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ACM-Mitteilungen vom 19. Oktober 2013

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Staatsanwaltschaft Baden-Baden ermittelt gegen Patienten mit Erlaubnis für den Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke wegen des Eigenanbaus von Cannabis

Am 25. September 2013 eröffnete die Staatsanwaltschaft Baden-Baden ein Ermittlungsverfahren gegen René Pursche, der aufgrund einer ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) eine Erlaubnis für den Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle besitzt. Am 21. September 2013 wurde bei Herrn Pursche eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der eine Aufzuchtanlage, eine Dose Haschischöl und 3 Cannabispflanzen beschlagnahmt wurden.

Als Gründe für den Beschluss zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens führt die Staatsanwaltschaft aus: "Der Beschuldigte verwahrte am 21.9.2013 neben Haschisch auch die oben genannten Gegenstände, dabei die Pflanzen in der Aufzuchtanlage, in seiner Wohnung (…), welche im Rahmen einer Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens und der Beschlagnahme von Haschisch aufgefunden werden konnten. (…) Über eine entsprechende behördliche Erlaubnis verfügt der Beschuldigte nicht."

Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) beschloss einstimmig, Herrn Pursche bei einer möglichen juristischen Auseinandersetzung zu unterstützen. Herr Pursche befindet sich seit einem Jahr in der Behandlung bei Dr. Franjo Grotenhermen, Vorstandsvorsitzender der ACM, der seit April 2012 eine privatärztliche Praxis vor allem für Patienten betreibt, die keinen Arzt finden, der sich mit der Behandlung mit Cannabisprodukten auskennt. Sein Patient kann sich aufgrund seiner bescheidenen finanziellen Verhältnisse diesen Cannabis nicht in dem nötigen, für seine Therapie erforderlichen Umfang leisten.

"Es ist gut, dass die Bundesopiumstelle bzw. das Bundesgesundheitsministerium die Möglichkeit eröffnet hat, dass Patienten eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke erhalten können", erklärte Grotenhermen. "Allerdings ist die aktuelle Situation weiterhin durch eine Zweiklassenmedizin charakterisiert, in der vermögende Patienten sich ihren Cannabis in der Apotheke kaufen, bei einem Preis von 14 bis 25 € pro Gramm, während mittellose Patienten weiterhin von Strafverfolgung bedroht sind. Genau diese Situation wollte das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 19. Mai 2005 aufheben, denn das Gericht hatte erklärt, dass man die Patienten nicht auf "ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist" verweisen darf. Es handelt sich bei der Beschlagnahme im konkreten Fall um einen Eingriff in das im Grundgesetz verankerte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit."

Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 19. Mai 2005 geschrieben: "In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden." Zudem regte das Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall die Erlaubnis zum Eigenanbau an. So heißt es im Urteil weiter: "Die Entscheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung."

"Jetzt wird juristisch zu klären sein, ob das staatliche Handeln im konkreten Fall eine Körperverletzung und damit ein Unrecht darstellt, oder ob es ein strafbares Unrecht ist, wenn ein Patient, der nach einer Prüfung durch die Bundesopiumstelle, die der Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums untersteht, Cannabis benötigt, diesen Cannabis für den eigenen medizinischen Bedarf anbaut, weil er sonst aufgrund seiner Einkommensverhältnisse keine Alternative, insbesondere nicht die des Kaufs in einer Apotheke hat", ergänzt Grotenhermen.

Arzt informiert im Auftrag seines Patienten die Staatsanwaltschaft über dessen Eigenanbau von Cannabis

Am 19. August informierte Dr. Franjo Grotenhermen im Auftrag seines Patienten Frank Josef Ackerman die Staatsanwaltschaft Darmstadt über den Eigenanbau von Cannabis durch den an chronischen Schmerzen leidenden Patienten. Herr Ackerman besitzt eine Erlaubnis der Bundesopiumstelle für den Erwerb von Cannabisblüten in der Apotheke. Da er sich diese Cannabisblüten jedoch aus finanziellen Gründen nicht leisten kann, baut er sich seine Medizin selbst an.

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit unterrichte ich Sie im Auftrag meines Patienten Herrn Frank Josef Ackermann darüber, dass dieser Cannabispflanzen zur Therapie seiner schweren chronischen Erkrankungen anbaut. Er besitzt für diesen Anbau keine Erlaubnis, obwohl die Erteilung einer solchen Erlaubnis durch die Bundesopiumstelle nach höchstrichterlichen Urteilen unerlässlich ist. Erlaubnisse zum Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke werden bisher von der Bundesopiumstelle grundsätzlich abgelehnt bzw. mit Verweis auf ein laufendes langwieriges verwaltungsrechtliches Verfahren nicht bearbeitet. Herr Ackerman leidet unter starken chronischen Schmerzen und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit suizidalen Gedankengängen.

Mein Patient besitzt eine Ausnahmeerlaubnis nach Paragraph 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz von der Bundesopiumstelle zu einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie mit Cannabisblüten aus der Apotheke, da andere Therapieverfahren unwirksam sind oder starke Nebenwirkungen verursacht haben. Diese Cannabisblüten werden aus den Niederlanden importiert und an bestimmte Apotheken in Deutschland geliefert, bei denen Patienten mit einer solchen Ausnahmeerlaubnis Cannabis erwerben dürfen. 5 g Cannabis kosten Herrn Ackerman 121,65 Euro.

Herr Ackerman hat aufgrund der krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit nur ein sehr geringes Einkommen, und es ist allen Beteiligten, wie beispielsweise der Bundesopiumstelle, klar, dass Herr Ackerman sich die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht in dem für eine adäquate Therapie erforderlichen Umfang leisten kann. Herr Ackerman steht mit diesem Problem nicht allein da. Bisher weigert sich die Bundesopiumstelle auf Anordnung des Bundesumweltministeriums, diesen Patienten eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau und damit eine adäquate legale Therapie zu genehmigen. Denkbar wäre auch, dass die Bundesregierung ein Programm auflegt, durch das die Cannabisblüten aus der Apotheke auch für Personen mit geringem Einkommen erschwinglich werden.

Die erste Ausnahmeerlaubnis wurde im Sommer 2007 nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04) erteilt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte damals festgestellt, dass die Bundesopiumstelle unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten erteilen muss. In seiner Begründung für das Urteil schreibt das Bundesverwaltungsgericht: "Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kein globaler Akt, der sich auf eine Masse nicht unterscheidbarer Personen bezieht. Sie realisiert sich vielmehr stets durch die Versorgung einzelner Individuen, die ihrer bedürfen." Das Bundesverwaltungsgericht betont in seinem Urteil den hohen Wert des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es schreibt: "In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden."

Ärzte dürften zwar keinen Cannabis verschreiben. Dies hindere "sie aber nicht, einen Patienten medizinisch zu betreuen und zu begleiten, der auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG solche Mittel im Rahmen der Schmerztherapie bei sich anwendet." Auf das Argument, Patienten könnten sich auch vom Arzt Dronabinol verschreiben lassen, auch wenn dieses teuer sei und von den Krankenkassen nicht immer erstattet werde, entgegnete das Bundesverwaltungsgericht: "Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt."

Dem Urteil wird bisher seitens der Bundesregierung nicht adäquat Rechnung getragen, da die Erlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke für viele Patienten keine Lösung darstellt. Auch heute verweist die Bundesopiumstelle damit auf ein Arzneimittel, das für Herrn Ackerman weder ohne weiteres verfügbar noch erschwinglich ist. Die Bundesopiumstelle ist gehalten, den Einzelfall auch hinsichtlich der Vermögensverhältnisse zu prüfen.

Das Bundesverwaltungsgericht regt als Lösung die Erlaubnis zum Eigenanbau nahe, indem es schreibt, „dass insbesondere bei Cannabis" die Erlaubnis zum Eigenanbau in Frage komme. Konkret heißt es im Urteil: "Die Entscheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. Sie muss die konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen möglichen Nutzen in Rechnung stellen. Dieser kann gerade bei schweren Erkrankungen, wie sie hier in Rede stehen, auch in einer Verbesserung des subjektiven Befindens liegen."

Zurzeit finden vor den Verwaltungsgerichten Prozesse für die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken statt, in der die Bundesregierung entschlossen scheint, die Patienten zu einem jahrelangen Rechtsstreit zu zwingen.

Herr Ackerman tut nicht nur nach meinem Rechtsempfinden nichts Unrechtes, und er möchte auch nichts Unrechtes tun. Die Bundesregierung befindet sich dagegen im Unrecht, denn die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Schutzbereichs des Grundrechts, das auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann, trifft für ihn weiter zu.

Ich bitte Sie darum, gegenüber Herrn Ackerman zu erklären, dass sie keine strafrechtlichen Schritte gegen ihn einleiten werden, damit ihm seine Angst vor Strafverfolgung, die ihn über seine schwierige gesundheitliche Problematik hinaus belastet, genommen wird, oder eine Klage zu erheben, damit juristisch geklärt werden kann, ob er aufgrund seiner Notstandssituation berechtigt ist, Cannabis im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie für sich selbst in seiner Wohnung anzubauen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf mehrere Freisprüche von Schwerkranken, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, wegen des Vorliegens eines rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB). Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2004 (3 Ss 187/03) liegt dieser Notstand vor, wenn drei Voraussetzungen vorliegen:

- Es muss eine schwere Erkrankung vorliegen.

- Diese Erkrankung oder Symptome dieser Erkrankung sind mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht oder nicht ausreichend behandelbar.

- Die Verwendung von Cannabis-Produkten muss die Krankheitssymptome tatsächlich lindern.

Diese Voraussetzungen liegen bei Herrn Ackerman vor, da ihm sonst die Bundesopiumstelle keine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke erteilt hätte.

Als Staatsanwaltschaft sind Sie angehalten, Rechtsverstößen nachzugehen. Ich bitte Sie abzuwägen, ob Herr Ackerman gegen das Gesetz verstößt oder nicht. Eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahmung der Cannabisblüten und damit ein Abbruch der ärztlich begleitenden Selbsttherapie wäre sicherlich ein schwerer Eingriff in die gesundheitliche Situation meines Patienten. Ich würde sie aus ärztlicher Sicht und auch im Sinne der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberlandesgerichts Karlsruhe sowie in Kenntnis seiner schweren Erkrankungen als Körperverletzung bzw. als Verletzung des Schutzbereichs des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit betrachten.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. F. Grotenhermen

Nachrichtlich

Frank-Josef Ackerman

(…)

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

- Bundesopiumstelle –

Dr. Peter Cremer-Schaeffer

Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3

53175 Bonn

Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags

Dr. Carola Reimann, Vorsitzende

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Presseschau: Schweiz führt Bußgeldregelung für Kiffer ein (Taz-Blog)

Hans Cousto bericht in seinen Taz-Blog über die Einführung einer Bußgeldregelung für Cannabiskonsumenten in der Schweiz. Bis zu einer Menge von 10 g erhalten Cannabisbesitzer ein Bußgeld in Höhe von 100 Schweizer Franken (etwa 80 Euro). Ein Strafverfahren entfällt. Der Besitz größerer Mengen und der Eigenanbau werden weiterhin strafrechtlich verfolgt.

Schweiz führt Bußgeldregelung für Kiffer ein

Bewegte Bilder: Cannabis gegen Arthritis (Tagesschau)

Die ARD berichtete über die stark zunehmende Verwendung von Cannabis als Medizin in Israel, vor allem auch durch ältere Patienten in Altersheimen. Cannabis wird zunehmend akzeptiert und deutlich über 10.000 israelische Bürger dürfen die Droge zur Linderung unterschiedlicher Erkrankungen verwenden. Die Zahl nimmt weiter stark zu.

Cannabis gegen Arthritis

Rifka litt an massiver Arthritis. Die Schmerzen waren so stark, dass sie nicht mehr leben wollte. Doch dann begann die 85-Jährige, Cannabis zu nehmen - und seitdem ist das Leiden weg. Ein Einzelfall? Nein, in Israel gilt Cannabis als neue Wundermedizin.

Presseschau: Mexiko: Dalai Lama für die medizinische Verwendung von Marihuana (Latina.press.com)

Während seines Aufenthaltes in Mexiko sprach sich der Dalai Lama, das spirituelle Oberhaupt der Tibeter, für die Verwendung von Cannabis als Medizin aus, während er den Konsum zu Freizeitzwecken ablehnte.

Mexiko: Dalai Lama für die medizinische Verwendung von Marihuana