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ACM-Mitteilungen vom 22. Oktober 2011

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Antrag auf einstweilige Verfügung für Eigenanbau von Cannabis geht in die nächste Instanz

Zwei Mitglieder des Selbsthilfenetzwerks Cannabis Medizin (SCM) hatten versucht, vor dem Verwaltungsgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zu erwirken, die ihnen den Anbau von Cannabis ermöglichen sollte. Beide Kläger sind bereits im Besitz einer Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Cannabis aus Apotheken. Da dieser Cannabis jedoch mit erheblichen Kosten (durchschnittlich etwa 15-18 Euro pro Gramm) verbunden ist, können sich viele Erlaubnisinhaber dieses Produkt, das aus den Niederlanden importiert wird, finanziell nicht leisten. Das Verwaltungsgericht Köln hat ihren Antrag abgelehnt. Beide haben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Darüber muss jetzt das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden. Dort steht bereits ein Antrag eines MS-Patienten mit dem gleichen Ziel zur Entscheidung an.

Auf der Internetseite Apotheke Adhoc heißt es dazu:

"Betäubungsmittelrecht: Streit um Cannabis-Anbau

Berlin - Seit Sommer ist mit Sativex das erste Cannabis-haltige Fertigarzneimittel in Deutschland auf den Markt. Wer dagegen Cannabisblüten zur Schmerzbehandlung benötigt, muss die Zutaten für Tee oder Inhalation aus dem Ausland beziehen. Mehrere Patienten wollen die Pflanzen selbst anbauen und klagen gegen ablehnende Bescheide des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Drei Verfahren haben es bis zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster geschafft.

In einem Fall hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln das BfArM zu einem erneuten Bescheid verpflichtet; in den beiden anderen Fällen waren die Patienten gescheitert. Sie fordern eine vorübergehende Anbauerlaubnis bis zur Entscheidung im eigentlichen Verfahren; eine einstweilige Anordnung finden sie als Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens unzulässig.

Den Richtern zufolge haben die Kläger ihren Anspruch nicht glaubhaft begründet. Die jeweiligen Beschwerden könnten mit Medizinalhanf aus der Apotheke wirksam bekämpft werden. Das BfArM könne eine Anbauerlaubnis „nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Interessen erteilen“, so das VG. Die Antragsteller hätten auch nicht glaubhaft dargestellt, dass sie die Kosten für die Cannabisblüten nicht tragen könnten.

Für die Beschwerden der beiden weiteren Patienten sind noch keine Termine festgelegt. Ob die Berufung des BfArM zulässig ist, muss erst noch entschieden werden."

(Quelle: Apotheke Adhoc vom 21. Oktober 2011)

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts grundsätzlich keine Erstattungspflicht für Dronabinol

Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 13.10.2010 (Az.: B 6 KA 48/09 R) festgestellt, dass die Verordnung eines Medikamentes (Megestrolazetat) auch bei Krebskranken nicht von den Krankenkassen erstattet werden muss. Bisher war vielfach davon ausgegangen worden, dass aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 zumindest bei regelmäßig tödlichen Erkrankungen eine Erstattungspflicht für nicht zugelassene Medikamente bestehe, wenn diese den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Dies gab bisher einen kleinen Spielraum auch für die Kostenerstattung von Dronabinol.

Die Richter des Bundessozialgerichts stellten jedoch klar, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich nicht auf die Verbesserung der Lebensqualität, sondern nur auf die Erfüllung der Hoffnung des Patienten auf eine rettende Behandlung in einer aussichtslosen gesundheitlichen Situation. Hoffnung könne in diesem Sinne ein Patient aber nur mit den Behandlungsmethoden verbinden, die geeignet sind, auf seine mutmaßlich tödlich verlaufende Grunderkrankung als solche einzuwirken. Nur bei einer Aussicht auf Heilung könne die Krankenkasse eine Behandlung nicht wegen Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigern. Da Cannabisprodukte keine Heilungsaussichten bei regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen eröffnen, sind die Krankenkassen auch bei Dronabinol vermutlich ebenfalls grundsätzlich nicht zu einer Kostenerstattung verpflichtet.

Hintergrund:

Die Krankenkassen sind grundsätzlich nicht zu einer Kostenerstattung von Dronabinol verpflichtet, da es arzneimittelrechtlich nicht zugelassen ist. Sie müssen auch eine Behandlung mit Sativex außerhalb der Indikation "mittelschwere bis schwere Spastik bei multipler Sklerose" nicht erstatten. Ein Off-Label-Use, eine Verwendung außerhalb der zugelassenen Indikation muss nur unter strengen Voraussetzungen von den Krankenkassen erstattet werden.

Am 6. Dezember 2005 hat das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 347/98) entschieden, dass bei einer "lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung" die Kosten einer Behandlung erstattet werden müssen, wenn "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht."

In dem Urteil vom Oktober 2010 hat das Bundessozialgericht diese Aussage präzisiert. Es heißt darin, dass diese "nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht, nur insoweit, als eine Aussicht auf Heilung der Grunderkrankung selbst oder auf positive Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung als solcher besteht."

Urteil des Bundessozialgerichts 2010:

In dem Fall des Bundessozialgerichts ging es um einen Arzt, der das Arzneimittel Megestrolazetat bei einem Krebskranken zur Appetitsteigerung verschrieben hatte. Die Krankenkasse hatte ihn darauf in Regress genommen, das heißt, die Behandlungskosten in Höhe von etwa 4000 Euro vom behandelnden Arzt zurückverlangt.

Die Krankenkasse habe argumentiert: "Megestat sei nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen; der vom Kläger behandelte Patient sei dagegen an Bronchialkrebs erkrankt gewesen."

Der Arzt habe argumentiert: "Außer einer (...) lebensbedrohlichen Erkrankung und dem Fehlen einer Therapiealternative habe auch eine Aussicht auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden. Zwar seien die Behandlungen mit Megestat nicht auf die Heilung des Tumors als solchen angelegt gewesen, aber sie seien gegen die mit diesem Grundleiden einhergehende - nicht eigenständige - (Begleit-)Erkrankung der (Tumor-)Kachexie gerichtet gewesen und durch die Bekämpfung der damit einhergehenden weiteren Krankheitsauswirkungen wie starke Abmagerung, allgemeiner Kräfteverfall, Appetitlosigkeit und Apathie geeignet gewesen, eine Gewichtszunahme, eine Stärkung des Organismus und eine Förderung des psychischen Wohlbefindens und des Lebenswillens zu bewirken und damit zu einer Verlängerung der lebenswerten Lebenszeit und auch zu einer - manchmal sogar signifikanten - Verlängerung des Lebens insgesamt zu führen."

In der Begründung schreibt das Gericht: "Dabei ist stets der Ausgangspunkt des BVerfG [Bundesverfassungsgericht] zu beachten, nämlich dass nur insoweit, als eine lebensbedrohliche Erkrankung und deren Heilung in Frage steht, die erweiternde Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V geboten ist. Dementsprechend gilt der Maßstab, dass eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht, nur insoweit, als eine Aussicht auf Heilung der Grunderkrankung selbst oder auf positive Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung als solcher besteht. (...) Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es hier nicht darauf an, ob durch den Einsatz von Megestat der Appetit von Patienten, die er wegen eines Bronchialkarzinoms behandelte, wiederhergestellt und ob dadurch eine günstigere Prognose hinsichtlich der diesen noch verbleibenden Lebenszeit erreicht werden konnte. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) soll dem Patienten - bildlich gesprochen - der Strohhalm der Hoffnung auf Heilung, an den er sich klammert, nicht wegen Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigert werden. Hoffnungen in diesem Sinne kann ein Patient aber nur mit Behandlungsmethoden verbinden, die darauf gerichtet sind, auf seine mutmaßlich tödlich verlaufende Grunderkrankung als solche einzuwirken."

(Quelle: Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.10.2010 auf der Internetseite des Bundessozialgerichts)

Linke für rechtliche Gleichbehandlung aller Drogen

In ihrem Grundsatzprogramm, das die Linke auf ihrem Bundesparteitag in Erfurt verabschiedet hat, fordert die Partei langfristig die Legalisierung aller Drogen, da die Repression kein geeignetes Mittel der Drogenpolitik darstelle und die Situation der Betroffenen verschlechtere. Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu in einem Beitrag mit dem Titel "Linke will alle Drogen freigeben":

(Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 22. Oktober 2011)