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ACM-Mitteilungen vom 27. Juli 2013

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Die Klage für den Eigenanbau von Cannabis geht in die nächste Runde

Die Klage von Michael F. und weiteren Patienten mit einer Erlaubnis zum Kauf von Cannabisblüten in der Apotheke geht in die nächste Runde. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte am 7. Dezember 2012 die von der Bundesopiumstelle regelmäßig vorgetragenen Argumente gegen einen Eigenanbau zurückgewiesen. Allerdings hatte das Gericht dem Kläger nicht den Eigenanbau gestattet, sondern mit einer mangelhaften Begründung behauptet, dass ihm mit Dronabinol ein gleichwertiges Medikament wie selbst angebauter Cannabis zur Verfügung stehe. Da die Krankenkasse nur die Kosten für Dronabinol übernehme, sei die Klage abzuweisen.

Das Gericht gab dem Kläger also in so weit Recht, dass Patienten, für deren Erkrankungen keine anderen, zumutbaren Therapien zur Verfügung stehen, einen Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn stellen können. erklärte der Sprecher des Oberverwaltungsgerichts Ulrich Lau gegenüber der Presse. Bislang wurden solche Anträge grundsätzlich abgelehnt. Diese Praxis sei aber rechtswidrig, erklärte das Gericht. (Az.: 13A 414/11). Mit dem Verweis auf Dronabinol bekam der Kläger aber dennoch kein Recht. Zudem wurde keine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen, sondern der Fall als abgeschlossen betrachtet. Sollte sich herausstellen, dass Dronabinol doch nicht so wirksam sei wie Cannabis, dann könne der Kläger nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Münster einen neuen Antrag auf den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke beantragen.

Gegen dieses Verhalten des Oberverwaltungsgerichts beschwerte sich der Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht. Mit Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigte dem Urteil erhebliche Verfahrensmängel.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig übermittelte den streitenden Parteien am 3. Juni 2013 seinen Beschluss vom 24 Mai 2013 (BVerwG 3 B 14.13). Darin heißt es:

"Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2012 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen."

In der Begründung des Beschlusses führen die 3 Richter des 3. Senats des Bundesverwaltungsgerichts aus:

„Die auf Verfahrensmängel gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts hat Erfolg und führt zur Zurückweisung des Rechtsstreits gemäß §133 Abs. 6 VwGO. Das Berufungsurteil leidet an einem von dem Kläger mit Recht gerügtem Verfahrensmangel (…).

Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Der damit umrissene Grundsatz gebietet dem Tatsachengericht, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die hierzu erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet. Der Grundsatz ist aber dann verletzt, wenn sich auf der Grundlage der materiellrechtlichen Sicht des Gerichts und unter Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten der Beteiligten eine weitere Aufklärung aufdrängen müsste.

Dem Berufungsgericht hätte sich aufdrängen müssen, den von den Beteiligten übereinstimmend angeregten Therapieversuch mit dem Ersatzmittel Dronabinol zu ermöglichen, um festzustellen, ob es sich für den Kläger um ein gleich wirksames Mittel handelt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass bei der gebotenen konkret-individuellen Betrachtung eine gleiche Wirksamkeit anzunehmen sei (Berufungsurteil S. 22 ff.). (…) Der Kläger hat im Verfahren wiederholt geltend gemacht, dass er bislang nur jeweils als Überbrückung Dronabinol eingenommen habe und nach diesen Erfahrungen keine gleiche Wirksamkeit gegeben sei; darauf hat auch seine Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung noch einmal hingewiesen. Deshalb hat der Kläger angeboten, einen dreimonatigen Umstellversuch zu unternehmen, und die Beklagte hat die dafür notwendigen Voraussetzungen einer ärztlichen Begleitung formuliert. Diese nahe liegende Möglichkeit einer zusätzlichen Tatsachengewinnung musste sich dem Berufungsgericht schon deshalb aufdrängen, weil es in den Entscheidungsgründen selbst angeführt hat, dass eine ausführliche ärztliche Stellungnahme zu der Wirkung des Ersatzmittels bei dem Kläger fehle, dass angesichts der erst über wenige Wochen praktizierten Einnahme des Mittels noch keine Aussagen getroffen werden könnten und dass über eine ärztliche Begleitung bei der Einführung und Dosisfindung nichts bekannt sei (S. 25). Das Gericht hat indes durch die Ablehnung des Ruhensantrags zur Durchführung einer Umstelltherapie und das Festhalten an der bereits terminierten mündlichen Verhandlung dem Kläger gerade die Gelegenheit genommen, nach der Kostenzusage der Krankenkasse einen solchen Umstellversuch zu unternehmen. Es geht nicht an, dem Kläger einerseits das Fehlen belastbarer Aussagen durch einen ärztlich begleiteten Umstellversuch vorzuhalten, im andererseits aber die Möglichkeit zu einem Versuch trotz der übereinstimmenden Anregung der Beteiligten zu verwehren."

Nachdem also das Oberverwaltungsgericht Münster am 7. Dezember 2012 die Bundesregierung massiv wegen der vom BfArM vorgetragenen Gründe gegen Ausnahmeerlaubnisse zum Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke kritisiert und das Verhalten als rechtswidrig eingestuft hatte (siehe Zehn Ohrfeigen für die Bundesregierung), musste sich das Oberverwaltungsgericht Münster nun vom Bundesverwaltungsgericht eine Standpauke wegen der versuchten Niederschlagung der Klage von Michael F. gegen das BfArM gefallen und sich Verfahrensmängel vorwerfen lassen.

Dronabinol wirkt nach einer ausführlichen fachärztlichen Stellungnahme des Arztes von Herrn F. vom 17. Juli 2013 immer noch nicht so gut wie Cannabis. Man darf gespannt sein, wie das Oberverwaltungsgericht Münster bei der nächsten Verhandlung mit dieser Situation umgehen wird, hatte es doch selbst festgehalten, dass für den Fall, dass Dronabinol nicht so gut wirksam sei wie Cannabis, eine Genehmigung zum Eigenanbau nicht verwehrt werden könne.

Anderen Patienten, die vor der untersten Instanz – vor dem Verwaltungsgericht Köln – gegen eine Ablehnung ihres Antrags auf den Eigenanbau von Cannabis Klage erhoben haben, wurde vom BfArM nahe gelegt, zur Vorbereitung ihrer eigenen Klage einen gut dokumentierten Therapieversuch mit Dronabinol durchzuführen. Alle Patienten warten aber nun erneut zunächst auf die nächste Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.

Es bleibt also spannend, und es bestehen trotz der Verzögerungstaktik des BfArM weiterhin gute Erfolgsaussichten.