogen vorgeworfen wird, muss eine Blutentnahme durch einen Arzt erfolgen. Diese unterliegt dem so genannten Richtervorbehalt. Der stellt zwar nur einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen und dar, ist aber dennoch zu beachten. Solange der Gesetzgeber den Richtervorbehalt vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind. So hat es jetzt wieder das Oberlandesgericht Naumburg entschieden (OLG Naumburg, Beschluss vom 05.11.2015 – 2 Ws 201/15).

Dem Betroffenen war zur Last gelegt worden. einen Pkw Mercedes geführt zu haben, obwohl eine kurz darauf ihm entnommene Blutprobe eine erhebliche Konzentration illegaler Betäubungsmittel, nämlich THC, Amphetamin und Methamphetamin ergab, die jeweils über den gesetzlichen Grenzwerten lagen.

Das Amtsgericht Zeitz hat den Betroffenen freigesprochen, weil der Polizeibeamte nach einem freiwillig beim Betroffenen durchgeführten Drogenschnelltest gegen den Willen des Betroffenen eine Blutprobenentnahme wegen Gefahr im Verzuge anordnete, ohne sich vorher um eine richterliche Anordnung der Entnahme zu bemühen, obgleich ein richterlicher Eildienst, der extra eingerichtet ist, um dem Richtervorbehalt entsprechen zu können, an diesem Tage für die Zeit von 8:30 Uhr bis 21:00 Uhr bestand.

Der Polizeibeamte hatte nicht dokumentiert, ob es einen Versuch gegeben hat, den Bereitschaftsrichter zu erreichen. Zu den entscheidenden Fragen hat er im Wesentlichen Erinnerungslosigkeit bekundet, was nicht zu Lasten des Betroffenen geht.

Achtung! Der Versuch kann ausreichen, wenn es eine entsprechende Dokumentation in der Ermittlungsakte gibt!

Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Unterbleiben des Versuchs, eine richterliche Entscheidung einzuholen, nicht frei von Willkür war und somit zu einem Beweisverwertungsverbot führte. Das Beweisverwertungsverbot ist zwingend, wenn sich der Betroffene spätestens in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht darauf beruft.

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwalt vertreten wurde, war vor dem OLG Naumburg erfolglos:

Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehalt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Zeuge nicht, wie erforderlich, schriftlich Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen.

Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat. All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet, so das Oberlandesgericht Naumburg, das die Entscheidung des Amtsrichters bestätigte.

Achtung! In der Regel ist eine Verwertbarkeit im Verwaltungsverfahren nicht gegeben. Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis von der Alkohol- oder Drogenfahrt bekommt, darf die wegen Eignungszweifeln auch eine MPU gegen den Fahrerlaubnisinhaber anordnen, trotz Freispruch oder Einstellung des Verfahrens.

Mein Tipp:

Eine Überprüfung lohnt sich immer. Zu einer sachgerechten Verteidigung gehören auch die Kenntnis der relevanten Vorschriften und deren Auslegung. Diese sind derart komplex, dass die Überprüfung durch einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen sollte. Die Kosten übernimmt die Verkehrsrechtsschutzversicherung.

Ich berate und vertrete Sie in allen Bereichen des Verkehrsrechts, insbesondere nach Straftaten im Straßenverkehr, bei Bußgeldverfahren nach Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen und im Fahrerlaubnisrecht.

Presseschau: Israel – gelobtes Land für medizinisches Cannabis (Welt.de)

Die Zahl der Patienten, die in Israel Cannabis zu medizinischen Zwecken verwenden dürfen, ist auf 25.000 angestiegen. Das dortige Cannabisprogramm läuft allerdings bereits seit 1995.

Israel – gelobtes Land für medizinisches Cannabis

Liberale Regeln ermöglichen in Israel einen breiten Einsatz von Marihuana als Arzneimittel. Pro Jahr erhalten rund 25.000 Patienten ein entsprechendes Rezept. Angebaut wird das Hanf auf Spezialfarmen.

Graben, Mauer, Stacheldraht, Überwachungskameras und Wachposten lassen eher eine Militärbasis vermuten, doch dafür riecht es hier zu verräterisch nach Marihuana. Am Rande der Landgenossenschaft Kfar Pines im Norden Israels wachsen 50.000 Pflanzen 230 unterschiedlicher Cannabissorten. Die zweitgrößte Plantage des Landes für medizinischen Hanf verströmt den unverkennbaren Geruch.

"Auch für Cannabis ist hier das gelobte Land mit mildem Klima, 300 Tagen Sonnenschein und perfekter Luftfeuchtigkeit", sagt Tamir Gedo, Chef der Firma BOL Pharma. Vom Gesundheitsministerium hat die Farm die Lizenz bekommen, Hanf als Heilpflanze anzubauen und zu vermarkten.

Zum reinen Vergnügen ist der Konsum von Haschisch und Marihuana auch in Israel nicht erlaubt. Die therapeutische Anwendung wird dagegen seit zehn Jahren sogar gefördert.

Im vergangenen Jahr stellten israelische Ärzte entsprechende Rezepte für rund 25.000 Patienten aus, die an Krebs, Epilepsie, posttraumatischen Störungen oder schmerzhaften degenerativen Erkrankungen leiden. Heilen können die weichen Drogen diese Krankheiten nicht, aber die Symptome deutlich lindern.

In der ganzen Welt streiten Mediziner über Cannabis als Arzneimittel. Es könne abhängig machen und Verhaltensstörungen hervorrufen, wird eingewendet. Andererseits ist lange bekannt, dass der Konsum der weichen Droge Ess- und Schlafstörungen, Angstpsychosen oder Entzündungen hemmen kann.

Vieles muss noch erforscht werden, und das geht in Israel schneller, weil die Gesundheitsbehörden klinische Tests am Menschen eher erlauben als anderswo. Unternehmer, Investoren und Wissenschaftler treten hier zunehmend auf den Plan und suchen nach dem Wunderextrakt aus Marihuana: einer kondensierten Form der Wirkstoffe, die in genauer Dosis mit einem Minimum an unerwünschten Nebeneffekten verabreicht werden kann.

Cannabis-Therapie der Darmkrankheit Morbus Crohn

Auf dem gut geschützten Firmengelände der BOL Pharma finden sich Labors und Treibhäuser. Die biochemischen Kennwerte jeder einzelnen Pflanze werden dort erfasst. Denn die Erzeugung von medizinischem Cannabis erfordert eine minutiöse Überwachung des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC), der die Freizeitkiffer high macht, aber für manche Patienten, vor allem Kinder, abträglich ist.

"Dank der Pionierrolle unseres Gesundheitsministeriums konnten wir über klinische Tests eine Fachkompetenz gewinnen, die wir nun mit Firmen in den USA und Europa teilen", erklärt Gedo. Dies gelte aktuell bei Versuchen zur Behandlung der chronischen Darmkrankheit Morbus Crohn. Da Israel die Cannabiserzeugnisse nicht exportieren darf, will es ein Weltzentrum für die agronomische, medizinische und technologische Expertise bei der Arzneiverwertung werden.

So gesellte sich gerade ein Cannabisforschungszentrum an der renommierten Hebräischen Universität von Jerusalem zu den rund zwanzig Forscherteams, die sich an israelischen Hochschulen dem Thema widmen. Im März kamen 200 Branchenvertreter in Tel Aviv zur CannaTech-Konferenz zusammen. Verkäufer mit Schlips und Kragen, einige trotz des vom Veranstalter auferlegten Rauchverbots durchaus leicht bekifft, stellten dort elektrische Joints, hanfbasierte Heilsalben und andere Nebenprodukte vor.

Essenzen auf Hanfpflanzen ohne psychoaktive Wirkung

Andere denken ans größere Geschäft: "In den beiden letzten Jahren ist die Legalisierung von Cannabis sprunghaft vorangekommen", sagt Saul Kaye, Chef des ersten israelischen Gründerzentrums für junge Hanfindustrieunternehmen. "Diesen Trend werden wir nicht verpassen und die ersten Großinvestitionen sind äußerst vielversprechend."

Kaye verweist auf die 20 Millionen Dollar, welche der US-Tabakgigant Philip Morris im Januar in das israelische Start-up Syke steckte, das Präzisionsinhalatoren für medizinisches Cannabis herstellt. Zugleich verkündete die israelische Firma Eybna, dass es ihr gelungen sei, Essenzen aus den Hanfpflanzen zu gewinnen, welche die psychoaktiven Bestandteile nicht enthalten, wegen denen der rezeptfreie Gebrauch verboten ist.