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ACM-Mitteilungen vom 8. Oktober 2016

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Diese Ausgabe der ACM-Mitteilungen befasst sich noch einmal mit der Anhörung am 21. September zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/8965) zu Cannabis als Medizin. So behandelt das Deutsche Ärzteblatt die Skepsis der Experten und Verbände hinsichtlich der Anforderungen an eine Austherapiertheit als Vorbedingung für eine Kostenübernahme für Cannabis-basierter Medikamente durch die Krankenkassen.

Ein zweites Thema ist die erstmalige Erlaubnis des Eigenanbaus durch einen Patienten, eines Patienten mit multipler Sklerose aus Mannheim, der sich die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht leisten kann. Die Bundesopiumstelle war nach einem jahrelangen Rechtsstreit durch ein Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 2016 verpflichtet worden, eine solche Erlaubnis zu erteilen. Die Erlaubnis ist bis zum Sommer 2017 befristet, da die Bundesopiumstelle dann hofft, dass der Eigenanbau aufgrund des geplanten Gesetzes nicht mehr erforderlich sein wird, weil der Erlaubnisinhaber dann die Kosten seiner Behandlung durch seine Krankenkasse ersetzt bekommt.

Das Urteil und die Genehmigung stellen eine Mahnung an den Gesetzgeber dar, ein gutes Gesetz zu verabschieden.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Presseschau: Medizinisches Cannabis: Vorgabe austherapiertheit ist unzumutbar (aerzteblatt.de)

Das Deutsche Ärzteblatt berichtete am 30. September über die Anhörung im Gesundheitsausschuss am 21. September in Berlin. Dabei konzentrierte sich der Artikel auf die Diskussion um die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme von Cannabisblüten und Cannabis-basierten Medikamenten durch die Krankenkassen. Diese wurde von allen geladenen Sachverständigen und den meisten Verbänden als zu streng bzw. nicht praktikabel kritisiert. Insbesondere war den Kritikern unklar, wie der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Notwendigkeit einer Therapie beurteilen will.

Medizinisches Cannabis: Vorgabe Austherapiertheit ist unzumutbar

Grundsätzlich begrüßten die meisten Sachverständigen, die zur Anhörung in den Bundestags-Gesundheitsausschuss am 21. September eingeladen waren, den Gesetzentwurf, der eine reguläre Verordnung von cannabishaltigen Arzneimitteln, Cannabisblüten und -extrakten vorsieht. Kritisch betrachteten sie jedoch die Vorgabe der Begleiterhebung als Voraussetzung für die Cannabistherapie, den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen sowie die geforderte „Austherapiertheit“, bevor Patienten medizinisches Cannabis erhalten können.

„Die klinische Erfahrung mit medizinischem Cannabis ist eindeutig und erdrückend – allerdings gibt es nur wenige Studien, die dies belegen“, sagte Prof. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl, Medizinische Hochschule Hannover. Es gebe einige klare Indikationen. Viele Patienten nähmen Cannabis aber auch bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Depressionen, ADHS oder Posttraumatischen Belastungsstörungen. Dringend notwendig seien deshalb mehr klinische Studien, insbesondere zur Therapie mit Cannabisblüten. „Patienten berichten, dass Cannabisblüten besser wirken – ich habe daran keinen Zweifel“, betonte die Neurologin und Psychiaterin.

„Patienten mit chronischen Schmerzen reagieren auf Opioide oftmals nicht mehr. Ihnen kann Cannabis helfen“, ergänzte Prof. Dr. med. Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland. Die Verschreibung sollte aber in die Hände von Schmerztherapeuten, forderte er.

Der Vertreter der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Lukas Radbruch, kritisierte indes den im Gesetzentwurf vorgesehenen Genehmigungsvorbehalt durch die Krankenkassen. „Es gibt womöglich Hürden, wenn die Kostenübernahme vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen bestätigt werden muss.“ Die Indikationsstellung müsse beim Arzt liegen, forderte der Palliativmediziner.

Kritik an Begleiterhebung

Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, die Kostenerstattung an eine wissenschaftliche Begleiterhebung zu knüpfen, mit der Begründung, die Wirksamkeit der Behandlung zu erforschen. „Wir haben hierbei erhebliche ethische und datenschutzrechtliche Bedenken“, erklärte Radbruch und weiter: „Mit solch einem Instrument wird man die Wirksamkeit nicht erfassen können.“ Von einer Verpflichtung sollte daher abgesehen und auf eine freiwillige Teilnahme gesetzt werden.

Auch der Medizinrechtsexperte Dr. jur. Oliver Tolmein gab zu bedenken, dass die Verpflichtung zur Teilnahme an der Begleiterhebung „auf unverhältnismäßige Weise“ in das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Patienten eingreife. Hinzu kämen datenschutzrechtliche Probleme. Die Vertreterin des GKV-Spitzenverbands, Antje Haas, sprach sich eindeutig gegen eine freiwillige Teilnahme der Betroffenen aus. „Wir sind froh über die Begleiterhebung.“ Sie sollte behandelt werden wie eine wissenschaftliche Studie, damit der Gemeinsame Bundesausschuss evidenzbasierte Entscheidungen treffen könne.

Kritisch sahen viele Sachverständige darüber hinaus die Vorgabe der „Austherapiertheit“. Schmerzmediziner Nadstawek bezeichnete diese Vorgabe als „Flaschenhals“. „Für den Patienten ist es unzumutbar, jedes Medikament auszuprobieren, bevor er Cannabis bekommen kann – für den Arzt ist es grober Unfug.“ Auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, Dr. med. Franjo Grotenhernen, findet diese Vorgabe „nicht sinnvoll“. Es könne nicht angehen, dass Patienten unnötig lange leiden müssten, bevor sie Cannabis erhielten. „Grundsätzlich müssen wir uns die Frage stellen, ob wir die Patienten – die oftmals mehr Erfahrungen mit Cannabis haben als wir Ärzte – ernst nehmen oder nicht“, sagte er.

Presseschau: Blüten auf Rezept? (mitmischen.de)

Auch auf mitmischen.de, einem Portal zum Bundestag wurde die Anhörung am 21. September diskutiert.

Blüten auf Rezept?

Ärzte setzen Cannabis in Deutschland schon heute bei Schwerkranken ein. Die Hürden sind bisher allerdings hoch. Mit einem neuen Gesetz soll der Weg für die Patienten einfacher gemacht werden. Von Experten im Bundestag gab es auch Kritik an dem Entwurf der Bundesregierung.

Depressionen, anhaltende Schmerzen, Multiple Sklerose: Es gibt viele Krankheiten, bei denen Cannabis als Medikament zum Einsatz kommen kann. Bisher geht das nur in Ausnahmefällen. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung soll das ändern. Der sieht vor, dass Ärzte Cannabis in Blütenform und anderen Zubereitungen verschreiben dürfen, ohne bei der Bundesopiumstelle eine Erlaubnis einholen zu müssen. Es wird damit zu einem regulären Medikament für Schwerkranke. Im April hatten laut dem Gesundheitsministerium 647 Patienten eine Sondergenehmigung und durften legal Cannabis konsumieren. Allerdings müssen sie die Kosten noch selbst tragen.

"Verbessert Lebensqualität"

Mediziner, Psychologen und Rechtsexperten begrüßten die Pläne bei einer Anhörung im Bundestag am 21. September, sahen allerdings in den Vorschlägen der Regierung einige Mängel. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl von der medizinischen Hochschule Hannover, erläuterte, ein großer Vorteil liege darin, dass Cannabis nicht nur gegen ein einzelnes Symptom helfe, sondern mehrere Symptome gleichzeitig lindern könne. So gebrauchten es psychisch Kranke im Idealfall sowohl gegen Schmerzen als auch gegen Depressionen und Schlafstörungen. "Wir können damit also die Lebensqualität der Patienten insgesamt verbessern und das ist glaube ich ein gutes Ziel einer Behandlung", sagt sie.

Patienten mehr Erfahrung als Ärzte

Ein großer Streitpunkt ist die fehlende Erfahrung im medizinischen Umgang mit den Cannabisblüten. Es gibt noch keine wissenschaftlichen Studien darüber, bei welchen Krankheiten und Symptomen Cannabis überhaupt wirkt. Die Ärzte vertrauen auf ihre Erfahrung und die Berichte der Patienten. Allerdings sei das keine ungewöhnliche Situation, erklärt der Arzt Dr. med. Franjo Grotenhermen: "Letztlich muss ich immer gucken ob es wirkt oder eben nicht." Das sei bei mehr oder weniger allen Medikamenten so. "Wenn ich mit Cannabis arbeite, muss ich aber noch einen Schritt weiter gehen, da die Patienten häufig mehr Erfahrung haben als die Ärzte."

Im Gesetz ist bei einer Übernahme der Kosten eine verpflichtende Begleitforschung vorgesehen, die die Wirksamkeit des Medikaments nachweisen soll. Nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen Ärzte fünf Jahre lang bestimmte Daten dokumentieren. Dazu zählen unter anderem die Symptome, die Dosis des Medikaments und Nebenwirkungen. Diese Daten sollen anonym an die zuständige Stelle weitergegeben und dort ausgewertet werden.

Dieses Vorgehen wird rechtlich stark kritisiert. Nicht nur, dass Patientendaten weitergegeben werden, sondern vor allem der Zwang dazu steht im Blickpunkt der Gegner. Der Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein sieht in der verpflichtenden Teilnahme sogar einen Verstoß gegen die Verfassung.

Eigenanbau nicht erlaubt

Ein weiterer Kritikpunkt: Eigenanbau von Cannabis zur Selbsttherapie sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Bei den Patienten handelt es sich um Schwerkranke, die nur selten arbeiten gehen können. Viele können sich das teure Cannabis aus der Apotheke deswegen nicht leisten. Sie klagten sich in den vergangenen Jahren deshalb das Recht ein, die Pflanzen selbst zuhause anbauen zu dürfen. Eine regelmäßige Kontrolle, ob die Pflanzen richtig gehalten oder die Ernte sogar weitergegeben wird, ist kaum möglich. Die Bundesregierung sieht deshalb die Gefahr "von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten" und bewertet den Eigenanbau im Gesetzentwurf als "nicht zielführend".

Krankenkassen sollen Kosten übernehmen

Um den Argumenten der Patienten entgegenzuwirken, sollen die Kosten in Zukunft von der Krankenkasse übernommen werden können. Ein Sonderfall: Das gilt nämlich eigentlich nur für Medikamte, die zuvor getestet und zugelassen worden sind. Das ist bei Cannabis nicht der Fall.

"Dieser Systembruch mit seiner Wirkung als Vorbild ängstigt uns gerade zu etwas", sagt Antje Harch vom GKV. Sie vertritt die Krankenkassen als Expertin im Bundestag. Es würde erstmals ohne die entsprechende Sicherheit einer Zulassung ein Medikament eingesetzt, von welchem nicht klar wäre, ob es überhaupt wirke. "Patienten haben aber bisher keinen Anspruch auf nicht-zugelassene Arzneimittel", führt sie aus. Gerade mit Blick auf die Zukunft sei die Begleitforschung und eine Kontrolle durch die Krankenkassen bei der ersten Verschreibung deshalb wichtig.

Patienten sehen praktische Probleme

Patienten befürchten, dass sich gerade wegen der Kontrolle bei der ersten Verschreibung die Kostenerstattung durch die Krankenkassen in die Länge ziehen könnte. Die Krankenkassen müssen laut Gesetzesentwurf nur bezahlen, wenn es kein anderes Medikament gibt, das den schwerkranken Patienten langfristig hilft.

Maximilian Plenert hat selbst eine Sondergenehmigung, Cannabis konsumieren zu dürfen und vertritt die "Selbsthilfegruppe Cannabis als Medizin". Er sieht es als großen Fortschritt, dass Cannabis in Zukunft verschrieben werden können soll. Allerdings würde sich seiner Meinung nach aus Kostengründen an der faktischen Versorgungslage nichts ändern. Wegen der aufwendigen Anträge würden es Ärzte zumindest zu Beginn vermeiden, Cannabis zu verschreiben.

Polizei nicht geschult

Der Hanfverband, der sich für eine Legalisierung von Cannabis einsetzt, sieht abseits dieser Diskussionen noch praktische Probleme. Die Polizei sei überhaupt nicht geschult, es gebe keine Regeln zum Autofahren und der Konsum in der Öffentlichkeit sei auch nicht geklärt. Der Vorsitzende des Verbandes mahnt: "Wir brauchen klare Regeln und die müssen klar an die einzelnen Behörden kommuniziert werden."

In anderen Ländern ist der Umgang mit Cannabis übrigens sehr unterschiedlich geregelt. Während Frankreich ähnliche Gesetze wie Deutschland aktuell hat, ist in Tschechien Cannabis als Medikament erlaubt. Allerdings kommt es seit der Einführung 2013 zu großen Verzögerungen in der Lieferung. In den Niederlanden und einzelnen Staaten der USA darf Cannabis auch zu nicht-medizinischen Zwecken konsumiert werden.

Presseschau: Schwerkranker darf Cannabis zu Hause züchten (Spiegel online)

Mehrere Medien griffen eine Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) auf, in der über die erste Genehmigung zum Eigenanbau von Cannabispflanzen für einen Mann mit Multiple Sklerose aus Mannheim durch die Bundesopiumstelle berichtet wurde.

Schwerkranker darf Cannabis zu Hause züchten

Gefährliche Droge oder lindernde Medizin? Cannabis können überhaupt nur wenige Patienten legal kaufen. Nun darf in Deutschland erstmals ein Schwerkranker die Pflanzen auch zu Hause anbauen.

Erstmals in Deutschland darf ein auf medizinisches Cannabis angewiesener Patient sein Hanf selbst anbauen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat einem 53 Jahre alten Mann aus Mannheim erlaubt, in seinem Badezimmer maximal 130 Cannabispflanzen pro Jahr für den Eigengebrauch anzubauen. Das bestätigte ein Sprecher der Bonner Behörde. Der Patient leidet an Multipler Sklerose.

Das Bundesinstitut hatte den Eigenanbau zuvor stets abgelehnt. Zwar gibt es in Deutschland mehr als 900 Patienten, die Cannabis als Medikament verwenden dürfen. Sie müssen es aber bisher in der Apotheke kaufen und die Kosten selber tragen. Für das Gramm fallen in der Apotheke rund 15 Euro an.

Der Mannheimer hatte durch mehrere Instanzen geklagt und argumentiert, dass er monatlich rund 1500 Euro für sein Cannabis ausgeben müsse. Das könne er sich nicht leisten. Im Frühjahr hatte das Bundesverwaltungsgericht die Behörde verpflichtet, "dem Kläger zu erlauben, Cannabis anzubauen, zu ernten und zum medizinischen Zweck seiner Behandlung zu verwenden". Cannabis helfe dem Mann, der unter anderem an spastischen Lähmungen, Sprachstörungen und depressiven Störungen leidet. Dieses Urteil setzt die Behörde nun um.

"Das ist eine Klatsche für die Politik, die es bisher nicht geschafft hat, ein erstes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2005 korrekt umzusetzen", sagte ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. Mit der Entscheidung hätten erstmals gesundheitspolitische Erwägungen Vorrang vor einer grundsätzlichen Ablehnung der Selbstversorgung bekommen.

Die Bundesregierung hatte im Frühsommer einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem es Hanf in bestimmten Fällen auf Rezept geben soll. Sollten die Kosten künftig von den Krankenkassen übernommen werden, erlischt die zunächst bis Sommer 2017 erteilte Ausnahmeerlaubnis für den Mannheimer MS-Patienten.

Bis dahin darf er aber bis zu 20 Hanfpflanzen gleichzeitig in seinem Badezimmer züchten. Nicht benötigte Pflanzen oder geerntete Pflanzenteile müssen laut der Erlaubnis vernichtet werden. Außerdem muss er seine Hanf-Medizin in einem "Wertschutzbehältnis" sichern.

Medizinisches Cannabis kommt bei verschiedenen Krankheiten zum Einsatz, dazu zählt auch das Tourette-Syndrom, bei dem das Mittel die typischen Tics abmildern soll.

Presseschau: Erste Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis (Legal Tribune Online)

Auch Legal Tribune Online berichtete über die erste Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabisblüten für einen Patienten.

Erste Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis

Bislang erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel auch Schwerkranken keine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis, im April wurde es vom BVerwG dazu verprflichtet. Der an multipler Sklerose erkrankte Kläger erhielt nun als erster eine Lizenz.

Im Frühjahr diesen Jahres entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), einem an Multipler Sklerose erkrankten Patienten müsse erlaubt werden, die für seine Behandlung notwendige Menge an Cannabis selbst anzubauen. Nun ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dieser Verpflichtung nachgekommen und hat dem Mann die Erlaubnis erteilt, wie ein Sprecher der Behörde am Sonntag bestätigte.

Der 53-jährige Mannheimer leidet unter anderem an spastischen Lähmungen, Sprachstörungen und depressiven Störungen. Zum Zwecke der Behandlung benötigt er Cannabis, welches in Deutschland bislang auch bei ärztlicher Verschreibung nur auf eigene Kosten in der Apotheke erworben werden kann. Pro Gramm fallen dabei rund 15 Euro an.

Im Falle des Klägers hätten sich die Kosten nach seiner Darstellung auf etwa 1.500 Euro pro Monat belaufen. Der Mann argumentierte daher, er könne sich die zu seiner Behandlung erforderliche Menge nicht leisten und klagte durch mehrere Instanzen. Letztlich gab ihm das BVerwG recht und verpflichtete die Behörde, ihm den Anbau und die Verwendung der Pflanzen in seiner Wohnung zu erlauben.

Die nun erteilte Ausnahmegenehmigung gilt vorerst bis Sommer 2017 und sieht vor, dass der Patient bis zu 20 Pflanzen gleichzeitig in seinem Badezimmer züchten darf. Maximal 130 Pflanzen dürfen es pro Jahr sein. Daneben gelten aber noch weitere Auflagen. So müssen alle überflüssigen Pflanzenbestandteile vernichtet und die Medizin in einem speziellen Behältnis aufbewahrt werden.

"Das ist eine Klatsche für die Politik, die es bisher nicht geschafft hat, ein erstes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2005 korrekt umzusetzen", sagte ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. Mittlerweile hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, nach dem Cannabis zukünftig verschrieben und von der Krankenkasse erstattet werden könnte.

Presseschau: BfArM genehmigt ersten Eigenanbau von Cannabis (Deutsche Apotheker Zeitung)

Auch Fachzeitschriften aus dem Medizinbereich griffen das Thema Eigenanbau auf.

BfArM genehmigt ersten Eigenanbau von Cannabis

Eine Entscheidung in letzter Instanz zwang das BfArM, einem ersten Schmerzpatienten den Eigenanbau von Cannabis zu genehmigen. Nun liegt die Erlaubnis vor. Sie erlischt zu dem Zeitpunkt, an dem ein geplantes Gesetz der Bundesregierung Cannabis-Produkte aus der Apotheke erstattungsfähig macht.

Lange sträubte sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dagegen, doch nun hatte es keinen Entscheidungsspielraum mehr: Wie am Wochenende bekannt wurde, erteilte die Behörde am 28. September erstmals einem Patienten die Erlaubnis, Cannabis für den eigenen medizinischen Bedarf anzubauen. Nach Auskunft des Anwalts des Patienten, Oliver Tolmein, ist die Genehmigung bis zum 30. Juni 2017 befristet.

„Mit dieser ersten Eigenanbauerlaubnis für einen Patienten, der Cannabis als Medizin benötigt, sie aber aus Kostengründen nicht über die Apotheke beziehen kann, haben gesundheitspolitische Erwägungen Vorrang vor der drogenpolitisch motivierten, grundsätzlichen Ablehnung der Selbstversorgung bekommen“, erklärte Tolmein in einer Stellungnahme. Er hatte zusammen mit seinem an Multiple Sklerose erkrankten Patienten über Jahre hinweg geklagt und im April vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz Recht bekommen: Da der von Tolmein vertretene 53-jährige Patient sich Cannabisprodukte nicht leisten kann, wurde ihm das Recht zugesprochen, selber Hanf anzubauen, womit er schon vor längerer Zeit begonnen hat.

Geplantes Gesetz

Die Richter haben dabei dem BfArM keinen Ermessensspielraum zugestanden, so dass es zu der Entscheidung gezwungen war. Für Anfang nächsten Jahres plant die Große Koalition ein Gesetz, das Cannabis für Schmerzpatienten ohne andere Behandlungsoptionen rezept- und erstattungsfähig machen soll. Tolmein begrüßt, dass die Gerichtsentscheidung das „sehr begrüßenswerte“ Gesetzesvorhaben beeinflusst: Es ermöglicht Patienten, sich mit medizinisch notwendigen Cannabisblüten legal selbst zu versorgen, sollten die Krankenkassen und der Gemeinsame Bundesausschuss ihre kritische Haltung gegenüber dem Sachleistungsanspruch auf Cannabis-basierte Medikamente beibehalten.

Presseschau: Cannabis auf Rezept: Hunderte Apotheken beantragen Lizenz (Der Westen)

So wie die Verwendung von Cannabisblüten auf der Grundlage einer Genehmigung durch die Bundesopiumstelle in den letzten Jahren zugenommen hat, so ist auch die Zahl der Apotheken, die Patienten mit Cannabisblüten beliefern, gestiegen. In diesem Zusammenhang gab die Bundesregierung auch neue Zahlen für Erlaubnisinhaber bekannt. 900 Patienten besitzen gegenwärtig eine Erlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke.

Hunderte Apotheken beantragen Lizenz

Cannabis wird teillegalisiert. Kranke erhalten es demnächst auf Rezept. Schon heute bekommen immer mehr Apotheken eine Sondererlaubnis zum Verkauf.

Die Essener Zollfahnder, die für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig sind, kennen natürlich diesen süßlichen Geruch. Massenweise haben sie in ihrem Kampf gegen illegale Betäubungsmittel in den letzten Jahren zwischen Siebengebirge und norddeutscher Tiefebene Indoor-Plantagen geräumt und – wie 2015 – rund 3500 Cannabis-Pflanzen beschlagnahmen können. Hubschrauber mit Wärmebildkameras haben dabei geholfen. Denn NRW ist ein Hot Spot. Die Niederlande sind nah. Im Rhein-Ruhr-Raum wohnt viel Kundschaft der Partydroge. Und ernst zu nehmende Warnungen werden nicht leiser, dass der Rausch durch illegale niedrigschwelligere Drogen auch wegen neuer Mischungsverhältnisse gefährlich ist.

Doch bald kann der süße Duft auch aus der nächsten Apotheke herüberwehen. Die Bundesregierung öffnet den Drogenkonsum - zur Heilung und zur Schmerzlinderung für Patienten, die an schweren Krankheiten leiden. Schon im Vorgriff auf das für 2017 erwartete Inkrafttreten des Gesetzes, das den Kauf auf ärztliches Rezept hin erlauben wird, sind die Bestellungen von Cannabis bei Apotheken an Rhein und Ruhr stark angestiegen. Das geht mit einer Sondergenehmigung, der so genannten Apothekenerlaubnis. Sie wird in fast allen Fällen innerhalb eines Zeitraums bis zu drei Monaten gegeben, meist für getrocknete Blüten oder Extrakte.

Bayern bei den Apothekenerlaubnissen an der Spitze

Ganze drei dieser Genehmigungen gab es für NRW im Jahr 2011. 2014 waren es schon 23, 33 ein Jahr darauf. Jetzt sind, von Januar bis August in diesem Jahr, bereits 39 erteilt worden. Dabei ist das bevölkerungsstärkste Bundesland bundesweit nicht einmal an der Spitze der legalen Cannabis-Nutzung. Dort liegt, sicher zur Überraschung vieler, der Freistaat Bayern mit über 50 Apothekenerlaubnissen. 167 gab es dort seit 2011, in NRW insgesamt 125. Die Zahlen hat jetzt die Bundesregierung genannt. Bundesweit nutzen die Möglichkeit der legalen Beschaffung heute ungefähr 900 Personen.

Die Daten drücken den grundsätzlichen Wandel aus: Cannabis wird als Rauschmittel verboten bleiben, aber Deutschland wird Ländern wie den Niederlanden, Kanada und Israel folgen Dort dürfen Bürger die medizinische Wirkung der Pflanze seit Langem nutzen.

Das Bundesgesundheitsministerium verhandelt derzeit mit Behörden in diesen Staaten über Importmöglichkeiten nach Deutschland. Darüber hinaus wird wohl – streng überwacht - auch der Anbau in Privathaushalten erlaubt, wenn der Inhaber dafür eine Genehmigung hat.

Gerichte treiben die Politik

Die Politik ist dabei von den Gerichten getrieben worden. Auf die Klage des Rechtsanwalts Michael Fischer hin entschied das Bundesverwaltungsgericht vor wenigen Monaten, dass das Kölner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dem an Multipler Sklerose erkrankten Juristen die Ausnahmegenehmigung zum Cannabis-Eigenanbau erteilen muss. Einer der Gründe: Krankenkassen erstatten die recht hohen Kosten für die Pflanze nicht.

Dabei haben die Richter festgeklopft, wie weit Cannabis künftig als legal gilt. Die Bekämpfung einer Krankheit sei ein viel höheres Rechtsgut als ein „Recht auf Rausch“, stellten sie fest. Schon die „Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit“ stelle eine Linderung dar, die im öffentlichen Interesse gefördert werden müsse.128 Antragsteller haben sich nach diesem Urteil gemeldet, die eine eigene Plantage zur Selbstversorgung anlegen wollen.Noch ist offen, in welchen Fällen Cannabis nach der Gesetzesänderung als Heil- und Schmerzmittel überhaupt eingesetzt werden darf. Dem Bundestag liegt eine Liste von 60 Krankheiten vor. Realistisch ist, die 13 klinischen Prüfvorhaben zur Grundlage zu machen, die derzeit erteilt sind. Danach könnte Cannabis unter anderem zur Linderung bei chronischen Tumorschmerzen oder bestimmten psychischen Erkrankungen genutzt werden.

Presseschau: Kaum Burnouts, viele Vorurteile: Die Ergebnisse der Medscape-Umfrage zum Lebensstil von deutschen Ärzten (Medscape)

Eine Umfrage von Medscape zeigt, dass deutsche Ärzte im europäischen Vergleich die meiste Erfahrung mit der Verschreibung von Cannabis-basierten Medikamenten haben.

Die Ergebnisse der Medscape-Umfrage zum Lebensstil von deutschen Ärzten

In unserem Lifestyle-Report analysieren wir das Privatleben und die Ansichten in Deutschland lebender Ärzte, und vergleichen die Ergebnisse mit Kollegen aus aller Welt. In diesem Jahr sind dabei zum Beispiel ein paar erstaunliche Ergebnisse zur beruflichen Zufriedenheit und zu Vorurteilen gegenüber Patienten herausgekommen. Zudem zeigen die kommenden Slides, dass es zwischen den verschiedenen Ländern teilweise deutliche Unterschiede in Bezug auf Burnout und Gesundheit von Ärzten gibt.

Slide 22

Deutsche Ärzte haben im europäischen Vergleich die meiste Erfahrung mit der Verschreibung von Marihuana für den medizinischen Gebrauch. Die große Mehrheit der Ärzte glaubt, dass es nicht verschrieben werden kann, ein Drittel ist anderer Meinung. Das zeigt die große Unsicherheit, die bei diesem Thema noch herrscht. Tatsächlich haben die 44 % recht, die eine Verschreibung für möglich halten – allerdings bislang nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen.

Slide 23

Einer von fünf deutschen Ärzten hat schon einmal Marihuana für den persönlichen Gebrauch geraucht. Das entspricht etwa dem Schnitt in der Bevölkerung. Von den Cannabis-Erfahrenen hat es aber nur ein kleiner Teil auch für medizinische Zwecke eingesetzt. Die Erfahrungen deutscher Ärzte mit Marihuana sind vergleichbar mit denen ihrer spanischen und amerikanischen Kollegen. Interesssant dabei: US-Ärzte haben mit ganz knappem Vorsprung am meisten selbst gekifft, während sie beim Alkoholkonsum mit einem Drittel strikten Abstinenzlern die größte Zurückhaltung zeigten. Obwohl öffentlich viel mehr diskutiert, spielt der medizinische Gebrauch von Marihuana in den USA eine viel geringere Rolle als hierzulande – zumindest was die ärztliche Beteiligung betrifft.