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ACM-Mitteilungen vom 16. Januar 2016

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Gesetzentwurf der Bundesregierung: Cannabisblüten sollen verschreibungsfähig und in Deutschland angebaut werden

Am 7. Januar 2016 veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium einen Referentenentwurf mit dem Titel „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“. Das Gesetz soll dazu dienen, die „Verkehrsfähigkeit und die Verschreibungsfähigkeit von weiteren Arzneimitteln auf Cannabisbasis (dazu gehören z.B. Medizinalhanf, d.h. getrocknete Cannabisblüten sowie Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität) herzustellen, um dadurch bei fehlenden Therapiealternativen bestimmten, insbesondere schwerwiegend chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten nach entsprechender Indikationsstellung in kontrollierter pharmazeutischer Qualität durch Abgabe in Apotheken den Zugang zur therapeutischen Anwendung zu ermöglichen.“

Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums sowie Online-Version des Referentenentwurfs vom 7. Januar 2016

Das Positive

1. Cannabisblüten werden ein verschreibungsfähiges Medikament

Cannabisblüten werden ein Medikament, wie alle anderen Betäubungsmittel, wie beispielsweise Dronabinol, Sativex, Methylphenidad (wie Ritalin oder Medikinet), Morphium und Oxycodon. Bisher befanden sich Cannabisblüten in der Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes der nicht verschreibungsfähigen Substanzen. Cannabisblüten und Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität werden nun verschreibungsfähig.

2. Cannabisblüten können von jedem niedergelassenen Arzt verschrieben werden

Cannabisblüten können auf einem Betäubungsmittelrezept von jedem niedergelassenen Arzt für jede Indikation, bei der sich Arzt und Patient einen Behandlungserfolg versprechen, verschrieben werden. Wie bei jedem Betäubungsmittel und auch bei jedem anderen verschriebenen Medikament müssen Nutzen und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Viele niedergelassene Ärzte haben keine Betäubungsmittelrezepte. Jeder niedergelassene Arzt kann diese jedoch bei der Bundesopiumstelle anfordern und dann entsprechende Rezepte zur Verschreibung von Betäubungsmitteln ausstellen.

3. Das Antragsverfahren bei der Bundesopiumstelle entfällt

Das Antragsverfahren bei der Bundesopiumstelle, bei der durch einen Arztbericht begründet werden muss, dass eine Therapie mit Cannabisprodukten notwendig ist, weil andere Therapieverfahren nicht ausreichend wirksam sind, entfällt. Nun entscheidet nicht mehr eine Behörde über die Zulässigkeit einer Therapie mit Cannabisblüten, sondern ein Arzt entscheidet, ob eine solche Therapie sinnvoll und notwendig ist, so wie das auch bei allen anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten der Fall ist.

Die Frage, wann Cannabisblüten bzw. Cannabisextrakte verschrieben werden sollten, wird in der Zukunft vor allem innerhalb der Ärzteschaft diskutiert werden, genauso wie das für andere Betäubungsmittel, wie beispielsweise starke Opiate oder Medikamente gegen ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) der Fall ist. Auch hier gibt es Ärzte, die bei der Verschreibung starker Opiate oder bei der Verschreibung von Methylphenidat gegen ADHS eher zurückhaltend sind, während andere Ärzte eher dazu bereit sind. Bei Cannabisblüten und Cannabisextrakten wird das in Zukunft ähnlich sein.

4. Die medizinische Verwendung von Cannabisblüten ist kurzfristig möglich

Die Dauer der Bearbeitung eines Antrags bei der Bundesopiumstelle betrug in der Vergangenheit etwa 6-8 Wochen. Zurzeit kann es von der Antragstellung bis zur Genehmigung auch länger als 3 Monate dauern, was vermutlich auf der Zunahme der Anträge seit dem vergangenen Jahr zurückzuführen ist. Gleichzeitig wurde das Personal der Bundesopiumstelle offenbar nicht entsprechend aufgestockt, sodass die dort engagiert tätigen Mitarbeiter die Anträge nicht mehr mit der gewünschten Schnelligkeit bearbeiten können.

Es gibt immer wieder Situationen, bei denen eine schnelle Therapie mit Cannabisblüten sinnvoll ist, beispielsweise wenn diese bei einer Krebschemotherapie eingesetzt werden sollen. In diesen Fällen kommen bisher nur Rezepte für Cannabis-basierte Medikamente, wie beispielsweise Dronabinol und Sativex, zum Einsatz. In der Zukunft könnten Ärzte in entsprechenden Fällen sofort Cannabisblüten verschreiben.

5. Kostenübernahme in bestimmten Fällen

Unter bestimmten Voraussetzungen werden die Kosten für eine Therapie mit Medikamenten auf Cannabisbasis erstattet. Dazu zählen Cannabisblüten, Dronabinol (THC), der Cannabisextrakt Sativex und andere Cannabisextrakte, sowie der synthetische THC-Abkömmling Nabilon. „Voraussetzung für den Anspruch ist, dass bei dem Versicherten oder der Versicherten eine schwerwiegende chronische Erkrankung vorliegt, eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.“

6. Mitnahme ins Ausland für 30 Tage möglich

Da Cannabisblüten und entsprechende Extrakte verschreibungsfähig werden sollen, darf eine Menge, die für eine 30-tägige Behandlung benötigt wird, mit den Auflagen, wie sie für andere verschreibungsfähige Betäubungsmittel gelten, und mit den entsprechenden Formblättern, die vom Arzt und örtlichen Behörden zu unterzeichnen sind, mit ins Ausland genommen werden, beispielsweise bei einem Urlaub oder einem beruflichen Auslandsaufenthalt.

7. Die Teilnahme am Straßenverkehr wird grundsätzlich möglich

Da Cannabisblüten verschreibungsfähig werden, gilt auch für Cannabisblüten der § 24a, Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes zur Fahrtüchtigkeit unter dem Einfluss von „berauschenden“ Medikamenten, nach dem es heißt: „(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“

Bisher gab es mit den Führerscheinstellen häufig Differenzen, weil Cannabisblüten mit einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle vom Arzt nicht verschrieben wurden, sondern eine ärztlich begleiteten Selbsttherapie stattfand, obwohl sowohl die Bundesopiumstelle als auch das Bundesverkehrsministerium darauf hingewiesen hatten, dass auch Cannabisblüten, die aufgrund einer Ausnahmeerlaubnis verwendet werden, wie andere Medikamente, die verschrieben werden, behandelt werden sollten.

Diese Änderung hilft auch bei Fragen der Fahreignung nach der Fahrerlaubnisverordnung.

8. Ein kontrollierter Cannabisanbau soll in Deutschland organisiert werden

Es ist geplant, einen staatlich überwachten Cannabisanbau in Deutschland zu organisieren, um so besser auf den zukünftigen Bedarf reagieren zu können und nicht vollständig auf einen Import aus dem Ausland angewiesen zu sein. Dazu soll eine Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eingerichtet werden. Diese Agentur soll auch Preise festlegen, sodass zukünftig übertrieben hohe Preise in Apotheken ausgeschlossen werden sollen.

Kritische Gesichtspunkte

1. Wann ist eine Erkrankung eine „schwerwiegende chronische Erkrankung“, so dass eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen infrage kommt?

Zukünftig sollen die Krankenkassen bzw. der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) darüber entscheiden, ob eine Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten von der Krankenkasse erstattet werden soll. Der Referentenentwurf verweist auf den Begriff der schwerwiegenden chronischen Erkrankung, wie er bereits in einem anderen Zusammenhang geregelt ist: „Eine Krankheit ist danach schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und wenigstens eines der folgenden Merkmale vorliegt: …“ Eines dieser Merkmale ist die „Erforderlichkeit einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung (…), ohne die nach ärztlicher Einschätzung (…) eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist“. Dieser Begriff der schwerwiegenden chronischen Erkrankung ist dehnbar, sodass davon ausgegangen werden muss, dass Ärztinnen und Ärzte bzw. ihre Patienten die Dinge anders betrachten als der MDK der Krankenkassen. Möglicherweise werden hier die Sozialgerichte erst im Laufe der Jahre durch eine Anzahl von Gerichtsverfahren Klarheit schaffen.

2. Wann steht eine „allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung“?

Auch jetzt muss bei einem Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis für die medizinische Verwendung von Cannabisblüten dargelegt werden, dass Patienten mit den üblichen Therapieverfahren ausbehandelt sind. Es ist bisher unklar, wie der MDK diese Frage handhaben wird, bzw. ob es erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Krankenkassen bei dieser Frage geben wird. Auch hier ist mit Klagen vor den Sozialgerichten zu rechnen.

3. Der Anspruch auf eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist an die Teilnahme an einer Begleitforschung geknüpft

Die Bundesregierung plant in den ersten Jahren Begleitforschung durchzuführen, und Patienten, die eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen anstreben, zu zwingen, daran teilzunehmen: „Der Erstattungsanspruch ist mit der Teilnahme an einer Begleitforschung, die bis Ende Dezember 2018 vorgesehen ist, verknüpft.“

4. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll auf der Grundlage der Begleitforschung im Jahr 2019 festlegen, unter welchen Voraussetzungen die gesetzlichen Krankenkassen zukünftig Kosten erstatten sollen

Im Referentenentwurf heißt es: „Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleitforschung nach Satz 1 Nummer 3 legt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Juli 2019 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 konkretisierend fest, in welchen medizinisch notwendigen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Leistungen nach Satz 1 ab dem 1. August 2019 zu Lasten der Zeit gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Die Leistung bedarf der Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist."

Auch hier wird sich die Frage stellen, wie restriktiv die Ergebnisse der Begleitforschung und damit die Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses ausfallen werden.

5.Der Eigenanbau von Cannabis durch Patienten und Patientinnen wird ausgeschlossen

Im Referentenentwurf heißt es „Ein Eigenanbau von Cannabis durch Patientinnen und Patienten zur Selbsttherapie birgt die Gefahr von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten und ist aus gesundheits- und ordnungspolitischer Sicht nicht zielführend.“

Je nachdem wie restriktiv die Krankenkassen und auch später der Gemeinsame Bundesausschuss die Frage der Kostenübernahme handhaben bzw. regeln, ist eine Selbsttherapie mit selbst angebautem Cannabis durchaus besser als keine Therapie oder eine Standardtherapie, die mit stärkeren Nebenwirkungen assoziiert ist. Es macht daher sicherlich Sinn, die Prozesse vor den Verwaltungsgerichten zum Eigenanbau von Cannabis durch Patienten fortzuführen, damit die Umsetzung des Gesetzes zumindest nicht hinter die möglicherweise juristisch durchsetzbaren Rechte zurückfällt.

6.Vermögende Patienten sind weiterhin bessergestellt, die Zweiklassenmedizin bleibt bestehen

Aus Sicht der Patienten und der Ärzteschaft muss es darauf ankommen, dass die Entscheidung, ob ein Patient mit Cannabis-basierten Medikamenten behandelt werden sollte, eine Entscheidung von Arzt und Patient wird. Ansonsten bleibt es bei einer Zweiklassenmedizin, mit größeren Optionen bei vermögenden Patienten. Bisher würde die Kostenübernahme eine Ausnahme bleiben, sodass hier Korrekturbedarf besteht.

Einige weitere wichtige zukünftige Aufgaben

1. Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten

Wie in anderen Ländern, in denen Medikamente auf Cannabisbasis verschrieben oder empfohlen werden können, wird es weiterhin auch in Deutschland darauf ankommen, Ärzte dafür zu sensibilisieren, dass eine Therapie mit Medikamenten auf Cannabisbasis in vielen Fällen eine sinnvolle Therapieoption darstellen kann. Ein wichtiger Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit wird daher die Fortbildung von Ärzten in diesem Bereich sein.

2. Vergrößerung des Angebots an unterschiedlichen Cannabis-basierten Medikamenten

Die bisher limitierte Auswahl an verschiedenen Sorten von Cannabisblüten und anderen Medikamenten auf Cannabisbasis führt dazu, dass nicht alle Patienten optimal behandelt werden können. Es wird daher darauf ankommen, die Sortenauswahl in der Zukunft zu vergrößern, von CBD-reichen bis THC-reichen Sorten mit unterschiedlichen Terpen-Gehalten.

3. Die Preise für Medikamente auf Cannabisbasis müssen sinken

In anderen Ländern wie Kanada, den Niederlanden und Israel sind Cannabisprodukte deutlich preiswerter als in Deutschland. Das Gefälle zwischen Patienten, deren Behandlungskosten mit Cannabis-basierten Medikamenten von den Krankenkassen übernommen werden, und denen, bei denen dies nicht der Fall ist, ist daher in Deutschland besonders hoch. Es wird in der Zukunft darauf ankommen, die Preise zu senken, beispielsweise durch vermehrte Konkurrenz. Möglicherweise führt auch der geplante Anbau in Deutschland zu einer Kostensenkung.

Trauer um Irene Weber

Ein ACM-Mitglied der ersten Stunde, Irene Weber aus Schleswig-Holstein, ist am 26. Dezember im Alter von 66 Jahren gestorben. Sie litt an einer HIV-Infektion und zuletzt an Krebs. Irene war eine humorvolle und unerschrockene Vorkämpferin für die Verwendung von Cannabis als Medizin. Entgegen aller gesetzlichen Vorschriften hat sie die Pflanzen seit Jahren in ihrem Garten selbst angebaut. Sie zählte zu den Patienten, die im Dezember 1999 eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt und so den juristischen Druck eingeleitet haben, der die Bundesregierung nun zwingt, bei bestimmten Erkrankungen die Kosten für eine Therapie mit Cannabisblüten zu übernehmen. Sie zählte auch zu den ersten Patienten, die eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten durch die Bundesopiumstelle erhalten haben. Wir, die Mitglieder der ACM und des SCM, werden sie und ihre trocken humorvollen Kommentare vermissen.

Presseschau: Cannabis soll verschreibungs- und erstattungsfähig werden (Deutsche Apotheker Zeitung)

Die Deutsche Apotheker Zeitung stellte bereits am 8. Januar den Referentenentwurf der Bundesregierung in seinen wesentlichen Zügen vor.

Cannabis soll verschreibungs- und erstattungsfähig werden

Das BMG will den Zugang zu Medizinal-Cannabis für schwer chronisch Kranke erleichtern. Ein Gesetzentwurf, der die notwendigen Änderungen der betäubungsmittelrechtlichen und anderer Vorschriften auf den Weg bringen soll, liegt der DAZ.online-Redaktion vor.

Cannabis konnte bisher nur über eine Ausnahmeerlaubnis und per Import aus dem Ausland zu medizinischen Zwecken genutzt werden. Jetzt will die Bundesregierung den Zugang zu Cannabis als Medizin erleichtern. Am Freitag legte das Bundesgesundheitsministerium seinen Referentenentwurf Ländern und Verbänden vor. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll demnach als staatliche Cannabisagentur den Anbau und die ausreichende, qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabis in Deutschland koordinieren und kontrollieren.

Gemäß dem geschätzten voraussichtlichen Bedarf soll das BfArM den Anbau von Cannabis ausschreiben, die komplette Ernte aufkaufen und an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Es soll zudem den Herstellerabgabepreis für Cannabis festlegen. Für Cannabis, das im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird, sollen für Großhandel und Apotheker die Preisspannen für Fertigarzneimittel gelten.

Keine Ausnahmegenehmigung mehr

Außerdem sollen getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität verschreibungsfähig werden. Der Referentenentwurf sieht daher vor, dass Cannabis im Betäubungsmittelgesetz nur noch in Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgeführt wird, und in Anlage I (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel) und in der Anlage II (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) gestrichen würde. Apotheken, denen bislang als einzige Stelle die Abgabe von Cannabis erlaubt ist, benötigen dann keine Ausnahmeerlaubnis des BfArM mehr. Der Gesetzentwurf sieht auch ansonsten keine neuen Informationspflichten vor.

Für Medizinalhanf, also getrocknete Cannabisblüten, wird zudem eine Ausnahmeregelung geschaffen, da es sich nach den üblichen Begriffsbestimmungen um einen „Stoff" und nicht um eine „Zubereitung" handelt, und der betäubungsmittelrechtliche Verschreibungsgrundsatz nur für Zubereitungen gilt.

Ein BtM wie jedes andere

Die Verschreibung von Cannabis wäre somit wie bei anderen Betäubungsmitteln dann erlaubt, wenn nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft die Anwendung zulässig und geboten ist. Als Obergrenze sind 100 Gramm pro 30 Tage vorgesehen, doch können in begründeten Ausnahmefällen auch größere Mengen verschrieben werden. Zahn- und Tierärzte dürfen laut dem Gesetzesentwurf Cannabis nicht verschreiben.

Auch eine Änderung der Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung ist geplant. Patienten können dann ohne Aus- und Einfuhrgenehmigung die verschriebenen Cannabisarzneimittel bei Reisen ins Ausland in einer der Dauer der Reise angemessenen Menge für den eigenen Bedarf mitnehmen. Bisher war dies nur für Zubereitungen und daher nicht für Medizinalhanf möglich.

Auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung

Neben den betäubungsmittelrechtlichen Änderungen sieht der Gesetzentwurf auch eine Änderung des SGB V vor. Gesetzlich versicherte Patienten erhielten dann einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn bei ihnen eine schwerwiegende chronische Erkrankung vorliegt, eine allgemein anerkannte Alternative nicht zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Gleichzeitig ist es nach Ansicht des BMG auch sinnvoll, die Erstattungsfähigkeit für die Cannabis-Präparate Dronabinol und Nabilon herzustellen. Nach bisheriger Rechtsprechung scheiterte dies daran, dass die Behandlung als Teil einer neuen Behandlungsmethode angesehen wurde, für die keine Richtlinien-Empfehlung des G-BA vorliegt. „Mit der neuen gesetzlichen Regelung kommt es darauf künftig nicht mehr an“, so der Entwurf.

Patienten, die sich die Kosten erstatten lassen, müssen an einer Begleitforschung teilnehmen. Diese soll bis Ende Dezember 2018 laufen und dem G-BA als Grundlage für die Festlegung dienen, unter welchen Voraussetzungen ab August 2019 eine Erstattung erfolgen soll.

Eigenanbau kommt nicht in Betracht

Zum 1. Oktober 2015 besaßen in Deutschland 527 Patienten die bisher notwendige Ausnahmeerlaubnis für die medizinische Verwendung von Cannabis. Die monatlichen Behandlungskosten liegen abhängig vom Tagesbedarf bei bis zu 1 800 Euro pro Patient. Im Jahr 2014 wurden 48 Kilogramm Cannabisblüten importiert, die bei einem gemittelten Preis pro Gramm von ungefähr 18 Euro einen Wert von 864 000 Euro hatten.

Nach Ansicht des BMG sind die geplanten Gesetzesänderungen alternativlos – denn ein Eigenanbau käme aus gesundheits- und ordnungspolitischer Sicht nicht in Betracht.

Presseschau: Cannabis als Medizin: „Therapiefreiheit bei Cannabis-basierten Medikamenten braucht einen größeren Spielraum“ (änd Ärztenachrichtendienst)

Der änd Ärztenachrichtendienst veröffentlichte am 13. Januar ein Kurzinterview mit dem Vorsitzenden der ACM zu den geplanten Gesetzesänderungen für die Verwendung von Cannabis als Medizin.

„Therapiefreiheit bei Cannabis-basierten Medikamenten braucht einen größeren Spielraum“

Eine neue Behörde soll sich nach dem Willen der Bundesregierung zukünftig um die Versorgung chronisch kranker Patienten mit Cannabis kümmern. Laut Gesetzentwurf soll diese „Cannabisagentur“ die Qualität des Arzneimittels überwachen und eine effiziente und kontrollierte Verteilungsstruktur aufbauen. Patienten könnten so Medikamente auf Cannabisbasis erstattet bekommen, wenn bei ihnen andere Behandlungen nicht wirksam sind. Der änd sprach darüber mit Dr. Franjo Grotenhermen, Arzt und Geschäftsführer der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente.

Herr Dr. Grotenhermen, ist der Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung?

Das ist ein erheblicher Schritt hin zu einer besseren Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten auf Cannabisbasis. Hervorzuheben ist insbesondere die Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten. Diese sind deutlich günstiger als die zur Verfügung stehenden bisherigen Cannabis-basierten Medikamente in der Anlage III der verschreibungsfähigen Medikamente des Betäubungsmittelgesetzes, also Dronabinol/THC, Sativex und Nabilon. Auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen in bestimmten Fällen, also bei schwerwiegenden chronischen Erkrankungen, die mit den üblichen Standardtherapien nicht ausreichend behandelt werden können oder mit starken Nebenwirkungen reagieren, ist sehr zu begrüßen. Bisher mussten auch diese Patienten entsprechende Medikamente selbst finanzieren, so dass selbst dieses Patientenkollektiv aufgrund häufig unzureichender finanzieller Ressourcen nicht adäquat behandelt werden konnte.

Der Aufbau einer Cannabisagentur mit dem Ziel eines kontrollierten Anbaus in Deutschland ist nur ein konsequenter Schritt, der sich aus dem zu erwartenden Zuwachs des Bedarfs an Medizinalcannabisblüten ergibt. Zahlen aus anderen Ländern, wie insbesondere Kanada, den Niederlanden und Israel, die schon länger über entsprechende Programme Zugang zu medizinischen Cannabisprodukten haben, zeigen, dass die Patientenzahlen aufgrund einer wachsenden Akzeptanz bei Patienten und Ärzten in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen haben.

Reichen die vorgelegten Pläne aus Ihrer Sicht aus?

Aus Sicht der Patienten und der Ärzteschaft muss es darauf ankommen, dass die Entscheidung, ob ein Patient mit Cannabis-basierten Medikamenten behandelt werden sollte, eine Entscheidung von Arzt und Patient wird. Ansonsten bleibt es bei einer Zweiklassenmedizin, mit größeren Optionen bei vermögenden Patienten. Viel wird davon abhängen, wie streng die Kriterien für eine Kostenübernahme solcher Präparate durch die Krankenkassen gehandhabt werden soll. Wann wird eine Erkrankung als schwer eingestuft, und ab wann werden diese Patienten als mit den Standardverfahren austherapiert betrachtet? Wie groß wird also der Patientenkreis sein, der von einer Kostenerstattung durch die Krankenkassen profitieren wird? Das Gesetz ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Weitere werden sicherlich folgen müssen, um Ärzten und Patienten einen größeren Spielraum hinsichtlich der Therapiefreiheit, wenn es um Cannabis-basierte Medikamente geht, zu eröffnen. Dabei wird sicherlich weitere Forschung von Nutzen sein.

Was ändert sich dadurch für Patienten, die bereits die Erlaubnis hatten Arzneimittel auf Cannabisbasis zu nutzen?

Eine erste Krankenkasse hat inoffiziell zu verstehen gegeben, dass sie bei Erlaubnisinhabern die Kosten erstatten werde, wenn die Cannabisblüten verschrieben würden. Schließlich habe die Bundesopiumstelle die Notwendigkeit einer Therapie bereits geprüft. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch so umgesetzt wird und andere Krankenkassen folgen werden.

Presseschau: Cannabisagentur soll Gras auf Rezept verwalten (Zeit online)

Auch viele Medien aus dem nicht medizinischen Bereich berichteten über das Vorhaben der Bundesregierung, Cannabisblüten verschreibungsfähig zu machen und einen Anbau in Deutschland zu organisieren.

Cannabisagentur soll Gras auf Rezept verwalten

Hanf kaufen, Qualität prüfen, verteilen: Das wird künftig eine Behörde tun, damit Cannabis für Arzneien eingesetzt werden kann. Die Gesetzesänderung dazu liegt schon vor.

Wer künftig Gras benötigt, um etwa seine chronischen Schmerzen zu lindern, soll es leichter haben. Das Gesundheitsministerium schlägt in einem Referentenentwurf vor, die strengen Auflagen für Medizinalhanf zu lockern. Gleich eine ganze Behörde soll sich darum kümmern.

Eine Cannabisagentur mit zunächst fünf Mitarbeitern soll jegliche Mengen von legal in Deutschland geerntetem Marihuana und Haschisch aufkaufen. Die Behörde wäre dafür zuständig, die Qualität des Cannabis zu kontrollieren und zu überwachen, seine Verpackung zu begutachten und zu garantieren, dass das Gras als Medikament gut verfügbar ist. Sie soll auch regeln, wie der pflanzliche Rohstoff an Großhändler geliefert und rasch und sinnvoll verteilt werden kann.

Was sich anhört wie ein staatlich organisierter Drogenmarkt, ist der Versuch chronisch Erkrankten zu helfen. Denn der Vorschlag für eine "Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" sieht keineswegs eine generelle Legalisierung vor. Es geht allein darum, es Patienten zu erleichtern, schneller und günstiger an Medikamente zu kommen, die auf den Inhaltsstoffen des Hanfs basieren.

Nehmen Sie teil und helfen Sie mit, Drogenkonsum sicherer zu machen. Wer Hanf als Medizin braucht, dem bleiben hierzulande bislang nur sehr bürokratische, umständliche oder illegale Wege. Etwas mehr als 500 Patienten besitzen derzeit eine Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle. Damit dürfen sie sich über eine Apotheke zum Beispiel Hanfblüten für Tees oder Cannabisextrakt besorgen.

Es sind nur so wenige, da das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur dann ein Rezept bewilligt, wenn ein Patient als austherapiert gilt. Das heißt, wer Cannabis therapeutisch nutzen möchte, braucht einen Nachweis seines Arztes, dass ihm alle sonst verfügbaren Arzneien nicht mehr helfen – ganz gleich, ob diese vielleicht verheerendere Nebenwirkungen hätten als das Gras selbst.

Krankenkassen zahlen für eine solche Hanftherapie per Sonderregelung nicht. Oft haben Apotheken das medizinische Cannabis nicht vorrätig, was zu langen Wartezeiten führt. Zudem ist Medizinalhanf teuer. Nicht wenige zahlen mehr als 1.000 Euro monatlich. Derzeit bauen viele Schwerkranke Cannabis selbst an. Ein Problem, nicht nur weil es illegal ist. Die Eigenernte und Verarbeitung kann zu ungenauen und riskanten Dosierungen führen. Außerdem sollte eine Therapie mit Medizin auf Hanfbasis unter ärztlicher Kontrolle stehen.

Presseschau: Mückstein: Cannabisblüten als Medizin in Apotheken abgeben (APA-OTS)

Auch in Österreich gibt es nun Überlegungen, ähnlich wie in Deutschland Cannabisblüten verschreibungsfähig zu machen.

Mückstein: Cannabisblüten als Medizin in Apotheken abgeben

Grüne: Stigmatisierung muss zum Wohl der Patient/innen beendet werden

Wien (OTS) - „Der Einsatz von Cannabis als Medizin ist in Österreich noch immer mit großen Hürden verbunden. Dabei ist das breite Wirkungsspektrum gut erforscht. Cannabis lindert z.B. die Begleitsymptome einer Chemotherapie, es hat eine stark schmerzlindernde Wirkung, lindert Angstzustände und Spastiken – und ist für den menschlichen Körper besser verträglich als Opiate“, sagt die Grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein.

„Medikamente auf Cannabisbasis sind jedoch teuer, und die Kosten werden in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen“, erläutert Mückstein.

Eine im Herbst in Kraft getretene Änderung der Suchtgiftverordnung schafft die Möglichkeit, dass ein aus Cannabis extrahierter natürlicher Wirkstoff in Form von magistralen Zubereitungen in Apotheken abgegeben werden kann, was durchaus eine Verbesserung der bestehenden Situation darstellt.

Deutschland geht jedoch einen Schritt weiter und plant die direkte Abgabe von Cannabisblüten in der Apotheke. „Das wäre aus unserer Sicht dringend notwendig, um vor allem chronisch kranke Menschen mit so genanntem ‚Medizinalhanf‘ zu versorgen“, sagt Mückstein, „die Stigmatisierung von Cannabis muss zum Wohl der PatientInnen endlich beendet werden“.

Presseschau: Frankreich: Verwirrung um fehlgelaufenen Medikamententest (Schweizer Radio und Fernsehen)

In Frankreich sorgte ein Todesfall bei einem Medikamententest für Aufsehen. Auch in den deutschsprachigen Medien wurde berichtet. Zunächst war fälschlicherweise von einem Cannabinoid die Rede. Später wurde das korrigiert und es war von einem Modulator des Endocannabinoidsystems die Rede.

Dr. Franjo Grotenhermen: „Es handelt sich wahrscheinlich um den FAAH-Hemmer BIA 10-2474BIA 10-2474. In einigen Beiträgen, wie auch dem unten stehenden, soll die Substanz von dem portugiesischen Unternehmen Bial stammen. Diese erforschen diese Substanz zur Behandlung von Schmerzen. Die FAAH (Fettsäureamidhydrolase) ist für den Abbau des Endocannabinoids Anandamid (Arachidonoylethanolamid) verantwortlich, aber auch für den Abbau vieler anderer Fettsäureamide. Wird dieser Abbau gehemmt, so lässt sich die Konzentration von Anandamid erhöhen. Es werden aber auch die Konzentrationen anderer Fettsäureamide erhöht, was möglicherweise für die beobachteten schweren Nebenwirkungen verantwortlich war. Das ist also eine sehr unspezifisch wirkende Substanz. Der Wirkmechanismus ist anders als der von THC, das Cannabinoidrezeptoren aktiviert. Man muss synthetische Modulatoren des Endocannabinoidsystems hinsichtlich ihrer möglichen Gefahren ganz anders betrachten als die seit Jahrzehnten erforschten natürlichen Cannabinoide bzw. Cannabis, deren Nebenwirkungen wir heute gut kennen.“

Frankreich: Verwirrung um fehlgelaufenen Medikamententest

Bei Medikamententests im französischen Rennes kamen mindestens fünf Personen zu Schaden. Eine davon ist hirntot. Bei drei weiteren befürchten die Ärzte irreparable Schäden. Entgegen früherer Berichte enthielt das verabreichte Medikament weder Cannabis noch Cannabisderivate.

Nach einem «schweren Zwischenfall» bei einem Medikamentenversuch in Frankreich liegt einer der insgesamt 90 Teilnehmern hirntot auf der Intensivstation. Bei drei weiteren Verletzten fürchten die Ärzte unumkehrbare Schäden. Es gebe die Hoffnung, dass sich ihre Symptome verbessern, aber auch die Befürchtung, dass sie sich verschlechtern, sagte Professor Gilles Edan vom Universitätsklinikum Rennes am Freitag.

Entgegen früherer Berichte enthielten die verabreichten Medikamente jedoch weder Cannabis noch Cannabisderivate. Die bestätigte die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine. Das Medikament solle aber auf das menschliche Endocannabinoid-System wirken, ein Teil des Nervensystems, das Schmerzen im Körper reguliert.

Den Wirkstoff nannte die Ministerin nicht. Er ziele auf Stimmungsschwankungen und Angstgefühle sowie auf motorische Störungen bei neurodegenerativen Erkrankungen, so Touraine.

Unklare Ursachen

Neben dem Mann, den die Ärzte als hirntot beschreiben, leiden vier weitere Männer unter neurologischen Beschwerden. Ein sechster Versuchsteilnehmer ist zur Beobachtung im Krankenhaus.

Insgesamt hätten im Rahmen des Tests 90 Menschen den Wirkstoff in unterschiedlichen Dosen erhalten. Bei den Opfern handele es sich um gesunde Männer im Alter von 28 bis 49 Jahren, die das Medikament mehrfach zu sich genommen hatten. «Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, wo die genauen Gründe des Unfalls liegen», betonte Touraine.

Bestimmungen bei Medikamententests befolgt

Das testende Unternehmen Biotrial erklärte in einer Stellungnahme auf seiner Website, die Vorschriften befolgt zu haben. «Der Versuch wurde in voller Übereinstimmung mit den internationalen Bestimmungen durchgeführt, und die Verfahrensweisen von Biotrial wurden zu jedem Zeitpunkt des Versuchs befolgt».

Der Pharmahersteller Bial betonte zudem, dass bei den früheren Tests mit Freiwilligen keine «moderaten oder schweren Nebenwirkungen» registriert worden seien. Biotrial hatte das Medikament im Auftrag eines europäischen Pharmalabors getestet.

Die Pariser Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Das Gesundheitsministerium will die Klinik genauer unter die Lupe nehmen.

Wirkstoff zuvor an Schimpansen getestet

Der Wirkstoff befand sich in Phase 1 der klinischen Studie, die die Voraussetzung für eine Marktzulassung ist. In Phase 1 werden Medikamente erstmals an gesunden Freiwilligen auf Verträglichkeit getestet. Touraine sagte, das Medikament sei zuvor an mehreren Tierarten erprobt worden, darunter Schimpansen.

In der Regel werden die Wirkstoffe in der Testphase 1 sehr niedrig dosiert. Ausserdem finden die Tests immer unter ärztlicher Beobachtung statt.

Presseschau: Der Kurs zu Cannabis als Medizin – Teil 3 (Hanfjournal)

Weiter geht es mit dem Kurs zu Cannabis als Medizin von Dr. Franjo Grotenhermen. Nun mit einem Blick in die Geschichte der Cannabisverwendung.

Der Kurs zu Cannabis als Medizin – Teil 3

Die Geschichte der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten

Von Dr. med. Franjo Grotenhermen

Cannabis wird seit mehreren tausend Jahren in Asien kultiviert. Seit langer Zeit werden Kleidung, Stoffe und Seile aus der vielseitig verwendbaren Faser gefertigt und die Hanfsamen sind Bestandteil der Ernährung. Auch die Drogeninhaltsstoffe wurden seit vorchristlicher Zeit in vielen Kulturen bei religiösen Riten und Heilungszeremonien genutzt. Die Hanfpflanze wurde in den Veden (Indien, 1500 bis 1300 vor Christus), aber auch im Buch Chu-tzu (China, circa 300 vor Christus) als heilig bezeichnet. Vor allem in Zentralasien waren bereits einige der heute wieder entdeckten medizinischen Eigenschaften der Cannabispflanze bekannt, wie sein überlieferter Einsatz bei einigen neurologischen Erkrankungen beweist.

Im 17. Jahrhundert lernten Europäer, die die arabischen Länder und Asien bereisten, Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt („indischer Hanf“) kennen. Allerdings fand dieser Hanf vor dem 19. Jahrhundert keine breite medizinische Verwendung in Europa und Amerika.

Im Jahre 1830 wurde die medizinische Verwendung des indischen Hanfes erstmals detailliert in Europa durch Theodor Friedrich Ludwig Nees von Esenbeck, Professor für Pharmazie und Botanik in Bonn, beschrieben. Der wichtigste Pionier für die moderne medikamentöse Verwendung der Hanfpflanze in Westeuropa war allerdings der schottische Arzt, Wissenschaftler und Ingenieur Sir William Brooke O’Shaughnessy, der 1839 eine Zusammenfassung seiner Erfahrungen mit der medizinischen Verwendung von Cannabis während seines Aufenthaltes in Indien publizierte, die große Beachtung fand. Zunächst berichtete er über die volkstümliche und medizinische Verwendung der Pflanze in Indien und führte darüber hinaus Studien mit Tieren und Menschen durch. Er berichtete über die Verwendung von Cannabis-Tinkturen bei Rheuma, Tetanus, Tollwut, kindlichen Krämpfen und Delirium tremens. Er beschrieb den großen Appetit und die Heiterkeit seiner Patienten nach der Einnahme der Droge.

Angeregt durch die Berichte O’Shaughnessys entwickelte sich Cannabis in Europa und Amerika bald zu einem akzeptierten Medikament und viele Ärzte berichteten von erfolgreichen Behandlungen bei einer Vielzahl von Erkrankungen, darunter chronische Schmerzen verschiedener Ursachen, Gelenkentzündungen, Migräne, Muskelkrämpfen, Appetitlosigkeit, Magenschmerzen, Asthma, Schlaflosigkeit, Förderung der Wehentätigkeit, Gebärmutterblutungen, Menstruationsbeschwerden, Abhängigkeit von Opiaten und Chloralhydrat sowie Depressionen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren Cannabisprodukte in Europa und Amerika etablierte medizinische Mittel. Es gab Fertigpräparate vom pharmazeutischen Unternehmen Merck in Deutschland, von Bourroughs, Wellcome & Co. in Großbritannien und von Squibb, Parke, Davis & Co und Eli Lilly & Co in den USA. Es gab erhebliche Bemühungen, den Wirkstoff von Cannabis zu identifizieren. Anfang des 20. Jahrhunderts konnte man einen „schwachgelben Sirup“ von der Zusammensetzung C21H30O2, der Cannabinol genannt wurde, identifizieren. Es handelte sich um THC, dessen genaue chemische Struktur jedoch erst 1964 ermittelt werden konnte.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist durch widerstreitende Aspekte gekennzeichnet. Die Diskreditierung von Cannabis als Rausch- und Genussmittel führte auch zur Diskreditierung des Einsatzes von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Zudem trug die forcierte Entwicklung synthetischer Medikamente – darunter Aspirin, Chloralhydrat, Barbiturate und Opiate – zur Verdrängung von nicht standardisierten Naturprodukten bei.

In den 1940er Jahren wurde THC, dessen exakte Struktur noch nicht bekannt war, erstmals in der Therapie eingesetzt. So berichtete Samuel Allentuck aus den USA Anfang der vierziger Jahre über die erfolgreiche Behandlung von Entzugserscheinungen bei Opiatabhängigkeit mit THC. In den vierziger Jahren wurden auch die ersten synthetischen Cannabinoide hergestellt und in klinischen Studien getestet, darunter der synthetische THC-Abkömmling Pyrahexyl (Synhexyl).

Das Interesse an der Cannabisforschung erwachte erneut mit der exakten Identifizierung der chemischen Struktur des THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) im Jahre 1964 durch die israelischen Wissenschaftler Yechiel Gaoni und Raphael Mechoulam. Nunmehr setzte ein verstärktes Interesse an der Erforschung der Chemie, der Verstoffwechselung und der möglichen schädlichen und nützlichen Wirkungen von Cannabis und einzelner Cannabinoide ein. Ein zweiter Boom folgte Anfang der 1990er Jahre nach der Entdeckung des körpereigenen Endocannabinoidsystems mit seinen körpereigenen Cannabinoiden, den Endocannabinoiden, und ihren Bindungsstellen, den Cannabinoidrezeptoren.

Presseschau: Risiken bei nichtmedizinischem Gebrauch von Cannabis (Deutsches Ärzteblatt)

Im April 2015 erschien der Artikel Risiken bei nichtmedizinischem Gebrauch von Cannabis von Dr. Eva Hoch und Kollegen. „Hintergrund: Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge weltweit. In Deutschland wird sie jährlich von circa 4,5 % aller Erwachsenen verwendet. Ein intensiver Cannabiskonsum ist mit gesundheitlichen Risiken assoziiert. …“

Kürzlich wurden dazu zwei Leserbriefe und das Schlusswort veröffentlicht.

Hier der Leserbrief von Ulrich Braune: „Die Arbeit der Autoren beschreibt die Symptomatik der somatischen, psychischen und psychosozialen Auswirkungen ausführlich und evidenzbasiert (1). Allerdings vermisse ich epidemiologische Angaben über die Verteilung der quantitativen Nutzung. …“ Epidemiologische Angaben fehlen

Hier der Leserbrief von Dr. Grotenhermen: „Eine differenzierte Darstellung der Cannabisrisiken ist den Autoren leider nicht immer gelungen (1). So fällt hinsichtlich der Auswahl der Studien zu möglichen Tumorerkrankungen durch Cannabiskonsum auf, dass die größte und aufwendigste epidemiologische Studie unerwähnt blieb (2). …“ Größte epidemiologische Studie unerwähnt

Und hier das Schlusswort: „Für die wertvollen Anregungen und kritischen Kommentare von Herrn Braune und Herrn Grotenhermen bedanken wir uns. Das Ziel unserer Übersichtsarbeit war es, den aktuellen Kenntnisstand zu möglichen Risiken des intensiven Freizeit-Cannabiskonsums zusammenzufassen (1). …“ Schlusswort

Presseschau: Studien zeigen: Cannabis tötet Krebszellen (Focus)

Auch das Gesundheitsministerium der USA akzeptiert nun die krebshemmenden Eigenschaften von Cannabis.

Studien zeigen: Cannabis tötet Krebszellen

Gute Nachrichten aus der Krebsforschung

Cannabis lindert offenbar nicht nur die Schmerzen von Krebspatienten durch Krankheit und Behandlung, sondern kann auch direkt zur Heilung beitragen.

In verschiedenen Studien haben Forscher gezeigt, dass Cannabinoide, medizinisch wirksame Substanzen aus der Pflanze, Krebszellen zerstören können.

Das US-Gesundheitsministerium hat auf seiner Informationswebsite zu Krebserkrankungen offiziell bestätigt, dass sich der Konsum von Cannabis positiv auf die Heilung von Krebs auswirken kann.

„Unter Laborbedingungen konnte gezeigt werden, dass Cannabis Krebszellen abtötet“, heißt es dort. Besonders hoffnungsvolle Ergebnisse hätten Studien für Leber- und Brustkrebs erbracht. Die Forscher betonen allerdings, dass die Tests bisher nur an Mäusen durchgeführt wurden. Bis ein Medikament für Krebspatienten entwickelt werden kann, sind noch zahlreiche Untersuchungen notwendig.